Jörg Weitz: “Peinliche Außendarstellung”
Die Worte “peinliches Bild” und “an Peinlichkeit nicht zu überbieten” fielen dann im Zusammenhang mit der Außendarstellung der Verantwortlichen in den vergangenen Wochen. Mit einer Prise Sozialromantik (“Es mag sein, dass im ‘Business’ Fußball nur noch die Ergebnisse zählen – vielleicht bin ich ja dann auch fehl am Platze”) zog Jörg Weitz dann weiterhin vom Leder, um schließlich zu konstatieren: “Die aktuelle Situation ist für mich persönlich die schlimmste der vergangenen 30 Jahre!” Auch auf den Marketing-Claim des 1. FC Köln kam Weitz erneut zu sprechen: “‘Spürbar anders’? Mutig einen Slogan zu nutzen (sic!) welchen man von den Werten her nicht annähernd lebt!” Durchaus deutliche Worte, die er da an die Bosse richtete.
Sie trennen sich in der ersten Krise von einem sehr fähigen und beliebten Trainer – ich trenne mich nach jahrzehntelangen Krisen von Ihrem Verein!
Mit einer knackigen Analogie leitete der Fan das Ende seines Textes ein: “Sie trennen sich in der ersten Krise von einem sehr fähigen und beliebten Trainer – ich trenne mich nach jahrzehntelangen Krisen von Ihrem Verein!” Der Verein, der eben noch eine Herzensangelegenheit war, gehört auf einmal “Ihnen”. Auch emotional wolle sich Weitz in jedem Fall vom effzeh trennen, gleichzeitig hoffe er auf Nachahmer. Der Klassiker einer richtigen Wutrede kam danach: Für das anstehende Auswärtsspiel in München stellte er seine Karten zur Verfügung, bevor er seiner Enttäuschung erneut Ausdruck verlieh: “(…) menschlich bin ich aber einfach nur enttäuscht und entsetzt!” Das war dem Text tatsächlich anzumerken.
Offener Brief und Dialog mit Weitz: Kommunikationsstrategie der FC-Führung
Fassen wir mal zusammen: Viele Emotionen, noch mehr Parenthesen, dazu ein paar Ausrufezeichen – fertig war der “wütende” Text. Der Rest der Geschichte ist dann bekannt: Stöger wurde entlassen, Ruthenbeck als sein Nachfolger installiert. Im Anschluss an die Niederlage gegen Freiburg wandten sich Vorstand und Geschäftsführung des 1. FC Köln in einem offenen Brief an die Mitgliedschaft, um auf die Kritik der Fans zu reagieren. effzeh.com schrieb damals: “Dass das Vertrauen in die Clubführung derartig gering ist, hat also nur auf den ersten Blick etwas mit der fußballerischen Krise zu tun. Es ist vielmehr das Verhalten von Spinner, Schumacher und Co., das viele Kölner Anhänger nicht mehr an Erfolg unter dem in der Vergangenheit gefeierten Trio glauben lässt.” Das lag also durchaus auf einer Schiene mit dem, was Jörg Weitz zuvor geschrieben hatte.
Immerhin wurden in diesem offenen Brief Fehler eingeräumt, was schon einmal als Erfolg verbucht werden kann – die richtig kontroversen Themen “China-Kooperation”, “Stadion-Frage” und “mögliche Investoreneinstiege” wurden allerdings nicht erwähnt. Genau daran stört sich ein großer Teil der effzeh-Fans, die mit einer sportlichen Krise aufgrund der Vergangenheit eigentlich bestens umzugehen wissen, allerdings. Doch zurück zum eigentlichen Thema: In dieser Woche veröffentlichte genau dieser Jörg Weitz dann einen weiteren Text bei Facebook. Dieses Mal richtete er sich nicht an die Vereinsführung, sondern an die Fans und Mitglieder des 1. FC Köln.
Zugegeben war dieses Schreiben in einem Zustand der Emotionalität und der Enttäuschung geschrieben, nichts desto trotz waren diese Zeilen sehr authentisch.
Und siehe da: Der Text war weitaus weniger emotional, durchaus etwas komplexer geschrieben und insgesamt mit einem anderen Duktus. Weitz wandte sich dieses Mal “in Rücksprache mit den Verantwortlichen des Vereins” an die effzeh-affine Öffentlichkeit. Zuerst zeichnete er den “Erfolg” seines Posts nach, bevor er auf die unterschiedlichen Reaktionen darauf zu sprechen kam. Er bedankte sich für die Unterstützung und distanzierte sich von den Personen, die ihn persönlich beleidigt und diffamiert hatten. Weiterhin legte er erneut die Gründe dar, aus denen er Anfang Dezember den ursprünglichen Text verfasst hatte.
Auf einmal ein ganz anderer Stil: Weitz’ zweite Wortmeldung
Anlass seiner Kritik sei unter anderem die “peinliche” Außendarstellung gewesen – interessanterweise stand das Wort “peinlich” tatsächlich in Anführungsstrichen, nachdem es im ursprünglichen Text noch einen anderen Wert für den Autor zu haben schien. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff “mediale Berichterstattung”. Interessant ist auch folgende Passage: “Zugegeben war dieses Schreiben in einem Zustand der Emotionalität und der Enttäuschung geschrieben, nichts desto trotz waren diese Zeilen sehr authentisch.” Ob es das Attribut “sehr” zur näheren Beschreibung des Adjektives “authentisch” gebraucht hätte, lassen wir mal dahingestellt.
Das neuerliche Facebook-Posting sei deswegen entstanden, weil sich in den Tagen nach der Veröffentlichung effzeh-Geschäftsführer Alexander Wehrle bei Weitz gemeldet habe. “In einem äußerst offenen, wertschätzenden und sehr ausführlichen Telefonat” konnten gewisse Kritikpunkte noch einmal vertieft werden, so Weitz. Weiterhin sei er von Wehrle zu einer Gesprächsrunde mit dem Vereinsvorstand ins Geißbockheim eingeladen worden. Außerdem habe er zusätzlich die Gelegenheit zum Interview mit dem Geschäftsführer bekommen. Das Gespräch wurde im Nachgang auch auf der Homepage des FC veröffentlicht, dazu kommen wir aber erst später. Zunächst soll untersucht werden, was das Gespräch bei Weitz bewirkt zu haben scheint. Offensichtlich ist, dass er im Anschluss an die Diskussion mit den Verantwortlichen eine 180-Grad-Wende vollzog und diese auch kommunizierte. “Ein Blick hinter die Kulissen eröffnet durchaus neue Ansichten – vor allen Dingen, wenn diese Einblicke in einem persönlichen Gespräch ohne mediale ‘Fremdeinwirkung’ sehr ausführlich erörtert werden”, konstatierte Weitz nun.
Nicht nur eine überraschende inhaltliche Kehrtwende
Was genau er mit medialer Fremdeinwirkung meinte, wurde nicht näher genannt – Weitz nutzt allerdings die Gelegenheit, aus persönlicher Sicht über die Verantwortlichen beim effzeh ein paar warme Worte zu verlieren. Wehrle, Spinner, Ritterbach und Schumacher seien Personen, die “aktuell in der Öffentlichkeit einen verdammt schweren Stand genießen. Personen, über deren Arbeit in den letzten vier Jahren nicht viel gesprochen werden musste, da stets im Hintergrund hinter der sportlichen Leitung gearbeitet werden konnte.” Rückblick: Im ursprünglichen Facebook-Post hatte Weitz noch bemängelt, dass sich gewisse Leute “4,5 Jahre aus der Öffentlichkeit ferngehalten” und sich haben feiern lassen, weil es sportlich so gut lief. Eine recht drastische inhaltliche Kehrtwende.
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