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Auswärtsspiel

Auswärtsspiel: “Red Bull Leipzigs Überdehnung der 50+1-Regel ist befremdlich”

Im effzeh-com-“Auswärtsspiel” sprechen wir mit dem Leipziger Fußballexperten Bastian Pauly über die Fußballstadt Leipzig und die Auswirkungen des Engagements von Red Bull.

Unschuldige Freude: muss schön sein. (Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)

Wie lautet deine Prognose für den Leipziger Vereinsfußball in zehn Jahren?

Vom Fanpotenzial her gehört Chemie mindestens in die dritte Liga, bei Lok ist es nicht anders. Dafür braucht es aber kontinuierliche Arbeit und auch Glück. RB wird mit Sicherheit eine bedeutende Rolle in der Bundesliga spielen. Die Frage ist nur, was passiert, wenn Multimilliardär Dietrich Mateschitz einmal nicht mehr die Geschicke von Red Bull lenken sollte.

Welche Rolle spielen die lokalen Medien in der Berichterstattung über das Produkt Red Bull Leipzig? Sind die Meinungen differenziert oder dominiert mittlerweile unkritische Lobhudelei?

Regionale Mainstreammedien haben grundsätzlich kein Interesse daran, vielversprechende Projekte in ihrem Einzugsbereich zu kritisieren. Schließlich steigern sich mit jedem Erfolg Auflage, Reichweite und Quote. Außerdem ist die Diskussion um das Modell auf lokaler Ebene längst abgeschlossen. Das muss die Bundesliga erst noch nachholen.

Unter der Woche hat sich die AG Fankultur des 1. FC Köln in einer Mitteilung gegenüber Red Bull Leipzig positioniert. Was ist deiner Meinung nach von so etwas zu halten? Wie findest du die Aktion, am Sonntag auf den Trikots mit der REWE-eigenen Getränkemarke zu werben?

Die Position deckt sich im Wesentlichen mit meiner Argumentation. Es ist wichtig, in der Diskussion auch auf noch so feine Unterschiede hinzuweisen. Jeder Verein hat seine eigene Erzählung, aber kein anderer als RB definiert sich über die Vermarktung eines einzigen Produktes.

Die Gegenseite macht es sich viel zu einfach, wenn sie alle Bundesligaklubs in einen großen Kommerztopf wirft. Ich begreife die Maßnahme des FC, während des Spiels mit einem Red-Bull-Konkurrenzprodukt auf der Brust zu werben, als kluges ironisches Zitat. Vermarktung an sich ist nichts Verwerfliches. Bei Union Berlin und dem FC St. Pauli versteht man es bestens, das eigene Anti-Establishment-Image in Marketing-Erlöse zu übersetzen. Aber die Fans haben in den Vereinen immer ein gewaltiges Wort mitzureden.

Die Fans in Köln haben im Vorfeld des Spiels an prägnanten Orten der Stadt relativ unmissverständliche Meinungen gegenüber Red Bull Leipzig kommuniziert. Schätzt du als hoffnungsloser Fußball-Romantiker diesen Eifer oder bist du mittlerweile schon desillusioniert?

Doch, bei aller Ernüchterung, die sich in mir in den vergangenen Jahren breit gemacht hat, ich finde den Protest wichtig. Besonders wenn es über schiefe Nazivergleiche, verkürzte Kapitalismuskritik und die reaktionäre Verklärung früherer Zustände hinausgeht. Wir dürfen die kritische Auseinandersetzung mit den Negativerscheinungen des modernen Fußballs nicht denen überlassen, die politisch rechtsaußen stehen.

Bei der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln am kommenden Montag könnte erstmals eine Öffnung gegenüber einem Investor angesprochen werden. Wärest du ein Mitglied und dürftest das Wort ergreifen, was würdest du dem Präsidium sagen wollen?

Ich kenne die Details der Pläne nicht, aber grundsätzlich stehe ich Investoren nicht ablehnend gegenüber. Es kommt immer drauf an, was genau der Deal ist. Wenn es darum geht, die immense Strahlkraft eines Klubs auch auf bestimmte Produkte oder Projekte zu lenken, ist dagegen nichts einzuwenden. Wenn Investoren aber die Vereinspolitik diktieren wollen und Fans zu wandelnden Klatschpappen degradieren, widerspricht das meiner Auffassung von Vereinsdemokratie.

Ist es nicht auch irgendwie ein sportlich interessantes Projekt, mit Unmengen Geld und nahezu perfekten Bedingungen als Fußballer arbeiten zu können? Kannst du dieser Sichtweise etwas abgewinnen?

Für Ralf Rangnick ist es genau der Grund, warum er für Red Bull und nicht für einen unflexiblen Traditionsverein wie Schalke arbeitet. Viele Manager und Trainer in der Bundesliga werden ihn um seinen Gestaltungsspielraum beneiden, so wie auch die meisten Profifußballer. Die hochbezahlten Angestellten sollten aber nicht vergessen, wer sie finanziert: Viele Unverbesserliche, die sich zu jeder Saison ein neues Trikot kaufen und immer wieder hunderte Kilometer für Auswärtsfahrten auf sich nehmen, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Bei leeren Stadien und miesen TV-Quoten würde sich kein Geldgeber dieser Welt für das Produkt Fußball interessieren.

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Wie schätzt du den 1. FC Köln ein? Verfolgst du die Entwicklung des Vereins?

Die allzu wilden Chaos-Jahre, wie sie sich für den Außenstehenden früher oft darstellten, scheinen vorbei zu sein. Peter Stöger und Jörg Schmadtke arbeiten in Ruhe und mit kleinen Schritten auf Etappenerfolge hin. Das ringt mir Sympathien ab. Jetzt muss nur noch Lukas Podolski zurückkommen. Das Spannende am Fußball ist ja, dass Mannschaften ohne das ganz große Geld eine erstaunliche Entwicklung nehmen können, wenn alles andere stimmt.

Glaubst du, dass der Verein auch langfristig von seiner Tradition leben kann? Oder braucht es schneller als wir denken eine externe Finanzspritze?

Solange Klubs wie Darmstadt oder Paderborn in die Bundesliga aufsteigen können und Wolfsburg  und Schalke immer wieder an den eigenen Ansprüchen scheitern, habe ich meine Hoffnungen, dass Geld eben doch nicht alles ist. Allerdings lässt die zunehmende Globalisierung der Absatzmärkte, verbunden mit immer weiter steigenden TV-Erlösen und Transfersummen, eher auf das Gegenteil schließen. Die Schere zwischen reichen und armen Bundesliga-Klubs wird in Zukunft weiter auseinandergehen. Das wird die Akzeptanz von Investoren gerade bei den finanzschwachen Vereinen steigern. Dazu trägt auch das Erfolgsmodell RB Leipzig bei – bedauerlicherweise.

 

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