Häufig kann man auch den Eindruck gewinnen, dass in einem Fußballverein der Trainer für alles verantwortlich ist – dies resultiert dann manchmal in überstürzten Entlassungen in nicht funktionierenden Organisationen. Das Wohl und Wehe eines Klubs wird häufig auf die Entscheidungen eines Trainers reduziert, was allerdings nicht zielführend ist. Aus der Wirtschaft weiß man, dass die Strukturen einer Organisation im Wesentlichen auch die Handlungen der Akteure bestimmen – deswegen ist es positiv zu beurteilen, dass Eckhard Sauren in der Vorstellung des neuen Vorstands-Teams darauf verwies, dass in Zukunft personenunabhängige Strukturen beim 1. FC Köln geschaffen werden sollen, gerade im sportlichen Bereich.
Trainingsprozesse in den Blick nehmen und analysieren
Bekanntlich ist der Trainer jedoch das schwächste und damit am leichtesten austauschbare Glied, obwohl sich in einem solchen Prozess auch andere Entscheidungsträger überprüfen sollten. Im Normalfall stellt ein Verein ein System zur Verfügung, in dem ein Trainer zwar die Verantwortung für die Mannschaft übernimmt, sich im Notfall aber auf den Schutz der Organisation um ihn herum verlassen kann.
Von daher ist es beim 1. FC Köln schon ein Vorteil, dass mit Armin Veh ein ehemaliger Trainer den Posten des Geschäftsführers innehat. Er selbst war jahrelang Trainer und kann damit verstehen und nachvollziehen, was Achim Beierlorzer in der kommenden Saison alles so erleben wird. Von Toni Schumacher ist rund um die Diskussionen um Markus Anfang kein wesentlicher inhaltlicher Impuls bekannt, der sich mit der Zukunft des ehemaligen Trainers beschäftigte. Zu Achim Beierlorzer war ebenfalls nichts zu hören.
Grundsätzlich ist es aber auch von Vorteil, wenn (eben mit Jörg Jakobs im „Kompetenzteam Sport“) neben dem Trainer und Geschäftsführer aber auch weitere Personen analysieren und vor allem kontrollieren, was im sportlichen Bereich passiert. Dazu gehört, dass das Training als wesentliche Einflussgröße auf die Leistungsfähigkeit in den Vordergrund gerückt werden muss. Kenntnis über die verschiedenen Leistungsfaktoren des Fußballs (Taktik, Technik, Athletik, Psyche) und Trainingsprinzipien (Superkompensation, Ausgewogenheit etc.), Belastungsfaktoren (Intensität, Dauer, Umfang, Dichte, Häufigkeit) und Steuerungsgrößen (Gegner-, Raum- oder Zeitdruck) ist hierbei hilfreich. Dieses Wissen erwirbt ein Spieler nicht automatisch durch jahrelanges Training auf höchstem Niveau, sondern in langen Sitzungen auf der Schulbank.
Eine klare Kommunikation als Grundlage
Fußballkompetenz bezeichnet darüber hinaus auch die Fähigkeit, fußballspezifische Inhalte in eine Sprache zu verfassen, die verständlich, klar und zielorientiert ist. Mit einer einheitlichen Terminologie lässt sich einfacher über den Sport diskutieren und Kritik kann klarer und angemessener geäußert werden. In diesem Zusammenhang ist das Spielverständnis grundlegend: eine Bewegung eines Spielers auf dem Fußballfeld wird erst dann relevant, wenn sie in einem Kontext erfolgt.
Frei nach Raymond Verheijen (einem niederländischen Trainer-Guru) ist ein Sprint ohne Ball keine fußballspezifische Aktion, wenn kein Kontext besteht. Hat eine Aktion diese Relevanz für das Spiel, kann sie mit Worten und Begrifflichkeiten beschrieben werden, die im Kontext Fußball verwendet werden können und allen Beteiligten weiterhelfen. Das viel zitierte “Konzentriert euch!” ist nicht hilfreich, der Aufruf “ballorientiert” zu verteidigen gibt allerdings einen klaren Handlungsrahmen vor. “Mehr kämpfen!” hat keinen Kontext, “Verschieben!” hingegen schon.
Eine gemeinsame Kommunikation in Fußballthemen auf und neben dem Feld ist der Schlüssel zum Erfolg – auch für den 1. FC Köln. Dementsprechend gilt es für die Verantwortlichen bei der Analyse von Fußballspielen oder Trainingseinheiten darauf zu achten, dass die Kommunikation, die Entscheidungsfindung und die letztendliche technische Ausführung taktischen Gesichtspunkten folgen – Achim Beierlorzer wird seine Mannschaft darauf trimmen, dass sie in bestimmten Situationen immer gleich und vor allem im Kollektiv agiert.
Die Erfahrungen und das Wissen ehemaliger Fußballer sind wichtig
Wenn beispielsweise Jorge Meré in einem Spiel der nächsten Saison im Ballbesitz ist, das Spiel aufbauen will und von zwei Gegenspielern angelaufen will, kommuniziert der Gegner durch eben jenes Anlaufverhalten und provoziert eine Reaktion. Meré entscheidet sich dann je nach Spielvision und Herangehensweise seines Trainers (und auch durch Instinkt) für eine Aktion, bevor er die Aktion durch seine Technik ausführt. Die zugrundeliegenden Muster zu verstehen und sprachlich in eine Aussage zu verpacken, die über Allgemeinplätze hinausgeht, ist daher eine Herausforderung – die aber langfristig der Sache dient.
Das Training am Geißbockheim wird sich in der kommenden Saison sich demzufolge daran ausrichten, wie die Mannschaft in den vier verschiedenen Spielphasen reagieren soll – in eigenem Ballbesitz oder in gegnerischem Ballbesitz sowie im offensiven und defensiven Umschaltmoment. Diese Aktionen müssen unter der Berücksichtigung der Fußballfitness verbessert werden. Ein wesentlicher Bestandteil der Fußballkompetenz ist es, diese Prozesse der Öffentlichkeit verständlich zu machen und sich nach Möglichkeit nicht auf Diskussionen über fehlende Körpersprache einzulassen. Hierbei wird Jörg Jakobs aktiv werden, der dem Vorstand Entwicklungen im sportlichen Bereich erklären soll.
Damit sollen Autodidakten und ehemalige Fußballer natürlich nicht verteufelt werden: Es ist gut, dass ehemalige Weltmeister und Nationalspieler nach dem Ende ihrer Karriere dem Fußball erhalten bleiben und „Fußballkompetenz“ zurückgeben können. Miroslav Klose leistet mit der U17 des FC Bayern München hervorragende Arbeit. Sebastian Kehl verantwortet bei Borussia Dortmund den sportlichen Bereich, Per Mertesacker den Nachwuchs bei Arsenal.
Der 1. FC Köln formiert sich im Sommer neu
Auch Philipp Lahm und Oliver Kahn dürften in Zukunft in Entscheidungspositionen im deutschen Fußball auftauchen. Das Spielen auf hohem Niveau sorgt naturgemäß auch für ein Verständnis des Spiels, das Normalsterbliche nie erreichen können – die Erfahrungen und Expertisen der oben genannten Spieler lassen sich nicht erlernen. Vielleicht unterstützt bald Lukas Podolski als Weltmeister und mehr als hundertfacher Nationalspieler den 1. FC Köln als Mitglied des “Kompetenzteam Sport”.
Der effzeh wird sich in den kommenden Monaten neu formieren: Jörg Jakobs wird den Vorstand in sportlichen Dingen beraten und hoffentlich die notwendige Fußballkompetenz mit einbringen. Achim Beierlorzer wird versuchen, seine Spielvision mit der Mannschaft umzusetzen. Beides garantiert keine Erfolge, ein zusätzliches kontrollierendes und analysierendes Element ist im sportlichen Bereich aber gewiss nicht schädlich – und Fußballkompetenz sowieso nicht. Und dafür muss man auch kein Pferd gewesen sein.