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Meinung

Gastbeitrag: Endlich klar bei uns bleiben

Winterpause. 16 Spiele, 10 Tore, 10 Punkte, Transfersperre vom CAS – so lautet die verherrende Zwischenbilanz für den 1. FC Köln am Ende des Jahres 2023. Unser Gastautor schreibt sich den Frust von der Seele.

Photo by Lars Baron/Getty Images

Ein Gastbeitrag von Javier Martinez (28 Jahre alt, passionierter FC-Fan, seit 10 Jahren regelmäßiger (Fast-)Allesfahrer)

Nach dem letzten Spiel des Jahres beim FC Union Berlin überwintert der glorreiche 1. FC Köln mit 10 Punkten auf dem 17. Platz und hat offenkundig wenig Ahnung, was er tun soll. Rückblickend begann die Tragödie im letzten Sommer: Nach einem sehr emotionalem letzten Spieltag gegen Bayern München verließ Timo Horn seinen Heimatverein und Jonas Hector (Fußballgott) beendete seine aktive Karriere. Ondrej Duda wurde für 2,7 Millionen Euro nach Hellas Verona verkauft, Kingsley Schindler wechselte ablösefrei zu Samsunspor und Ellyes Skhiri wechselte, warum auch immer, zur Eintracht am Main. Ersetzt wurden die Spieler durch Philipp Pentke, Luca Waldschmidt, Faride Alidou, Rasmus Carstensen, Jacob Christensen, Leat Paqarada und Dominique Heintz. Was auf dem Papier eigentlich ganz ordentlich aussah, entpuppte sich allerdings zu einer Hinrunde, welche FC-typischer nicht sein konnte: Man verlor die ersten beiden Spiele gegen hochklassige Gegner, schaffte ein Unentschieden gegen den neuen Verein des Ex, nur um dann vier Spiele in Folge zu verlieren, alles wieder mit einem Derbysieg gut zu machen und danach jedoch mickrige sechs Punkte aus den letzten acht Partien des Jahres zu holen. Das vorläufige Endergebnis: 10 Punkte nach 16 Spielen und ein entlassener Trainer.

Die Fans stehen während der gesamten Hinrunde fest hinter der eigenen Mannschaft und feuern diese bedingungslos an. Und das, obwohl es genug Gründe gäbe, sauer zu sein: Denn Neuzugänge bekamen keine Spielzeit, der Ex-Trainer verlor sich Woche für Woche mehr in Floskeln und wenn jemand Kritik übte, wurde klar gemacht, dass dieser sich doch bitte raushalten soll. Denn wir gehen unseren WEG.

Nicht länger Übungsleiter beim FC

Nicht länger Trainer beim FC: Steffen Baumgart. Photo by Maja Hitij/Getty Images

Wie sieht dieser Weg aus?

In den ersten 16 Spielten spielten von unseren Neuzugängen lediglich zwei eine wichtige Rolle: Rasmus Carstensen zeigte, warum es für Benno Schmitz damals bei Leipzig nicht reichte und Dominique Heintz bewies, warum er im hohen Alter einfach erfahrener ist als manch ebenfalls neu dazugekommener Zweitliga-Linksverteidiger. Auf der anderen Seite freute sich Florian Kainz darüber, dass er mit 31 endlich neben Eric Martel eine neue Rolle auf der Sechs lernen darf, statt das mit Christensen einer der Neuzugänge irgendeine Rolle spielt.

Die gute Jugendarbeit durfte immerhin das Ziel verfolgen in die dritte Liga aufzusteigen, statt Erfahrung bei der ersten Mannschaft zu sammeln. Aber wenn wir mal ehrlich sind war Baumgart auch nie jemand, der unsere Jungs wirklich gefördert hat. Während seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit hat er keinen eigenen Jugendspieler zum Stammspieler entwickeln können (Jan-Uwe Thielmann war zu Beginn der Baumgart-Zeit bereits ein gestandener Spieler).

Nun ist das Kapitel Baumgart seit dem 21.12.2023 Geschichte. Wenn ein neuer Übungsleiter gefunden ist, werden wir hoffentlich wissen, inwiefern genau wir die Jugend jetzt fördern wollen –  wozu wir nun allerdings so oder so gezwungen sind: Denn nach dem CAS-Urteil müssen eigene Jugendspieler zu Bundesligaspielern entwickelt werden. Dies sagte auch Christian Keller auf einer denkwürdigen Pressekonferenz am vergangenen Freitag. Aber wie gesagt, der CAS hat uns diese Entscheidung auch schlichtweg abgenommen.

Der ehemalige Finanzchef Alexander Wehrle und der ehemalige Sportdirektor Jörg Jakobs haben etwas geschafft, was ich nie für möglich gehalten hätte: Noch mehr Mist zu bauen als Wolfgang Overath. Einen Spieler zu holen, der bei einem anderen Verein unter Vertrag steht, ist bekanntlich nichts Neues. Jedoch ist hier die Brisanz, dass man so überzeugt von dem Spieler war, dass man ihn wohl darauf aufmerksam gemacht hat, dass sein Vertrag bei Olimpija Ljubljana nicht rechtens sei, aber der 1. FC Köln gerne einspringt und Verträge vollumfänglich erfüllt.

Das lässt sich ein 15-Jähriger nicht zweimal sagen und kündigte promt bei seinem Verein. Um genau einen Tag später beim 1. FC Köln zu unterschreiben. Aber hey, der 1. FC Köln hat selbstverständlich nichts mit der Kündigung zu tun, denn A) hat man nur beraten und B) stand der besagte Mitarbeiter, der komplett unbekannte Jörg Jakobs, nicht beim 1. FC Köln unter Vertrag. Alex Wehrle wollte natürlich nicht dazwischen gehen und bestätigte den Abschluss des Deals final. Keller hat wohl alles versucht, um das Urteil abzuwenden. Kritiker würden sagen “zu spät und mit ein paar Taschenspielertricks”. Nun, jetzt können wir uns ja auf die Jugend fokussieren.

Der Vorstand existiert?

Was sagt eigentlich unser Vorstand zu dem ganzen? Dieser nimmt die Situation selbstverständlich wahr und ist im steten Austausch. Woher wissen wir das? Eigentlich können wir das nur erahnen, denn bis auf den Newsletter und vielleicht einen Stammtisch, der nicht einmal für Vereinsmitglieder aufgezeichnet wird, bekommen wir dann doch erstaunlich wenig mit.

Obwohl: es gab noch die tolle Mitgliederversammlung, die sich bei mir mit der „Hooooodieee“ Versammlung den ersten Platz der erinnerungswürdigsten Mitgliederversammlungen teilt. Man hat es erfolgreich geschafft, keine Rechenschaftsberichte zu liefern und lieber auf vorgefertigte Fragen zu antworten. Auf die wichtigen Fragen, beispielsweise was wir vorhaben, sollte der CAS doch gegen uns entscheiden (oder wie es mit dem “Spieler des Monats”-Award für Sebastian Andersson aussieht?), haben wir bis keine Antwort erhalten. Bis der CAS die Antwort lieferte und die Jungs am Geißbockheim mit heruntergelassener Hose vor der interessierten Öffentlichkeit standen. Schon seit dem Abend der Mitgliederversammlung sollte allerdings klar sein: die Effzeh-Fans wünschen sich, dass der Vorstand klarer und öfter Position bezieht, mehr Fannähe zeigt, ihr altes Format für die MV zurückbringt und keine Partnerschaften mit Glücksspielanbietern eingeht. Ob der Vorstand dies aus der MV genommen hat, Zweifel sind erlaubt.

Zu unpräsent: Präsident Werner Wolf (Screenshot: youtube.com/fckoeln)

Das Fass zum Überlaufen bringt leider auch eine andere Geschichte: Diese Saison gab es bereits zwei überzogene Polizeieinsätze, bei denen Fans ihre Augen auf einer Stadiontoilette mit Kaffeesahne ausspülen durften. In Frankfurt und Bochum nutzten Polizei und Ordnungshüter Gelegenheiten, um mit Macht zu zeigen, wer das Sagen hat. Fans wurden fadenscheinig eingekesselt, mit Pfefferspray darauf hingewiesen, dass man doch bitte mehr Deo benutzen soll und mit einem Gummiknüppel klargemacht, dass dieser auch wehtun kann. Aber hey, wenigstens stellt sich der Vorstand mit aller Macht hinter seine Fans. Also naja, so ein bisschen wenigstens. Zu mehr als zu einem Aufruf von Stellungnahmen seitens der Fans hat es dann doch nicht gereicht, bis heute fehlt zu den Geschehnissen irgendeine gehaltvolle Stellungnahme des Vorstandes. Vielmehr ist seit der Mitgliederversammlung offensichtlich, dass man beispielsweise über die Geschehnisse in Frankfurt nicht einmal ordentlich Bescheid wusste.

Wir sollten klar bei uns bleiben

Vielleicht sollten wir die derzeitige Situation aber auch nutzen. Fehler wurden gemacht und die Situation könnte beschissener nicht sein. Eins ist jedoch klar: Es ist egal, ob ein Journalist eines Premiumsponsor seinen Senf dazu gibt oder ob Lothar mal wieder Experte spielt. Die einzigen, die diese Situation verändern können, sind wir! An die Verantwortlichen: Lasst uns die Jugend endlich (gezwungenermaßen) aktiv fördern, anstatt immer nur Floskeln darüber zu verlieren, sie seien noch nicht bereit für „Männerfußball“, handelt endlich der Situation entsprechend und kümmert euch um die Fans, die Mannschaft und die FC-Familie und abschließend, lieber Vorstand, hört auf, euch hinter Keller und Co. zu verstecken und zeigt endlich, warum wir euch gewählt haben!

Effzeh.com meint:

Die letzten Tage haben Javiers Meinung untermauert. Ein Sportchef, der keine Verantwortung für offensichtliche Mängel in der Kaderplanung übernehmen will, obwohl er diese Lücken im Kader selber benannt hat (“drei neue Spieler”), ist schwer vermittelbar. Zumal man bereits letzte Saison den gleichen Fehler bei der Qualitatseinschätzung des Sturms gemacht hat und nur Dank einer Nachjustierung im Winter mit Davie Selke in vorderster Front torgefährlich wurde. Einmal einen Fehler zu machen, ist menschlich – ihn im folgenden Jahr zu wiederholen, ist schlechtes Handwerk. Der Unterschied ist, dass man dieses Mal nicht nachjustieren kann, CAS sei Dank. Auch hier agierte Keller im maximalen Vertrauen auf juristische Gutachten, die ihm vorliegen, aber ohne für den Worst Case vorzubeugen. Das Ergebnis sind 10 Punkte nach 16 Spielen mit für jeden Menschen sichtbaren spielerischen Mängeln. Keller hat nun genau eine Mission: irgendwie die Klasse zu halten und sich bis zum Winter 2024 durchzuhangeln, wenn wieder Spieler verpflichtet werden dürfen. Das Gute daran ist: sein Wunsch der Kernsanierung wird so zwangsläufig wahr werden. Der FC kann sich nun gesund sparen und mit schwarzer Null in die Transferperiode Winter 2024/25 gehen – wenn denn die Klasse gehalten wird. Dazu muss der Posten des Trainers passgenau besetzt werden, was in Kellers Aufgabengebiet fällt. Dieser Schuss muss sitzen – denn Keller bekommt noch diese Patrone.

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