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Nachspiel

Nach der Pleite in Leverkusen: Im harten Regen

Der 1. FC Köln verliert 1:3 in Leverkusen. Das Formtief hält an, die Zweifel an Besserung wachsen – und gleichzeitig verschlechtert sich die Perspektive im Sommer. Unser Nachspiel.

Foto: Sascha Steinbach/Pool via Getty Images

Bob Dylan besang das Ende der Welt in vielen Songs, aber keines von ihnen besaß solche Wucht wie “A Hard Rain’s A-Gonna Fall”. Der Sänger durchstreift eine Dystopie aus deprimierenden Landschaften, hört Clowns weinen und weiß, dass ein harter Regen kommen wird, der dem Ganzen ein Ende bereitet. Dylan wählte den Song als denjenigen aus, der anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises gespielt werden sollte.

Nun befindet sich der 1. FC Köln nach der Niederlage in Leverkusen nicht am Ende der Welt oder gar der Tabelle. Und ja, es hat gestern stark geregnet, doch einer apokalyptischen Situation sieht sich der FC nicht ausgesetzt. Trotzdem besaß der Regen etwas Symbolisches. In Dylans Song leben viele Leute in dunklen Wäldern, obwohl ihre Hände leer sind. In Leverkusen stolperten sich junge Männer in weißen Trikots Grausames auf dem Fußballfeld zusammen, um dieses erneut mit leeren Händen zu verlassen. Für den Klassenerhalt wird es zwar wahrscheinlich reichen. Doch die Leistungen, die die Mannschaft in den letzten Wochen zeigt, nähern sich einem dystopischen Dauerzustand.

Horn im Leistungstief, wie (fast) die gesamte Mannschaft

Natürlich, die Betriebssportmannschaft des Chemiekonzerns ist Tabellenvierter und spielt um den Einzug in die Champions League. Ja, der Pillenkader ist viel stärker besetzt. Und selbstverständlich war ein Erfolg am Autobahnkreuz kein Muss.

Trotzdem enttäuschte die Mannschaft des 1. FC Köln auf ganzer Linie. Erneut. Auf einige, schon sehr dürftige Spiele nach der Coronapause, folgte ein miserables gegen Union Berlin, wonach Horst Heldt und Markus Gisdol ihre Unzufriedenheit öffentlich thematisierten. Sie setzten wohl darauf, dass die Mannschaft sich ihre Worte zu Herzen und eine bessere Leistung abliefern würde. Was folgte, war eine groteske erste Halbzeit, die nur deshalb nicht in einem Debakel endete, weil Leverkusen zurückschaltete und sich der effzeh danach halbwegs am Riemen riss. Niemand der Verantwortlichen wird allerdings bestreiten, dass das kompakte, druckvolle Spiel der ersten Rückrundenhälfte einer unkonzentrierten, laschen Bolzerei gewichen ist.

Niemand nennt die Ursachen für die schlechte Entwicklung und es ist unklar, ob am Geißbockheim diese Ursachenforschung mit Elan vorangetrieben wird. Markus Gisdol soll sich laut einem Express-Bericht über schwachen Einsatz im Training beschwert haben. Das könnte einer der Gründe für das Formtief sein, erklärt jedoch nicht alles. Timo Horn befindet sich auf dem Leistungstief seiner Karriere, Jhon Cordoba läuft sich nur noch fest und Bällen hinterher, genau wie die gesamte Mannschaft den Rückständen, die sie sich aus defensiven Disziplinlosigkeiten selbst einhandelt. Einzig Sebastiaan Bornauw und Anthony Modeste scheinen während der Coronapause ihre Form konserviert oder sogar verbessert zu haben. Der Rest? Stand im Regen.

Planlos im Formtief

Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb eine Mannschaft wie die des 1. FC Köln gegen Bayer verlieren kann; einige heißen Havertz, Diaby, Bailey oder Aranguiz. Die Offensivabteilung der Kicker vom Autobahnkreuz gehört zu den Feinsten der Liga. Der offensive Stil von Trainer Peter Bosz passt zur Mannschaft, zu deren größten Schwächen ihr Phlegma zählt. Gestern legte sie dies ab, was die Aufgabe für den 1. FC Köln erschwerte. Und trotzdem wirkte das Team von Markus Gisdol auffallend planlos, wenn es verteidigen musste.

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Den höchst wahrscheinlichen Klassenerhalt kann man Markus Gisdol nicht hoch genug anrechnen. Allerdings scheint auch ihm inzwischen das Verständnis für die Vorstellungen seiner Mannschaft zu fehlen. Womit er, zugegebenermaßen, nicht alleine da steht, was aber trotzdem auf ihn zurückfällt. Die Resultate nach der Coronapause sind schlecht (0 Siege, 3 Unentschieden, 4 Niederlagen) und viele fragen sich inzwischen, was die Spieler bis vor einigen Wochen eigentlich gemacht haben.

Schwache Leistungen – und mangelnde Kritikfähigkeit?

Das Formtief verschlechtert zugleich die Erfolgsaussichten auf ein Ausmisten des Kaders. Dank der von Armin Veh und Frank Aehlig verantworteten und von Alexander Wehrle mit getragenen Transferpolitik, ergibt sich kaum finanzieller Spielraum für Neuverpflichtungen – und das nicht nur im kommenden Sommer. Zu viele leistungsschwache Spieler erhalten bis 2022 und teilweise länger noch zu viel Geld. Auch die geplanten Vertragsverlängerungen für Markus Gisdol und Horst Heldt scheinen nun erstmal gestoppt worden zu sein.

Welche Perspektive kann die Mannschaft aber kurzfristig beim Heimspiel gegen Frankfurt anbieten? Reißt sie sich zusammen? Liefert sie mal wieder eine konzentrierte Vorstellung über 90 Minuten? Oder verpufft die Kritik Heldts und Gisdols vollends und sie lässt sich erneut vorführen? Das wird sich am Samstag zeigen. Denn fast noch mehr als die schwachen Leistungen verblüfft die Gleichgültigkeit, mit der viele Spieler ihre Leistungen weiter bergab führen. Es scheint so, als wäre es vielen egal, was gerade passiert – etwas, das in letzter Konsequenz auch für eine mangelhafte Kritikfähigkeit am Geißbockheim spricht und sich dringend ändern muss.

Oder, um es mit Bob Dylan zu sagen: “And I’ll tell it and think it and speak it and breathe it.” Damit will er vor dem Regen warnen. Nimmt der 1. FC Köln sich dessen Botschaft Herzen, erreicht er vielleicht wieder sonnigere Gefühlsregionen.

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