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Corona-Krise, Geisterspiele und Sieglosserie: Das wohl längste Jahr des 1. FC Köln

Kein normales Jahr liegt hinter dem 1. FC Köln: Höhenflug und Sieglosserie, Coronakrise und Geisterspiele. Wir lassen 2020 Revue passieren.

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Foto: imago images/Uwe Kraft

April

So lief der Monat: Diskussionen um die Wiederaufnahme des Spielbetriebes der Bundesliga durchziehen den Monat. Die Verantwortlichen des 1. FC Köln bemühen sich während der landesweiten Ausgangsbeschränkungen um Einsparungen und können schließlich mit Spielern und Abteilungsleitern einen Gehaltsverzicht für drei Monate vereinbaren. Ein Teil der Mitarbeiter:innen wird zudem in Kurzarbeit geschickt. Ansonsten kann Mitte des Monats zumindest die Profimannschaft wieder zum Training zusammenkommen, auch wenn Körperkontakt während der Trainingseinheiten noch nicht gestattet ist.

News des Monats: Eine Insolvenz der “Geißböcke” ist keine direkte Bedrohung, wie Vorstand und Geschäftsführung auf einem virtuellen FC-Stammtisch bekanntgeben. Sollte der Spielbetrieb länger unterbrochen bleiben, würde es im Sommer 2021 eng werden, referiert der für die Finanzen zuständige Geschäftsführer Alexander Wehrle.

Zitat des Monats: “Die Wiederaufnahme des Fußballs, auch in Form von Geisterspielen, ist in der aktuellen Situation nicht vertretbar – schon gar nicht unter dem Deckmantel der gesellschaftlichen Verantwortung. […] Der Profifußball ist längst krank genug und gehört weiterhin in Quarantäne.” (Die Kölner Ultragruppierung “Coloniacs” auf ihrer Homepage in einer Stellungnahme zu der Frage, ob die Bundesliga den Spielbetrieb möglichst bald wieder aufnehmen sollte)

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Das war sonst noch wichtig: Kanzlerin Merkel macht mit der Wortschöpfung der “Öffnungsdiskussionsorgien” ihrem Ärger um die Wiederöffnung des Landes Luft. Eine Diskussionen, an denen sich auch die Bundesliga öffentlich kräftig beteiligt. Länger ist die Wiederaufnahme des Spielbetriebes der Bundesliga bei der Ministerpräsidentenkonferenz Thema, die Bundesliga lobbyiert bei dem Thema für manche unangenehm laut mit ihrem verabschiedeten Hygienekonzept und drängt auf Wiederaufnahme, verwehrt sich allerdings dabei dagegen, eine Art “Sonderrolle” zu bekommen.

Foto: Lars Baron/Getty Images

Mai

So lief der Monat: Nachdem die Politik am 5. Mai grünes Licht für die Wiederaufnahme des Spielbetriebes gibt, betritt die Bundesliga am 15. Mai mit dem 26. Spieltag wieder die Arenen der Republik. Der 1. FC Köln kann an die Erfolgsserie aus dem Winter allerdings nicht anknüpfen: Bei der Rückkehr von Achim Beierlorzer mit seinen neuen Club Mainz 05 nach Köln verspielt der FC eine 2:0-Führung und trennt sich vom Ex-Trainer 2:2, eine Woche später spielen die “Geißböcke” an gleicher Stelle gegen Fortuna Düsseldorf ebenfalls 2:2. Einziger Unterschied: Diesmal holt man einen 0:2-Rückstand in den letzten Minuten durch Tore von Modeste (88.) und Cordoba (90.+1) auf und bringt den rheinischen Rivalen in tiefere Abstiegssorgen. Das erste Auswärtsspiel nach Wiederaufnahme führt anschließend nach Hoffenheim, wo das Gisdol-Team 1:3 unterliegt, allerdings noch phasenweise ansehnlichen Fußball spielt. Bornauw sieht nach 28 Minuten die rote Karte, das 2:0 der TSG direkt nach Wiederanpfiff besiegelt die dreizehnte Niederlage der Rheinländer der laufenden Saison.

News des Monats: Bei einer Testreihe auf Covid-19 beim 1. FC Köln kommen drei Tests positiv zurück. Ob dies die Bemühungen der Bundesliga um Wiederaufnahme zerstört, wird kurzfristig diskutiert. Der 1. FC Köln hinterlässt in dieser Krisensituation keinen positiven Eindruck, auch weil laut Gesundheitsamt keine der drei positiv getesteten Personen eine Kontaktpersonen 1. Grades innerhalb des Vereins gehabt haben und sich folglich alle drei positiv getesteten mehr oder weniger zeitgleich unabhängig voneinander angesteckt haben sollen. Die Kritik kommt nicht nur von außen: Mittelfeldspieler Birger Verstraete gibt im belgischen Fernsehen ein Interview und sagt, es sei “nicht ganz richtig” das niemand mit den drei Infizierten in Kontakt gewesen sei und dass es “bizarr sei”, dass niemand in Quarantäne müsse. Schnell wird er vom Verein zum Rapport bestellt, er selber gibt sich anschließend reumütig, seine Freundin ist Herzpatientin und wird deswegen als Teil einer Risikogruppe nach Belgien geschickt, wo das Infektionsgeschehen weit höher ist als in Deutschland.

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Zitat des Monats: „Ich weiß, wie viel Arbeit auf allen Seiten in so einem Projekt steckt, das bislang stets kritisch öffentlich begleitet wurde. Mein Dank gilt heute daher ausdrücklich den vielen daran beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. Sie waren für uns mit Sicherheit nicht immer bequem, aber immer hoch professionell, verlässlich und engagiert.“ (Geschäftsführer Alexander Wehrle begrüßt auf der FC-Homepage die Fortschritte und die Zusammenarbeit mit der Verwaltung auf dem Weg zum Ausbau des Geißbockheims)

Das war sonst noch wichtig: Die Bundesliga geht weiter, die Liga, Boulevard und Sky feiern dies als großen Erfolg. Währenddessen bleibt es Hobbykickern verboten, Kontaktsport zu betreiben. Die Verantwortlichen bei DFL und in den Vereinen wollen von einer Sonderbehandlung allerdings weiterhin nichts wissen. Kurz vor der Wiederaufnahme streamt dann Herthas Stürmer Salomon Kalou via Facebook Live aus den Räumen seines Vereins und zeigt dabei unbeabsichtigt eindrucksvoll, wie wenig Bewusstsein es mindestens beim Hauptstadtklub bei den dort arbeitenden Menschen für die Maßnahmen gibt. Überdies wird auch ein Coronatest gefilmt, der schlichtweg falsch ausgeführt wurde. Woanders spaziert Augsburgs Trainer Heiko Herrlich, eigentlich in Quarantäne, vor dem ersten Spiel ohne Maske in einen Supermarkt und erzählt davon anschließend launig auf der Pressekonferenz. Die Bundesliga werfen auch diese skurrilen Anekdoten nicht zurück, vielen Menschen aber wird mindestens zwischenzeitlich spürbar etwas anders, wenn sie an das Business Bundesliga denken.

BREMEN, GERMANY - JUNE 27: Yuya Osako (C) of Werder Bremen celebrates his team's fifth goal during the Bundesliga match between SV Werder Bremen and 1. FC Koeln at Wohninvest Weserstadion on June 27, 2020 in Bremen, Germany. (Photo by Oliver Hardt/Getty Images)

Foto: Oliver Hardt/Getty Images

Juni

So lief der Monat: Die Formkurve des 1. FC Köln geht steil nach unten, je mehr das Saisonende naht. Einem 2:4 gegen Leipzig folgt ein Punktgewinn in Augsburg, danach setzt es bittere Niederlagen gegen Union Berlin (1:2) und in Leverkusen (1:3). Mit dem 1:1 gegen Frankfurt schaffen die “Geißböcke” allerdings den Verbleib in der Bundesliga – das Saisonziel ist erreicht. Mit einem positiven Impuls schließt der FC die Spielzeit jedoch nicht ab: Bei Werder Bremen blamiert sich das Gisdol-Team bis auf die Knochen und verhilft den Hanseaten durch die 1:6-Klatsche in die Relegation. Durch den desolaten Auftritt am 34. Spieltag verspielen die Kölner nicht nur viele Sympathien in Deutschland und viel Kredit bei den eigenen Fans, sondern auch viel Geld: Ein Sieg hätte einen großen Sprung in der Tabelle bedeutet, der sich vor allem in den TV-Einnahmen niederschlagen würde. Bis zu fünf Millionen Euro hat der FC durch dieses Spiel in den Sand gesetzt.

News des Monats: Der 1. FC Köln verlängert den Vertrag mit Sportgeschäftsführer Horst Heldt bis 2023. “Wir möchten auf der Position des Geschäftsführers Sport Kontinuität erreichen und sind überzeugt, dass dies mit Horst Heldt gelingen wird. Er hat seit seinem Antritt im November unter schwierigen Bedingungen einen wichtigen Umschwung beim FC erreicht“, erklärt FC-Präsident Werner Wolf: „Mit seiner Erfahrung, seiner Teamfähigkeit und seiner Klarheit bei Analysen und Entscheidungen bringt er für uns alles mit, um den FC mittel- und langfristig auf einen guten Weg zu bringen. Er identifiziert sich voll und ganz mit dem 1. FC Köln, ergänzt sich gut mit Alexander Wehrle und arbeitet mit allen Gremien transparent zusammen”, so Wolf. Die Vertragsverlängerung mit FC-Coach Markus Gisdol sollte dann kurz vor dem Saisonstart folgen.

Zitat des Monats: “In Schulnoten ausgedrückt kann man von einem voll Befriedigend sprechen.” (FC-Präsident Werner Wolf lässt nach der Saison bei seiner Bewertung Gnade walten)

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Das war sonst noch wichtig: Die politische Realität der Welt da draußen hält auch in den Fußballstadien Einzug – mehrere Fußballprofis schließen sich den “Black lives matter”-Protesten nach der Ermordung von George Floyd durch einen Polizisten in den USA an. Die Solidaritätsbekundungen auf Shirts rufen den DFB auf den Plan, der zunächst über Ermittlungen gegen die jeweiligen Spieler sinniert. Nach hitzigen Diskussionen in der Öffentlichkeit, ob ein solches Vorgehen moralisch gerechtfertigt oder überhaupt sinnvoll sei, verkündet der Verband: Keine Verfahren wegen Solidaritätsbekundungen mit George Floyd. “Natürlich hat der DFB-Kontrollausschuss stets die Vorgaben der FIFA-Fußballregeln und der DFB-Ordnungen im Blick. Im konkreten Fall handelt es sich aber um gezielte Anti-Rassismus-Aktionen der Spieler, die sich damit für Werte starkmachen, für die der DFB ebenfalls steht und immer eintritt. Daher werden keine Verfahren eingeleitet”, betonte Anton Nachreiner, Vorsitzender des DFB-Kontrollausschusses.

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