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Meinung

Fan-Interview und Gespräche beim effzeh: Nur PR oder echter Dialog?

Bundesligavereine und Beziehungspflege im 21. Jahrhundert – wie soziale Netzwerke dabei helfen, die Kommunikation mit den eigenen Anhängern zu steuern.

Spinner Schumacher
Toni Schumacher und Werner Spinner | Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Weiterhin lobt der ehemalige Kritiker die Selbstkritik der Verantwortlichen, was ihm neben dem offenen Brief persönlich sehr imponiert habe. Dazu gehöre schließlich eine “große Portion Mut und Stärke”. Kurzum: Einige der folgenden Absätze waren prächtigstes PR-Blabla, das an dieser Stelle nicht wiederholt werden muss. Nicht aussparen kann man dabei allerdings den Marketing-Claim, den Weitz in diesem Zusammenhang plötzlich wieder positiv besetzte – schließlich wünschten sich Fans und Mitglieder die Werte “spürbar anders”. Denn dies seien “Werte, welche so hervorragend zu unserer weltoffenen Stadt passen!” Na, das sind ja ganz neue Töne!

Lob für Selbstkritik und doch keine Kündigung

Weitere Zutaten des Textes sind die obligatorische Medienschelte und ein Hinweis darauf, dass das wichtigste Gut des Vereins seine Fans seien, bevor Weitz dann mit ordentlich Pathos schließt und davon träumt, “Geschichte zu schreiben” – der Klassenerhalt sei ja schließlich noch möglich. Seine Mitgliedschaft hat er – wenig überraschend – doch nicht gekündigt.

Zum durchgeführten Interview sei nur die Eingangspassage repräsentativ erwähnt, die den Wert des Gesprächs schon vorweg nimmt: “Herr Wehrle, vielen Dank für die Möglichkeit, Ihnen kritische Fragen stellen zu können, welche ich selbst habe und die mich nach meinem Offenen Brief der Facebook-Seite des 1. FC Köln von anderen Fans erreicht haben.” Sich bei jemandem zu bedanken, ihm kritische Fragen stellen zu dürfen – da stellen sich einem Journalisten die Nackenhaare auf. Aber gut, Weitz ist (vermutlich) kein Journalist.

Ansonsten wurden natürlich die Kritikpunkte von Weitz aufgegriffen: dazu gehörten die Entlassung von Stöger, die Kommunikation mit den eigenen Mitgliedern, das Durchdringen von Interna an die Öffentlichkeit, der Vergleich mit dem Jahr 2012, die Transferpolitik (Modeste), die Verletzungsproblematik und die zukünftige Ausrichtung des 1. FC Köln.

Wo waren eigentlich die wirklich kontroversen Themen im Dialog?

Keine unwichtigen Themen, keine Frage. Aber journalistischen Mehrwert produziert das Muster-Interview natürlich nicht. Weiterhin ist es erstaunlich, wie sehr sich Stil und Duktus des zweiten Facebook-Posts im Vergleich zum ersten verändert haben. Dass Weitz innerhalb von so kurzer Zeit eine derartig große Wandlung in Bezug auf seine Schreibkompetenzen durchmachen konnte, erscheint merkwürdig. Aber vielleicht gibt er sich nun aufgrund seiner plötzlichen Popularität einfach nur besonders Mühe. Oder er hat Unterstützung bekommen – von wem auch immer.

Das allerdings wiederum steht in einem starken Kontrast zu der Art und Weise, wie die Vereinsführung in den vergangenen Monaten mit der Initiative “100 % FC – Dein Verein” umgegangen war – von einem Dialog, von Respekt konnte da nicht die Rede gewesen sein.

Eine große Überraschung ist es auch nicht, dass die wirklich kontroversen Themen rund um den 1. FC Köln (Stadion, China, Investor) in diesem Gespräch keinen Eingang gefunden haben – schließlich fand das Gespräch ja unter Leitung der Vereinsführung statt. Und die will die Gründe für den Ärger vieler Fans eben nur in der sportlichen Situation begründet wissen.

Verstörend ist hingegen, dass sich Weitz in seinen 15 Minuten als Advokat der Fans des 1. FC Köln präsentiert – und damit ist nicht das ursprüngliche Facebook-Posting gemeint. Ein wirklich bedeutender Schritt wäre es da wohl eher gewesen, wenn Weitz den Dialog mit dem Verein abgelehnt hätte, wenn die oben genannten, kontroversen Themen nicht hätten diskutiert werden können. Oder darauf zu bestehen, dass die Gespräche, die laut eines Facebook-Kommentars des Fans rund sechs Stunden gedauert haben sollen, ohne öffentliche Nachbereitung geführt. So konnte die Medienabteilung des Vereins das Interview und die dazugehörige Facebook-Kampagne jedoch gezielt steuern, mit Weitz in der Rolle des “authentischen Fan” als “vertrauenswürdigem” Verstärker. Wenn man in der Lage ist, den öffentlichen Diskurs über ein bestimmtes Thema zu beeinflussen, wird man das schließlich ganz sicher nicht tun, um sich damit selbst zu schaden.

Weitz als PR-Gesicht der Verantwortlichen?

Im Nachhinein wird man so beim 1. FC Köln sagen können, dass man ja in einem regen Austausch mit den eigenen Fans und Mitgliedern stehe. Dass man die Kritikpunkte der Anhänger ernst nehme und sich zur Not auch langwierigen Diskussionen stelle. Das wäre auch ein toller, einem “feinen Verein” angemessener Zustand. Der gewünschte Eindruck steht allerdings in einem starken Kontrast zu der Art und Weise, wie die Vereinsführung in den vergangenen Monaten mit der Initiative “100 % FC – Dein Verein” umgegangen ist – von Dialog, Respekt oder Gesprächseinladungen ist da nie die Rede gewesen. Vielmehr wurden die Antragssteller eindeutig als “Gegner” aufgefasst und dementsprechend bekämpft – zur Not auch mit Foulspiel. Dabei hatte die Initiative ihr Anliegen im Gegensatz zu Weitz ohne jeden Vorwurf in Richtung Vorstand und mit sachlicher Grundlage vorgetragen. Nun ja: Die Kommunikationsstrategie von damals und die in der Causa “Weitz”, sie wollen nicht nur keineswegs zusammen passen. Sie widersprechen sich sogar eindeutig.

Dass man sich jetzt, einige Monate und Niederlagen später, mithilfe dieses PR-Interviews als fannah und kommunikativ darzustellen versucht, erscheint da eher unglücklich und wenig souverän. Dass Wehrle im Interview den Club auch noch dafür lobte, dass man die Kommentarfunktion bei Facebook nicht einfach ausgeschaltet habe, unterstreicht das nur noch. Denn – und damit wären wir wieder am Anfang des Textes – es ist nicht richtig, die Kommunikationsautonomie im Profisport dafür zu benutzen, einzelnen Mitgliedern ins Gewissen zu reden und sie dann als PR-Gesicht für die eigenen Standpunkte zu benutzen. Seine fünfzehn Minuten Ruhm hat Jörg Weitz aber trotzdem bekommen.

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