Denn die Demokratie-Debatte bei den „Geißböcken“ hat genauso viel Substanz wie das Gerücht, dass bisher niemand mit den Vizepräsidenten habe sprechen wollen. Letzteres hatte der neue Vorsitzende des Mitgliederrats, Dr. Carsten Wettich, am Montag bereits vom Tisch gewischt. Sowohl Ritterbach als auch Schumacher seien vom Mitgliederrat zum Gespräch gebeten worden, beide hätten die Anfrage jedoch abgelehnt.
Für beide stehe die Tür aber nach wie vor offen, wenngleich ihr Verzicht natürlich Einfluss auf die Vorstandssuche des Gremiums gehabt habe. Undemokratisch ist daran nichts, außer dass die Vizepräsidenten einerseits unbedingt weitermachen, andererseits sich bisher aber nicht dem demokratisch gewählten Mitgliederrat stellen wollten.
Müller-Römers Argumentation ist nachvollziehbar
Und die Worte Müller-Römers? Fordert der Interimsvorstand mit dem Verzicht auf eine Kampfkandidatur auch den Verzicht auf demokratische Wahlen beim 1. FC Köln? Wohl kaum. Die Argumentation des Juristen zielt nicht darauf ab, freie Wahlen zu verhindern, sondern ergibt sich aus der Struktur des Clubs, der wohl gemerkt kein Staat, sondern eben nur ein Fußballverein ist.
Wenn man den Vergleich aber anstellen möchte, sollte man sich die Bundesliga als Parlament vorstellen. Der 1. FC Köln wiederum wäre dabei eine der Parteien, die in diesem Parlament sitzen. Damit die Kölner Fraktion im Bundesliga-Bundestag Gehör findet, braucht sie Repräsentanten – den Vorstand. Bei den „Geißböcken“ hat man sich satzungsgemäß darauf geeinigt, dass der Mitgliederrat im Auftrag der Mitglieder dafür zuständig ist, geeignete Personen zu finden, und dann einen Wahlvorschlag zu unterbreiten. Dieses Gremium wurde noch im letzten Herbst demokratisch gewählt. Übrigens: Für eine Partei ist Geschlossenheit nach außen immer wünschenswerter als möglicherweise dreckig geführte Machtkämpfe. Fragen Sie doch mal die SPD.
Mitgliederrat hat demokratisches Mandat
Die Mitgliederräte wurden von den Wählern als ihre Repräsentanten bestimmt, sie handeln demnach im Auftrag der gesamten Mitgliedschaft – mit einem klaren demokratischen Mandat. Sollte dieses Gremium – und es gibt durchaus einige Gründe dafür – zu dem Schluss kommen, dass Schumacher und Ritterbach nicht die richtigen Kandidaten im Sinne einer guten Zukunft des Clubs sind, dann ist das einerseits eine zutiefst demokratische Entscheidung. Und sendet andererseits auch ein klares Signal an die beiden Vizepräsidenten: Danke für euren Einsatz, aber jetzt ist es Zeit für einen Umbruch.
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Das mag Schumacher und Ritterbach persönlich zwar nicht gefallen, es belegt gleichzeitig aber, dass die Kölner Satzung ihren Zweck erfüllt und die demokratisch gewählten Mitgliedervertreter ihre Aufgabe ernst nehmen. Denn in einer Demokratie geht es grundsätzlich nicht um persönliche Befindlichkeiten. Dass Stefan Müller-Römer aus der drohenden Nicht-Nominierung der beiden Vize-Präsidenten also den Schluss zieht, es sei im Sinne des Clubs, wenn sie – sollte dieser Fall eintreten – auf eine Kampfkandidatur verzichten, ist daher folgerichtig.
Kampfkandidatur möglich – auch das ist gut so
Zwar bietet das Kölner Regelwerk die Möglichkeit mit Hilfe von drei Prozent der Mitgliederunterschriften gegen das Team des Mitgliederrats zu kandidieren, was auch gut so ist. Gleichzeitig würde es aber wohl kaum ein Parteivorstand wagen, gegen den klar artikulierten Willen der Mitgliedervertreter einen monatelangen Wahlkampf anzuzetteln, der konstruktives Arbeiten in dieser Phase deutlich verkomplizieren würde.
Es spielt also eine Rolle, von wem die Möglichkeit via Unterschriften zu kandidieren, wahrgenommen wird: Bildet sich ein Kandidatentrio heraus, das vom Mitgliederrat nicht vorgeschlagen wird, aber dennoch der Meinung ist, die bessere Alternative für den Verein zu sein, ist das grundsätzlich erst einmal völlig legitim und ein demokratischer Prozess. Das muss und kann ein Club aushalten.
Der 1. FC Köln hat das in jüngerer Vergangenheit auch hinbekommen: Bei den vorletzten Wahlen nominierte der Mitgliederrat Werner Spinner, Toni Schumacher und Markus Ritterbach. Und das Trio setzte sich an der Urne gegen ein externes Team um Karl-Heinz Thielen und Franz-Josef Wernze durch. Der Unterschied: Thielen und Wernze bekleideten zu diesem Zeitpunkt kein Amt im Verein – und kein demokratisch gewähltes Gremium hatte ihnen zuvor signalisiert, dass die Mitglieder nicht mehr mit ihnen planen.
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