Es ist wieder soweit: Der 1. FC Köln ist im Überlebensmodus angekommen. Nach der verdienten 0:2-Niederlage bei Union Berlin kehrt der FC dorthin zurück, wo er bereits in der Abstiegssaison 2017/2018 überwiegend lag – auf Rang 18 der Bundesliga. Magere acht Punkte aus 14 Spielen lassen Schlimmstes für die Zukunft erahnen, auch weil die Nebengeräusche in der Domstadt wie immer etwas lauter sind als anderswo.
In Zeiten wie diesen steht beim 1. FC Köln alles auf dem Prüfstand: Die Arbeit des Präsidiums, die Eignung der Geschäftsführung und natürlich nicht zuletzt die Fähigkeiten der Fußballer und des Trainerteams. Die Erfahrungen der letzten Jahre lassen bei vielen Beobachtern derzeit die Alarmglocken schrillen – die Tatsache, dass die “Geißböcke” bereits vor zwei Jahren ähnlich chancenlos in der Bundesliga unterwegs waren, ist bei vielen noch präsent.
Die Lehren aus dem katastrophalen Start
Dieser Text soll sich jedoch nicht mit dem beschäftigen, was bereits nicht mehr zu ändern ist – der FC hat einen katastrophalen Start in diese Saison hingelegt, dem er jetzt nur noch mit einer Siegesserie beikommen kann, um überhaupt die Klasse zu halten. Alle Prozesse und Strukturen, die auf der nicht-sportlichen Ebene überprüft gehören, sind ebenfalls nicht Bestandteil der kommenden Ausführungen – der Kader ist so, wie er ist. Vielmehr soll es darum gehen, wie Trainerteam und Mannschaft in Zukunft so zusammenarbeiten können, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt.
Allenthalben wird aktuell die mangelnde Kohäsion des Kaders kritisiert, die sich augenscheinlich in Grüppchen-Bildung äußert und verhindert, dass die Mannschaft in dieser schwierigen Phase ein „Wir”-Gefühl entwickelt. Der Eindruck fehlt, dass alle Spieler im Kader aktuell alles dafür unternehmen, die großen Widerstände zu beseitigen und Verantwortung für das gemeinsame Ziel des Klassenerhalts zu übernehmen.
Momentan präsentiert sich der Kader des 1. FC Köln als „Haufen”, in dem ein Großteil der Spieler ein mangelndes Interesse am Ziel Klassenerhalt offenbart. Die Verantwortung, die Negativprozesse der vergangenen Wochen zu stoppen, wird weitergeschoben. Damit der FC aber erfolgreich sein kann, muss er sich zum „Team” entwickeln – hier sind alle bereit, gemeinsam Verantwortung zu tragen und auch bei großen Widerständen daran zu arbeiten, das Ziel zu erreichen.
Ständig neue Störfeuer beim 1. FC Köln
Damit wäre schon einmal die Grundlage dafür geschaffen, häufiger die eigene Leistung abzurufen. Leistung im sportlichen Sinne setzt sich im Normalfall daraus zusammen, dass mögliche Störfaktoren vom eigentlichen Potenzial abgezogen werden – das Problem beim 1. FC Köln: jede Woche gibt es ein anderes Störfeuer, sei es ein personeller Wechsel, ein unglückliches Interview oder personelle Veränderungen.
Die Kausalität zwischen der Entwicklung im Training und der Entfaltung des Potenzials im Wettkampf ist die Mannschaft bislang noch zu oft schuldig geblieben. Denn wenn ein „Team” gemeinsam „Leistung” abruft, kann ein Prozess gestartet werden. Hier kommen dann zwei Komponenten zusammen: Das Können oder Potenzial der Mannschaft mit dem Coaching des Trainers. Erst dann ergibt sich ein wettkampfstabiles und lösungsorientiertes Handeln, mit dem der 1. FC Köln auch in der Bundesliga bestehen kann.
Nach nur wenigen Wochen ist es allerdings dafür momentan wohl noch zu früh. Markus Gisdol hat erst seit kurzem die Verantwortung, unter seiner Leitung holte der FC in drei Spielen einen Punkt – die Spiele gegen Augsburg und Union Berlin, gemeinhin als Duelle auf Augenhöhe bezeichnet, gingen beide mehr oder weniger daneben. Dem Coach ist es anscheinend auch noch nicht gelungen, in der Kürze der Zeit belastbare Beziehungen zu den Spielern im Kader aufzubauen, weil er sich zu Beginn erst einmal auf die arrivierten Kräfte verließ.
Die besten Spieler bilden nicht automatisch das beste Team
Davon legen die Startelf-Nominierungen für Spieler wie Marco Höger oder Anthony Modeste Zeugnis ab – beide sind bereits mit Gisdol bekannt gewesen. Das Ziel für Gisdol müsste dabei lauten, die Bestleistung eines jeden Spielers zu ermöglichen und gleichzeitig ein Wir-Gefühl zu schaffen. Die verschiedenen Persönlichkeiten so zu managen, dass sie ein Ziel verfolgen und ihr Verhalten darauf fokussiert ausrichten – die Königsdisziplin für jeden Trainer.
Denn die besten Spieler bilden im Fußball nicht automatisch das beste Team. Deswegen liegt eine der Hauptaufgaben für Gisdol aktuell auch darin, eine Beziehung zu seinen Spielern aufzubauen – auf emotionaler (gegenseitiges Vertrauen und Respekt) und motivationaler Ebene (gemeinsame Zielorientierung) sowie auf der Verhaltensebene (klare Rollenerwartungen und produktive Zusammenarbeit).
Davon ist bislang aber noch nicht viel zu erkennen: Der 1. FC Köln lief bislang in unterschiedlichen Startformationen auf, ließ keine durchgängige Spielidee erkennen und offenbarte zum Teil erhebliche Schwächen in Defensive und Offensive. Deutlich wurde bei Gisdol und Geschäftsführer Horst Heldt auch, dass sie in den bisherigen drei Spielen häufig beim Vierten Offiziellen reklamierten: Damit kämpften sie zwar für Gerechtigkeit, missachteten aber die Probleme der Mannschaft im Spiel. Sie verließen die Handlungsebene und rieben sich in Nebenaspekten auf.
Es braucht eine Grundordnung mit klaren Strukturen!
Die vorherigen Absätze beziehen sich darauf, dass der 1. FC Köln im täglichen Arbeiten erstmal wieder die Grundlagen dafür entwickelt, erfolgreich zu sein – Aspekte wie Teamwork, Zielorientierung und Beziehungsaufbau spielen dabei wichtige Rollen. Einen entscheidenen Aspekt haben wir dabei aber außer Acht gelassen: Wie soll der FC Fußball spielen? Welche Taktik, welches Personal, welche Herangehensweise?
Beim #effzeh ging es heute nicht auf den Trainingsplatz, sondern zum Laufen in den Wald. 🏃♂️ pic.twitter.com/efczVWqhSy
— 1. FC Köln (@fckoeln) December 10, 2019
Für die kommenden Wochen und Monate gilt beim 1. FC Köln, dass er in den Bundesliga-Spielen allen Gegnern erst einmal unterlegen sein wird. Daraus ergeben sich Konsequenzen für Ballbesitz und Gegenpressing – der FC wird wenig Ballbesitz haben und höchstwahrscheinlich nicht intensiv in der Offensive pressen können, ohne in der Defensive anfällig zu werden. Um überhaupt Stabilität zu schaffen, braucht es eine Grundordnung mit klaren Abläufen und Strukturen. Durchschnittlich kassiert der Bundesliga-Aufsteiger bis dato mehr als zwei Gegentore pro Spiel – definitiv zu viel für einen sicheren Mittelfeldplatz. Um die Gegentorflut einzudämmen, wäre daher eine defensivere Ausrichtung sinnvoll.
Ein Trio im Zentrum als entscheidende Figuren
Eine Problemposition lag in der Vergangenheit auf der rechten Verteidigerposition, wo Kingsley Ehizibues Dribbelstärke nach vorne allerdings von vielen Fehlern in der Defensive überlagert wird. Der schnelle Rechtsfuß erscheint eher als Wing-Back prädestiniert, wenn er hinter sich noch einen Verteidiger weiß, der ihn absichert. Dafür scheint sich momentan Sebastiaan Bornauw als geeigneter Kandidat entwickelt zu haben, weil er seit einiger Zeit in einer formschwachen Defensive zumindest einigermaßen abliefert. Als halblinker Innenverteidiger ist Rafael Czichos ohnehin gesetzt.
Auf der Position des Wing-Backs auf der linken Seite stehen mit Noah Katterbach und Ismail Jacobs zwei junge Alternativen zur Verfügung, die die Position beide bekleiden können – Jonas Hector wird ohnehin eher im Mittelfeldzentrum gebraucht. Dort ergeben sich dann verschiedene Konstellationen, in denen Hector, Ellyes Skhiri und Birger Verstraete wichtige Rollen zukommen. Die Drei sind entscheidende Figuren, weil sie im Maschinenraum des 1. FC Köln trotz aller bisherigen Formschwächen die größte Qualität mitbringen, um der Mannschaft weiterzuhelfen.
Für den Übergang in den Angriff sind Spieler wie Louis Schaub und Dominick Drexler die ersten Ansprechpartner. Je nach Herangehensweise könnten sich auf diese Weise verschiedene personelle Konstellationen ergeben: Verstraete beispielsweise als passstarker Sechser, der den Spielaufbau verantwortet und Angriffe einleitet. Hector und Skhiri könnten auf den Halbpositionen die Laufarbeit erledigen und die Offensive unterstützen. Hier könnte dann ein Duo aus Schaub bzw. Drexler und einem der drei Stürmer agieren.
Die Doppelspitze funktioniert nicht
Die bisherigen Spiele haben gezeigt, dass es in keiner Form funktioniert, wenn der FC mit zwei Stürmern aufläuft. Unterstützt von einem Kreativspieler wie Drexler oder Schaub könnten Cordoba, Modeste und Terodde ihre Stärken vielleicht besser ausspielen. Akteure wie Florian Kainz oder Kingsley Schindler könnten dann zum Einsatz kommen, wenn der FC vermehrt Dribbelstärke und Flankenfokus in sein Spiel bringen möchte. Um allerdings das angestrebte Ziel der Stabilität zu erreichen, wäre das vorgeschlagene 5-3-2 wahrscheinlich sowieso das Mittel der Wahl.
Die Qualität im Kader ist für eine solche Herangehensweise definitiv ausreichend. Bis dato gehört der FC nämlich deutlich zu den Underperformern in der Liga. Die xG- und xGA-Werte ergeben, dass der 1. FC Köln zu wenige Tore erzielt (es hätten nach dem Modell drei mehr sein können) und zu viele kassiert hat (das Modell sagt, es hätten fünf weniger sein können). Daraus ergibt sich auch, dass der Punktestand der Kölner anders aussehen würde: 12 Punkte stünden nach dem Modell zu Buche.
Das soll nichts entschuldigen, auch nichts beschönigen, aber die Realität einigermaßen darstellen. In Phasen wie diesen ist es einfach, auf die Probleme zu zeigen und zu kritisieren. Damit ist aber weder der Mannschaft noch dem Verein geholfen. Aktuell muss der FC alles darauf verwenden, irgendwie Stabilität zu schaffen und Punkte einzufahren. Auf welche Weise das gelingen kann, haben wir in diesem Text thematisiert.