Am heutigen Donnerstag gab der 1. FC Köln per Pressemitteilung die Trennung von Frauen-Trainer Sascha Glass bekannt. Interimsweise übernimmt die eigentliche Bereichsleiterin für den Frauen- und Mädchenfußball Nicole Bender-Rummler. Dies tat sie bereits einmal im Tandem mit Lena Lotzen im Mai 2022, als Glass gesperrt fehlte und seine eigentliche Co-Trainerin Mirella Junker kurzfristig erkrankte. Damals gab es ein 0:0 gegen Freiburg zum Saisonausklang.
Trennung unumgänglich
Die Trennung von Trainer Glass kommt dabei für Beobachter der Entwicklung nicht überraschend, denn die Mängelliste der letzten Monate ist lang. Zwar nahm der FC unter Glass in den vergangenen drei Jahren eine stete Entwicklung hin zu einem etablierten Bundesligisten und auch der Klassenerhalt im letzten Jahr muss als großer Erfolg der gesamten Mannschaft sowie des gesamten Trainerteams gelobt werden, jedoch befinden sich die FC-Frauen bereits seit Ende Oktober in einem absoluten Negativlauf, der nach dem Sieg über Werder Bremen nur noch drei Punkte in den darauffolgenden zehn Spielen einbrachte – bei einem Torverhältnis von sage und schreibe 1:22. In den vergangenen neun Partien blieb man gar gänzlich ohne eigenen Torerfolg, selbst im Spiel gegen das abgeschlagene Schlusslicht Potsdam wollte einfach kein Tor gelingen. Das 0:0 war erst der zweite Punkt der Saison für die Potsdamerinnen.
Jedoch geht die Krise über die nackten Zahlen hinaus. Auf dem Platz sah man zu selten eine spielerische Idee, wie man die Torkrise überwinden wollte. Es waren kaum offensive Abläufe zu erkennen, die wenigen Torchancen, die man hatte, entstanden eher durch individuelle Aktionen einzelner Spielerinnen. Zudem kam es zu oft zu Systemabstürzen in der Abwehr. Zwar kann man in der Frauen-Bundesliga immer einmal hoch gegen den VfL Wolfsburg oder den FC Bayern München verlieren – dass man allerdings auch gegen die SGS Essen und die TSG Hoffenheim jeweils mit 0:4 verlor, wiegt da ungleich schwerer. Zudem fehlte auch eine generelle Spielidee – das, was man gemeinhin als die Handschrift eines Trainers bezeichnet. Zwar kam man mit Baumgart-eskem Pressing aus der langen Winterpause, aber nach nur einem Spiel (eben dem erwähnten 0:4 gegen Essen) sah man dieses Stilmittel dann wieder nicht mehr.
Zu Gunsten des Entlassenen spricht, dass im Sommer ein enormer Umbruch vollzogen wurde: unter Anderem verließen 12 Spielerinnen den FC und mussten ersetzt werden. Allerdings hatte man nicht das Gefühl, dass die fast dreimonatige Spielbetriebsunterbrechung im Winter so genutzt wurde, um aus der neu zusammengesetzten Truppe eine Einheit zu formen und man danach erfolgsstabilere Leistungen auf den Rasen gebracht hätte. Tatsächlich wurde es seit Wiederbeginn der Bundesliga immer schlimmer: 0:4, 0:4, 0:4, 0:0, 0:5 und 0:0 lauteten die Ergebnisse seit Februar 2023 – wenn auch eben teilweise gegen Bayern und Wolfsburg. Vermutlich war dieser Negativlauf und damit auch die psychologische Hypothek zu groß, um weiter an Glass festzuhalten. Anders ist der Satz in der Pressemitteilung nicht zu erklären: “Die Qualität für den Ligaverbleib ist in unserer Mannschaft definitiv vorhanden. […] Jetzt wird es darauf ankommen, dass die Mädels wieder an sich selbst und ihre Stärken glauben, um in den nächsten Spielen wieder ihr Leistungsvermögen auf den Platz zu bringen“, so Bender-Rummler.
“Die Qualität für den Ligaverbleib ist in unserer Mannschaft definitiv vorhanden.” (Nicole Bender-Rummler)
Insgesamt hatte man zuletzt schlichtweg nicht mehr den Eindruck, dass es das Trainerteam um Sascha Glass schafft, das zweifellos vorhandene Potential und Talent aus der Mannschaft herauszukitzeln: ein Sturm mit Mandy Islacker und Sharon Beck muss oder darf nicht neun Spiele ohne Torerfolg bleiben, auch wenn beide Stürmerinnen sichtlich mit sich und ihrer Form zu kämpfen haben. Allerdings hielt Glass auch mit Nibelungentreue an beiden fest, eine Jana Beuschlein etwa schien nie als ernsthafte Alternative für die Startelf in Betracht gezogen worden zu sein. Vielleicht hat man damit auch das Leistungsprinzip zugunsten von an sich lobenswerter Treue zu Achsenspielerinnen etwas zu sehr außer Kraft gesetzt. Für Bender-Rummler bzw. eine neue Person an der Seitenlinie wird es nun also nicht nur darum gehen psychische Blockaden zu lösen, sondern auch, wieder vermehrt auf Form- und Leistungskurven zu reagieren.
Zeitpunkt überrascht
Zeichnete sich die Trennung also längst am Horizont ab, so überrascht der Zeitpunkt doch. Nicht nur, dass man in der vergangenen Woche nach dem 0:5 gegen den FC Bayern München Glass weiterhin das Vertrauen aussprach, auch entzog man es ihm nun ausgerechnet nach dem bis dahin besten Spiel im Jahr 2023 – zumindest in den letzten 30 Minuten.
Natürlich sind gute 30 Minuten gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten zu wenig, zumal sie ja auch nicht in einem Sieg endeten, allerdings steht bereits am morgigen Freitag das unfassbar wichtige Spiel bei Werder Bremen (derzeit ein Punkt vor dem FC und das “rettende Ufer”) an – Bender-Rummler bleibt also quasi keine Zeit, um mit der Mannschaft zu arbeiten, da man auch noch von Potsdam, wo die Mannschaft nach dem Spiel blieb, nach Bremen reisen muss. Außer dem obligatorischen Anschwitzen und Abschlusstraining hat sie überhaupt keinen Einfluss auf Trainingsinhalte vor diesem Spiel. Es darf also durchaus als verwunderlich angesehen werden, dass man diese Entscheidung nicht bereits in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch traf – oder eben nach dem Bayern-Spiel. Man setzt nun also bestenfalls auf die kurzfristigen Motivations- und mentalpsychologischen Fähigkeiten der ehemaligen FC-Spielerin. Immerhin war sie ja jederzeit nah an der Mannschaft dran und kennt die Spielerinnen teilweise seit vielen Jahren, so dass sie vielleicht auch kurzfrisig die richtigen Stellschrauben finden wird. Zu wünschen wäre es allen Beteiligten.