Und dann sprach es Max Eberl aus. Der Sportchef von Borussia Mönchengladbach war erzürnt über Teile der Gladbacher Nordkurve, die unappetitlich gegen den von Dietmar Hopp erwirkten Ausschluss von BVB-Fans protestierten: “Wir haben vor dem Spiel ein klares Statement gesetzt. Wir sind gegen Rassismus und Ausgrenzung. Und dann müssen 50 Hornochsen so ein Plakat hochhalten. Dafür schäme ich mich.”
Das saß. Von Hanau zu Hopp ist es nicht weit, so Eberls Botschaft. Wer wie die Ultras gegen Hopp protestiert, bringt im Zweifel auch Menschen um. Wie ein Nazi. Als reiche das nicht aus, befeuerte Eberl auch noch autoritäre Reflexe: “Natürlich hoffen wir, dass wir diese Menschen finden und ausschließen. Und wenn nicht wir sie finden, dann vielleicht andere in der Fankurve. Und dann, bei aller Ehre, die es in der Fanszene gibt, sagen: Der war es! Wir haben in Münster gesehen, dass so etwas möglich ist.” Groß-Gladbach wird also ultrárein. Das müssen wir dann wohl akzeptieren.
“Thoughts and Prayers” gegen Rassismus, Strafen gegen Beleidigungen
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Gladbacher Fans für eine saftige Strafe des DFB samt moralinsaurem Tadel gesorgt haben, sich sonst jedoch nichts ändern wird. Auch wenn der Verein am Donnerstag gar ankündigte, bei den nächsten Beleidigungen gegenüber Hopp den Platz verlassen zu wollen. Gänzlich ungesühnt wird dagegen Eberl bleiben. Genau wie Hoffenheim-Coach Alfred Schreuder, der einen Spielabbruch erwog, Keeper Oliver Baumann, der eine “Morddrohung” erkannte, SZ-Redakteur Klaus Hoeltzenbein, der eine “konsequentere” Ausübung des Hausrechts der Bundesligisten forderte oder BILD-Aktivist Alfred Draxler, der kommentierte: “Es waren also nur Wenige! Wann merken wir endlich, welch gefährliche Argumentation das ist? Der Mörder von Hanau war sogar ganz allein. Aber er stellte zehn unschuldige Menschen ins Fadenkreuz und hat sie einfach tot geballert.”
Um es einmal klar zu sagen: Wer eine Verbindung zwischen den fraglos oft geschmacklosen Attacken auf Dietmar Hopp und den Nazimorden von Hanau zieht, handelt schäbig und verantwortungslos. Denn diese Verbindung gibt es nicht. Sie wurde von Leuten erfunden, denen ihr Anti-Gewalt-Wahn zu Kopf gestiegen ist und die, vermutlich geprägt von der Hufeisentheorie, keine Unterschiede sehen. Damit relativieren sie den Rassismus und die Verbrechen der Rassisten, die auch in ihren Stadien stattfinden und an deren Eindämmung in vielen Fankurven die Ultrás einen großen Anteil haben. Sie sind rückständig. Ihre Reaktionen auf die rassistischen Ausfälle gegenüber Jordan Torunarigha, Davie Selke oder Leroy Kwadwo beschränken sich derweil auf “Thoughts and Prayers”.
Die traurige Botschaft dieser autoritären Trauerspiele, ob bewusst oder unbewusst gesendet, lautet: Viele Vereinsvertreter und Fußball-Journalisten finden rassistische Vorfälle offenbar weniger schlimm als Beleidigungen gegen einen ihrer oberen Zehntausend. Zumal einen, in dessen Stadion tausenden Fans Lärmverletzungen zugefügt wurden, ohne dass dies einen vergleichbaren Aufschrei gegeben hätte. Die Parallelen zur Politik und ihrer Untätigkeit gegenüber Rassismus sind frappierend. Während Borussia Mönchengladbach am Donnerstag die Drohung mit dem Spielabbruch nach Beleidigungen gegenüber Hopp hinaustrompetete, schaffte es der Verein bis dahin nicht, dem Portal Vice die Frage nach möglichen Konsequenzen rassistischer Vorfälle zu beantworten.
Der FC verpasst es erneut, sich stark zu positionieren
In ein ähnliches Bild fügt sich leider auch der 1. FC Köln ein. Nachdem er schon in der Vorwoche verdeutlichte, dass die Anwesenheit des Ex-Werte-Union-Sprechers Ralf Höcker am Geschäftsführungs-Gästetisch der Karnevalssitzung weniger schlimm war als die Kritik an diesem Umstand, verpassten die “Geißböcke” nun erneut die Gelegenheit, es besser zu machen. Auf eine Anfrage von effzeh.com, ob und welche Überlegungen es zum Umgang mit rassistischen Vorfällen im Stadion gebe teilte der Medienchef mit:
“Der 1. FC Köln hat eine klare Haltung gegen Rassismus, die in der FC-Charta niedergeschrieben ist. Die Stadionordnung verbietet, ‘die Äußerung und Verbreitung rassistischer, fremdenfeindlicher oder rechtsradikaler Parolen’. Zudem gibt es für den Fall rassistischer Beleidigungen aus dem Publikum Vorgaben der UEFA, in denen auch geregelt ist, wie der gastgebende Verein sich zu verhalten hat. Jeder einzelne Fall ist anders und muss situativ gelöst werden. Grundsätzlich gilt aber: Der 1. FC Köln steht zu seinen Spielern und unterstützt sie in jeder Situation.” Eine wachsweichere Antwort hätte wohl nicht einmal der DFB hinbekommen.
Nazis? Ja, solange sie still bleiben
Was bleibt also festzuhalten? Abgesehen von Ausnahmen wie in Frankfurt oder auf St. Pauli fehlt es dem Fußball an gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein. Seine Protagonisten haben sich dieser Tage erneut als unqualifiziert erwiesen, ihren Worten und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Während Politiker, die Naziverbrechen relativieren, immerhin noch von einigen Medien Gegenreaktionen erhalten, fehlt dem Fußball dieses Korrektiv. Auch weil die Sportmedien von mächtigen Männern wie Dietmar Hopp abhängiger zu sein scheinen als von Rassisten auf den Tribünen, sind ihnen letztere im Zweifel gleichgültig.
Der Fußball benötigt deshalb dringend eine normative Auffrischung. Mindestens. Wer daran nach dem Irrsinn um Hopp und Hanau noch zweifelt, sollte lesen, was DFB-Präsident Fritz Keller zum Umgang mit möglicher AfD-Werbung durch DFB-Mitarbeiter der Zeit sagte: “Es wäre zunächst unsere Aufgabe, ihn von unseren Werten zu überzeugen, anstatt ihn auszugrenzen. Wir stehen für Vielfalt und Integration aller Menschen aus allen gesellschaftlichen Kreisen. […] durch eine pauschale Ausgrenzung erreichen wir nichts. Wer unsere Werte teilt, ist in unserer Gemeinschaft willkommen. Wer sich aktiv dagegenstellt, muss außen vor bleiben.”
Im Klartext: Gerne nehmen wir auch Nazis, solange sie still genug sind. Besser hätte Keller das Problem des deutschen Fußballs nicht beschreiben können.