Natürlich will man als Sportler den maximal möglichen Erfolg erreichen – die Nationalmannschaft hilft dabei genauso wie regelmäßige Spiele auf Top-Niveau, keine Frage. Man kann aber auch andere Werte für wichtig erachten: Die Verantwortung dem Verein und seinen Anhängern gegenüber, aber auch die sportliche Ehre, die eigenen Fehler wiedergutmachen zu wollen, sind ehrbare Motive. Sie sollten weder vom Business noch vom Bundestrainer abgestraft werden.
Abgesehen davon: Manchmal fühlt man sich in der Stadt, im Verein und im privaten Umfeld vielleicht auch einfach wohl und hat so gar keine Lust auf versnobte Nightclubs in München, Madrid oder Paris. Auch das soll es geben. Charakter und Persönlichkeit sind Attribute, die man bei aller Fokussierung auf sportliche Leistungen weder in der Nationalmannschaft noch sonst irgendwo komplett über Bord werfen sollte.
Öffentliche Bekenntnisse bleiben meist aus
Dennoch bleiben öffentliche Bekenntnisse der Kölner Spieler bisher aus. Mantra-artig wird nach Sieg oder Niederlage vorgetragen, man werde stets zusammenhalten und „alles dafür tun“, das Desaster aus der Hinrunde doch noch auszubügeln. Zu wertvoll sei doch die Gemeinschaft, die beim FC in den letzten Jahren entstanden ist. Bei konkreten Fragen nach der individuellen Zukunft im Abstiegsfall nutzen die Profis aber dann doch lieber die üblichen Exit-Strategien. Darüber „denke man noch nicht nach“, der „Fokus“ sei „voll auf die sportlichen Aufgaben“ gerichtet, alles andere wäre „unprofessionell“. In vielen Fällen bedeutet das übersetzt: „Ich bin weg, aber das möchte ich erst verkünden, wenn es soweit ist, damit niemand denkt, ich wäre nicht mehr bei der Sache.“ Mehr nicht.
Für einige Spieler des 1. FC Köln dürfte also genau das im Sommer anstehen. Aber die Kölner Fans können vielleicht auch auf Ausnahmen hoffen. Die hat es auch nach dem so wegweisenden Bosman-Urteil im Profi-Fußball immer wieder gegeben: Man denke an Steven Gerrard beim Liverpool FC, Gigi Buffon bei Juventus Turin, Francesco Totti beim AS Rom oder den großen Marc Schnatterer beim 1. FC Heidenheim. Letzterer beweist, dass es Vereinstreue auch auf schwächerem Niveau durchaus geben kann – und dort ist sie sogar noch höher zu bewerten als bei jedem Topclub.
Wer bleibt trotz Abstieg beim 1. FC Köln?
Auch in Köln scheint es einen heißen Kandidaten für diese Rolle zu geben, das ließ Geschäftsführer Armin Veh unlängst in der Sendung „Sky90“ durchblicken. “Ich kann mir vorstellen, dass ein Spieler, der hoch gehandelt wird, am FC hängt und mit ihm wieder hoch will und bleibt”, erklärte Veh etwas kryptisch. Intern scheint es also durchaus schon Andeutungen in diese Richtung gegeben zu haben.
Dass es sich dabei um Jonas Hector handeln dürfte, ist hoch wahrscheinlich. Nicht nur seine bitteren Tränen nach der Pleite gegen Stuttgart lassen auf eine emotionale Bindung des Nationalspielers an den Verein schließen, auch Hectors bisheriger Karriere-Verlauf ist quasi das Gegenmodell zum handelsüblichen Weg über DFB-Nachwuchsteams und zweite Mannschaften der Top-Clubs. Der Linksfuß kickte bis in seine frühen zwanziger Jahre bei einem Dorfclub im Saarland, wechselte erst dann zum 1. FC Köln und wurde in der Domstadt schließlich Nationalspieler. Im Sommer wird Hector, trotz der Kölner Grusel-Saison, mit zur Weltmeisterschaft fahren und sich auf großer Bühne präsentieren können. In der jüngeren Vergangenheit war der Kölner beim Bundestrainer als Linksverteidiger gesetzt.
Besonders bitter für den 27-Jährigen am Niedergang seines Clubs: Während der FC in der Hinrunde seine Chancen verspielte, war der Allrounder verletzt und konnte das Elend auf dem Platz nicht mit seinen Qualitäten verhindern. Hector könnte also sogar mit Fug und Recht behaupten, nicht so wirklich Schuld an all dem zu sein… und wechseln.
Bleibt gerade der, der am meisten zu verlieren hat?
Bleibt aber ausgerechnet der Spieler, der durch seine Position in der Nationalmannschaft und seinen Marktwert am meisten zu verlieren hätte, wenn der 1. FC Köln in die Zweitklassigkeit abrutschen sollte, wäre es ein Schritt, den man in heutigen Fußball-Zeiten eigentlich kaum höher bewerten könnte. Jonas Hector hätte einen Platz unter den Legenden des geschichtsträchtigen Vereins aus Köln vermutlich sofort auf ewig sicher – so viel ist klar. Und er könnte zudem dort bleiben, wo er sich offenbar so wohlfühlt.
Kaufen kann er sich davon zwar nichts. Aber Weltmeister kann Hector im Sommer ja einfach schon einmal werden. Und dann kann ihm eh egal sein, was Löw über seinen Schritt in die zweite Liga so denkt. Die Kölner Anhänger sollten der deutschen Nationalmannschaft also im Sommer vielleicht auch deshalb die Daumen drücken. Der Titelgewinn würde es dem unkonventionellen Hector sicher einfacher machen, so unkonventionell zu bleiben, wie er es bisher war. Und ein Weltmeister in Liga zwei – das hätte doch was.
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Noch ist die Messe für den 1. FC Köln noch nicht gelesen. Sollte aber ausgerechnet dieser so ungewöhnliche Hector, der bereits Gesprächsangebote vom FC Barcelona kurzerhand abgelehnt hat, den Verein schließlich doch im Sommer wie vermutlich einige andere Kölner Profis verlassen, wird ihm in der Domstadt aber ganz sicher auch keiner richtig böse sein. So ist der Fußball eben. Daran haben wir uns gewöhnt.