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Corona-Krise, Geisterspiele und Sieglosserie: Das wohl längste Jahr des 1. FC Köln

Kein normales Jahr liegt hinter dem 1. FC Köln: Höhenflug und Sieglosserie, Coronakrise und Geisterspiele. Wir lassen 2020 Revue passieren.

 

Foto: Frederic Scheidemann/Getty Images

Juli

So lief der Monat: “Wie Sie sehen, sehen Sie nichts”. So in etwa könnte die Überschrift des Monats lauten. Nach einer kräftezehrenden und alles andere als normalen Saison begeben sich die Bundesliga-Vereine, die nicht in europäischen Wettbewerben vertreten waren, völlig überraschend also auch der effzeh, in den verkürzten Sommerurlaub. Rund ums Geißbockheim wird die Arbeit erst einmal eingestellt. Dass der Kader der “Geißböcke” unbedingt verstärkt werden musste, hatte der Saisonendspurt deutlich gemacht. Dass die Suche nach Verstärkungen länger dauern könnte, war angesichts der prekären Finanzlage auch klar. Dennoch verwundert es, dass es im Juli außer vereinzelten Meldungen von Abgängen im Talent-Bereich und der Leihe eines gescheiterten Profis absolut keine Bewegung an der Transferfront gibt. Und so müssen sich die Fans mit einem kleinen, aber besonders tiefen Sommerloch zufrieden geben.

News des Monats: Der 1. FC Köln verkündet, dass Dauerkarteninhaber*innen, die im Falle von Geisterspielen auf eine Erstattung des gezahlten Betrags verzichten, bei einer Teilöffnung des Müngersdorfer Stadions zuerst berücksichtigt werden. Damit gelang es dem Verein auch im ereignislosen Juli für mächtig Wirbel zu sorgen, denn die eigenen Fans gingen berechtigterweise auf die Barrikaden. Logischerweise folgte ein Shitstorm in den sozialen Medien. Aufseiten der Fans war von “Erpressung” und “Zweiklassengesellschaft” die Rede, da jene Anhänger, die sich den Verzicht leisten konnten, massiv bevorteilt wurden. Geschäftsführer Wehrle sprach von einer “fairen Lösung” und rief so noch mehr Kopfschütteln hervor.

Zitat des Monats: „Ganz klar: Ohne Erholung keine Leistung. Wir müssen jetzt auch richtig mutig sein mit der Art der Pause, die wir wählen, und vielleicht eine Woche länger Pause machen als andere Mannschaften. Eine Vorbereitung von fünf bis sechs Wochen auf eine neue Saison reicht locker. Die Spieler machen ja nicht gar nichts in dieser Zeit. Sie sollen nur keinen Fußball spielen.“ (Trainer Markus Gisdol erläutert den erstaunlich späten Start der Vorbereitung)

Das war sonst noch wichtig: Die Corona-Krise hat in nur wenigen Monaten die zweifelhaften Entwicklungen und die Skrupellosigkeit im Fußball offenbart. Durch die Geisterspiele zeigte sich gleichzeitig, wie elementar die Fankultur noch immer für den Sport ist. Eben jene Fans riefen die Initiative “Unser Fußball” auf. In dieser von über 2500 Fanclubs und fast 15000 Einzelpersonen unterschriebenen Initiative werden Vereine und Verbände aufgefordert, die Zukunft des Fußballs grundlegend neu zu gestalten. Die auch von effzeh.com mitgetragene Initiative wurde im Juli an die DFL und den DFB übergeben.

Foto: Frederic Scheidemann/Getty Images

August

So lief der Monat: Auf den ruhigen Juli folgt ein ereignisreicher August – das hat aber relativ wenig mit der Profimannschaft des 1. FC Köln zu tun. Namhafte Zugänge lassen weiter auf sich warten, lediglich die Verpflichtung von Ron-Robert Zieler als neue Nummer 2 hinter Timo Horn wird verkündet. Ansonsten bemüht man sich vergeblich um eine Weiterverpflichtung von Mark Uth sowie die Dienste von Paderborns Streli Mamba und Nürnbergs Robin Hack. Dafür verlassen mit Derbyheld Marcel Risse und Top-Torjäger Simon Terodde zwei der prägenden Spieler der letzten Jahre den effzeh gen Viktoria Köln (Risse) und Hamburger SV (Terodde). Abseits des Platzes sorgt die Nominierung von Carsten Wettich als FC-Vizepräsident für reichlich Gesprächsstoff. Der Entsandte des Mitgliederrats soll den im Dezember 2019 zurückgetretenen Jürgen Sieger beerben. Das wiederum ruft die Gruppe der Alt-Internationalen, allen voran Stephan Engels, wieder auf den Schirm. Der 59-Jährige wütet über die lokalen Medien, weil er selbst für das Amt kandidieren wollte, seiner Meinung nach aber übergangen wurde. Im Kreuzfeuer seiner Kritik? Wieder einmal der Mitgliederratsvorsitzende Stefan Müller-Römer. Da geht die vorzeitige Vertragsverlängerung von Markus Gisdol bis 2023 fast unter.

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News des Monats: Der 1. FC Köln trennt sich von Medien- und Kommunikationschef Tobias Kaufmann. Der 44-Jährige wird übergangsweise durch den ehemaligen Lufthansa PR-Chef Jürgen Homeyer ersetzt. Während die Entlassung von Kaufmann aufgrund der mehrfach ausgezeichneten effzeh-Medienabteilung für die breite Öffentlichkeit durchaus überraschend kam, schien sie für Beobachter, die näher am Geschehen dran sind, fast schon überfällig. Präsident Wolf betonte noch: “Ich kenne Herrn Kaufmann seit vielen Jahren und schätze ihn. Das war eine Entscheidung, die beiden Seiten nicht leicht gefallen ist.” Die warmen Worte hinderten Kaufmann nicht daran, später noch vor Gericht zu ziehen.

Zitat des Monats: “Unser Ziel ist es, den FC in der Bundesliga zu etablieren. Entscheidende Voraussetzung dafür ist ein Team, das kompetent und vertrauensvoll zusammenarbeitet und hinter unserem Weg steht. Genau das gilt für Markus, er ist ein wichtiger Teil davon. Er hat die Mannschaft im letzten Jahr in einer sehr schwierigen Situation übernommen. Bei allen Herausforderungen auf dem Weg zum Klassenerhalt hat er Mut und Führungsqualitäten bewiesen.” (Geschäfsführer Horst Heldt zur Vertragsverlängerung von Trainer Markus Gisdol)

Das war sonst noch wichtig: Der 1. FC Köln veröffentlicht sein Auswärtstrikot, auf dem die Skyline von Köln zu sehen. Zu dieser gehört faktisch seit einigen Jahren eine große Moschee. Wer ganz genau hinschaut, erkennt diese auch auf dem Trikot. Keine große Sache eigentlich. Für einige Anhänger der “Geißböcke” anscheinend schon. Ein Mitglied reichte die Kündigung ein, weil es sich “mit Moslems und Moscheen nicht identifizieren kann”. Der Verein veröffentlichte die Kündigung mit Hinweis auf die #effzeh-Charta und einem “Hadi tschüss”. Das wiederum sorgte deutschlandweit für Aufregung. Von den meisten Seiten, unter anderem auch von Repräsentanten der katholischen Kirche, wurde der vorbildliche Umgang mit Rassismus gelobt, Politiker der CSU und AFD sahen das ganze anders und verwiesen auf den höchst umstrittenen Ditib-Verband, der hinter dem Bau der Moschee steht.

Foto: imago images/Mika Volkmann

September

So lief der Monat: Die Bundesliga läuft wieder. Doch für den 1. FC Köln läuft es nicht. Auf dem Platz setzt es zum Saisonstart eine unglückliche Niederlage gegen die TSG Hoffenheim (2:3), dann eine bittere Pleite bei Aufsteiger Arminia Bielefeld (0:1). Dabei, aber noch nicht komplett integriert: Die beiden Neuzugänge Sebastian Andersson und Ondrej Duda, die kurz vor dem Auftakt der neuen Spielzeit vom 1. FC Union Berlin beziehungsweise Hertha BSC zum FC stießen. Zuvor hatte Jhon Cordoba die “Geißböcke” Richtung Hertha verlassen – und das Gisdol-Team ohne ihren kolumbianischen Starstürmer die Auftakthürde im DFB-Pokal locker gemeistert. Mit 6:0 wurde Altglienicke nach Hause geschickt, aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurde die Partie im Müngersdorfer Stadion ausgetragen.

News des Monats: Stefan Müller-Römer tritt als Vorsitzender des Mitgliederrats zurück, bleibt dem Gremium aber als einfaches Mitglied erhalten. Vorangegangen war eine beispiellose Schlammschlacht in aller Öffentlichkeit mit Anwürfen von Alt-Internationalen und mit geleakten Mails, aus denen der “Kölner Stadt-Anzeiger” zitierte. Dem unwürdigen Treiben setzten die Stellungnahmen von Vorstand und Mitgliederrat im Anschluss an den Rücktritt die Krone auf – nach dem Lesen wurde einem zwar klar, welche Verdienste die Gremien Müller-Römer zuschreiben, aber nicht, welche Gründe es letztlich für seine Demission gegeben hatte.

Zitat des Monats: “Ein möglicher Vorwurf, die Geschäftsführung habe eine wie auch immer geartete Mitverantwortung für die finanzielle Lage, entbehrt jeder Grundlage.” (Der Vorstand des 1. FC Köln in einer offiziellen Pressemitteilung des Vereins)

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In eigener Sache: effzeh.com wird Debatten- und Meinungsmagazin

Das war sonst noch wichtig: In eigener Sache hatte effzeh.com zum Start in den September etwas zu vermelden. Nach internen Diskussionen haben wir uns angesichts diverser Umstände dazu entschieden, unser Online-Fanzine zu einem Debatten- und Meinungsmagazin umzugestalten. News rund um den 1. FC Köln findet ihr bei uns dementsprechend nicht mehr, dafür konzentrieren wir uns auf tiefgehende und hintergründige Analysen, meinungsstarke Kommentare und Kolumnen sowie die Berichterstattung zu fanpolitischen und gesellschaftsrelevanten Themen. Dazu haben wir die Werbung abgeschaltet!

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