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Meinung

Salih Özcan verlässt den 1. FC Köln Richtung Borussia Dortmund: Ein Transfer, viele Perspektiven

Salih Özcan verlässt den 1. FC Köln Richtung Borussia Dortmund. Nicht alle haben Verständnis für den Abschied des Eigengewächses – wir analysieren den Abschied des türkischen Nationalspielers aus allen Perspektiven.

Foto: Martin Rose/Getty Images

Mit Salih Özcan (24) verlässt einer der letzten „Kölsche Jungs“ den Verein und wechselt bis 2026 zu Borussia Dortmund. Diesen Transfer nüchtern zu bewerten fällt schwer, angesichts der emotionalen Bindung, die sowohl Salih zum Verein hatte als auch viele Fans zum Spieler hatten. Daher gebietet es die Fairness, diesen Transfer aus allen sich bietenden Perspektiven zu betrachten.

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Die Perspektive des BVB

Aus Sicht der Dortmunder ist das natürlich ein absoluter Top-Transfer. Der BVB bekommt für ein im internationalen Vergleich eher geringes Entgelt einen der absoluten Shooting Stars der vergangenen Bundesliga-Saison: Bereits in der abgelaufenen Rückrunde war Özcan ligaweit der Spieler mit den meisten eroberten Bällen. Zudem ist der Mann U21-Europameister, aktueller türkischer Nationalspieler und – mit 24 – immer noch entwicklungsfähig. Dazu kommt, dass kaum ein so junger Sechser diesen kompromisslosen „Kampfschwein“-Typus verkörpert, den man besonders im Ruhrgebiet zu schätzen weiß, wie der gebürtige Ehrenfelder.

 

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Da ferner noch Axel Witsel den Verein verlassen hat und man Emre Can wohl eher nicht als Stamm-Sechser einplant, hat man hier eine Lücke im Verein geschlossen und mit Julian Brandt, Jude Bellingham und eben Salih Özcan ein extrem spannendes, junges Mittelfeld beisammen, in das der nun ehemalige Kölner nicht nur seine vorhandene spielerische Klasse einbringen kann, sondern ihm auch eine neue Körperlichkeit hinzufügt. Aus Sicht des BVB war dieser Transfer also absolut sinnvoll und man darf den Vereinsverantwortlichen um Sebastian Kehl nur gratulieren.

Die Perspektive des 1. FC Köln

Viel zu melden hatte der FC bei diesem Transfer nicht. Vor der Saison drohte der ablösefreie Verlust von Özcan – dem Vernehmen nach war es nur der Intervention des damaligen Neu-Trainers Steffen Baumgarts zu verdanken, dass man sich intensiv um einen Verbleib Özcans bemüht hat. Die vergleichsweise geringe Ablöse (kann sich im Erfolgsfall wohl noch erhöhen), die bereits für Unmut sorgte, war wohl die Bedingung der Özcan-Seite für die Vertragsverlängerung. Und fairerweise muss man sagen: Eine Ablöse in dieser Höhe war für den damaligen Spieler Salih Özcan, der als ewiges Talent galt und kaum Chancen auf einen Startplatz zu haben schien, eher unrealistisch.

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Dass Özcan so durchstarten würde, hätten wohl die größten Optimisten und Optimistinnen nicht vorhersehen können. Zwar bleibt unter dem Strich nun also der Abgang eines Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, der Tafelsilber hätte sein können, für eine Summe unter Marktwert, aber dem FC ist hier kaum ein Vorwurf zu machen. Zumindest nach außen macht es den Eindruck, dass die Verantwortlichen der “Geißböcke” alles getan haben, um das Eigengewächs zu halten und sich finanziell bis ans sein Limit gestreckt hat. Da die neuen Geschäftsführer um Christian Keller sich der wirtschaftlichen Vernunft verschrieben haben und die finanzielle Situation des Vereins auch keine völlig utopischen Angebote zulässt, muss man den türkischen Neu-Nationalspieler schweren Herzens ziehen lassen.

Die Perspektive des Spielers

Auch Salih Özcans Perspektive muss man verstehen. Zwar ist es authentisch, wenn er den FC als seinen Herzensverein bezeichnet, aber Dortmund hat ihm ein insgesamt sehr attraktives Gesamtpaket geschnürt: Nicht nur verdient er bei den Schwarzgelben Medienberichten zufolge mehr als das Doppelte als der FC bieten konnte, auch wird er demnächst Champions League spielen dürfen – gemeinhin das gelobte Land für alle Fußballer Europas. Dazu kommt, wie oben bereits erwähnt, dass er nahezu konkurrenzlos auf der Position des Sechser sein dürfte und damit die Chance auf einen Stammplatz bei den Schwarzgelben vielleicht so groß ist wie nie wieder.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

Eine einmalige Konstellation, die er vermutlich einfach nutzen muss. Dass er zudem noch in Köln wohnen bleiben kann, ist vermutlich die Kirsche auf der Torte. Zwar mutet es etwas seltsam an, das die Özcan-Seite Vorgespräche mit einem Trainer geführt hat, der kurz vor Finalisierung des Transfers gar nicht mehr im Amt ist. Allerdings ist, bei Lichte betrachtet, Edin Terzic vielleicht sogar der bessere Trainer für Salih – sowohl von der Art her, wie er Fußball spielen lässt, als auch von der Ansprache her. Zuletzt entsteht im Westen der Republik gerade eine sehr spannende, aufgefrischte Mannschaft mit jungen Neuzugängen wie Niklas Süle (26), Nico Schlotterbeck (22) und eben Salih.

Dies, in Kombination mit all dem bereits vorhandenen Talent und einem jungen, hungrigen Trainer, könnte eine neue, schwarz-gelbe Ära prägen, in deren Herzstück Salih Özcan spielen könnte. Gleichwohl geht der ehemaligen deutsche Junioren-Nationalspieler auch ein gewisses Risiko ein: Nicht nur ist völlig unklar, wie Dortmund den Verlust der Lebensversicherung Erling Haaland kompensieren wird, auch ist der BVB seit jeher ein wankelmütiger Verein, der alles vorhandene Talent nicht immer in sportliche Erfolge ummünzen konnte.

https://twitter.com/BVB/status/1528767433854660608

Dazu kommt, dass Terzic eben auch keine Erfahrung hat, wie man eine Mannschaft durch eine Saisonvorbereitung führt oder wie man mit so vielen Umbrüchen auf neuralgischen Positionen umgeht. Mitunter mag es einfacher sein, eine strauchelnde Mannschaft im Dezember wieder auf Kurs zu bringen, als sie im Juni von klein auf zu formen. Sollte es zu Beginn der Saison also nicht wie gewünscht laufen, ist auch nicht auszuschließen, dass Dortmund eher verrückte Dinge auf dem Transfermarkt tut und Salih plötzlich etwas „namhaftere“ Spieler vorgesetzt werden.

Konkreteren Gerüchten zufolge würde etwa Manchester City Ilkay Gündogan keine Steine in den Weg legen, wenn dieser sich einen neuen (alten) Verein suchen möchte. Und in Dortmund könnte man schnell zu dem Schluss kommen, dass dem Mittelfeld Erfahrung fehle… Dies alles wird Salih Özcan abgewogen haben – und zu dem durchaus plausiblen Schluss gekommen sein, dass die Chancen hier die Risiken bei Weitem überwiegen.

Die Perspektive der Fans

So, wie man den Spieler verstehen muss, muss man aber auch jene Fans verstehen, die nun enttäuscht von Özcans Entscheidung sind. Der Ehrenfelder hat sich oft als Spieler präsentiert, der eine tiefe Verwurzelung mit Verein und Stadt spürt. Nicht nur in der vereinseigenen Doku-Reihe „24/7“ hat man ihn immer wieder in seinem Kiez gesehen, auch hat er sich noch vor einem Jahr als Teil der FC-Familie betitelt – und seine Familie verlässt man nicht für eine andere.

 

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Dass er seine FC-Familie nun, nach der erfolgreichsten Saison der Vereinsgeschichte seit Einführung der Drei-Punkte-Regel, verlässt, ist umso schwerer verdaulich, als die “Geißböcke” beispielsweise im Abstiegsfall zu verlassen. Salopp gesagt, war es ihm wichtiger, mit einem fremden Verein Champions League spielen zu können, als mit seinem Heimatverein in die Conference League einzuziehen. „Echte Liebe“ sieht anders aus, es wirkt eher wie kaltes Business. Zumal von einem Spieler, der einst den Einzug mit dem FC in Europa 2017 als sein Lebenshighlight bezeichnete.

Dieses Highlight hätte er nun wieder haben können, aber die Versuchung Dortmunds war wohl zu verlockend. Es gibt eben Spieler, die sind Jonas Hectors – und es gibt Spieler, die sind Patrick Helmese. Damit wird Salih nun leben müssen und diese Gefühle der Fans sind auch durchaus legitim. Trotzdem: Salih Özcan ist ein Spieler, der sich hier nie etwas hat zuschulden kommen lassen, immer 100 Prozent gegeben hat und gefightet hat wie kaum ein anderer. Der nächste Schritt in der Karriere sei ihm daher gegönnt. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend und wie die FC-Spieler – darunter auch Salih – ja stets mit Inbrunst nach den Spielen schmettern: „Alle Wege führen nach Rom/Und irgendwann zurück nach Köln“.

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