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Meinung

Bundesliga und der Fall Tönnies: Ein Buddy hackt dem anderen kein Auge aus

Wie soll man mit den rassistischen Aussagen von Clemens Tönnies umgehen? Die “Herrenelite” in der Bundesliga hält im Großen und Ganzen zusammen, unterstützt den Schalke-Chef – und verschiebt so Grenzen. Das ist gefährlich. Ein Kommentar.

Man versteht sich: Friedhelm Funkel und Clemens Tönnies | Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Für den Großteil der Branche scheint diese „Lösung“ ausreichend zu sein. Es müsse doch langsam auch mal gut sein mit der „Hexenjagd“ auf den Kollegen, lautet die verbreitete Buddy-Botschaft. Wer lieber schweigt, ist allerdings auch nicht fein raus. Denn Schweigen ist – Hallo Herr Watzlawick – in diesem Fall eine ähnlich duldende Kommunikation wie aktive Beschwichtigung.

„Es sind Wirkungen in die Gesellschaft hinein, wenn Herreneliten damit zu einer Normalisierung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung beitragen“, bringt Heitmeyer es auf den Punkt. Die Äußerung komme aus einem Elitekreis und wirke damit legitimierend, führt der Professor für Sozialisation der Universität Bielefeld aus. Dass dieser „Elitekreis“ – fast ausschließlich weiße Männer – einem der ihren eine rassistische Aussagen mit solch großzügiger Milde durchgehen lässt, dürfte diese Wirkung nur verstärken.

“Herreneliten tragen zu Normalisierung von Menschenfeindlichkeit bei”

Klaren Widerspruch für Tönnies gibt es in Fußballdeutschland wenig. Ja, wo steckt eigentlich Christian Streich, wenn man ihn braucht? Immerhin: DFB-Interimschef und Ligapräsident Reinhard Rauball hat Kritik an Tönnies geübt. Auch Frankfurt-Präsident Peter Fischer ließ die „BILD“-Zeitung wissen: “Ich bin sprachlos. Dazu fällt mir nix mehr ein.” Davon abgesehen haben vor allem Ex-Spieler oder Politiker zur Kritik an Tönnies angesetzt. „Das ist mehr als ein dummer Spruch. Denn was mich noch mehr stört als der Spruch ist das Gedankengut, das dahintersteckt“, sagte Otto Addo der „dpa“. Ex-Schalke-Spieler Hans Sarpei attestierte Tönnies das „Weltbild eines Großwild-Jägers“ und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht diagnostizierte „dumpfen Rassismus“.

REUTLINGEN, GERMANY - JULY 14: Manager Armin Veh of 1.FC Koeln looks on during the pre-season friendly match between SSV Reutlingen v 1. FC Koeln at Stadion an der Kreuzeiche on July 14, 2019 in Reutlingen, Germany. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Foto: Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images

Beim 1. FC Köln gehen die Meinungen bezüglich des Umgangs mit dem Fall Tönnies offensichtlich ebenfalls auseinander. „Die Äußerungen von Clemens Tönnies sind vollkommen inakzeptabel“, sagt Stefan Müller-Römer gegenüber effzeh.com. „Ich vermisse derzeit eine überzeugende Entschuldigung mit klarer Distanzierung von Clemens Tönnies verbunden mit einer positiven Tat von seiner Seite.” Eine “einfache Entschuldigung” sei “hier nicht ausreichend”, die sei “immer leicht gesagt“, erklärt der Interimsvorstand des 1. FC Köln. Neben den richtigen Worten müssten nun auch Taten folgen. „Tönnies muss glaubhaft Reue zeigen und authentisch etwas tun, um so nachzuweisen, dass er seinen Fehler verstanden hat und daraus lernen will.“

Wichtig: Rassismus lässt sich abtrainieren

Ein wichtiger Aspekt. Denn „schlachten“ will vermutlich niemand Tönnies für seine Worte – die Proteste gegen den Schalker Umgang mit dem Fall beruhen vielmehr darauf, dass die geleistete Sühne nicht überzeugen kann. Eine knappe Entschuldigung – und alles ist gut? So läuft das nicht.

„Rassismus lässt sich abtrainieren“, stellt Margarete Stokowski in dieser Woche im „Spiegel“ korrekt fest. Oder wie es bei effzeh.com zuvor bereits geschrieben stand: „Rassist ist, wer Rassistisches sagt. Das heißt jedoch nicht, dass man auf ewig einer bleiben muss.“ Die Entschuldigung allein ändert also so gut wie nichts. Denn sicherstellen, dass niemand ein Rassist ist, wird oder bleibt, kann die Gesellschaft und damit auch der Fußball nur, wenn es rote Linien gibt, die auf gar keinen Fall verschoben werden – und deren Überschreitung spürbare Konsequenzen hat. Im Fall Tönnies sind die bisher kaum erkennbar. „Wenn jetzt einige einfach so tun, als wenn es nur ein kleiner Lapsus gewesen sei, geht das gar nicht“, findet auch Müller-Römer. „Dann kann sich der deutsche Fußball die ganzen Aktionen gegen Rassismus und Fremdenhass auch direkt sparen.“

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Dass Veh, Eberl, Funkel, Rolfes oder wie die Tönnies-Unterstützer auch heißen mögen bei wohlwollender Betrachtung vermutlich nicht einmal erkennen, dass auch ihre Lulli-Haltung mitverantwortlich für die Normalisierung von rassistischen Positionen in unserer Gesellschaft ist, macht das Ganze kein bisschen besser. Zumal es weißen Männern ohnehin selten gut zu Gesicht steht, festlegen zu wollen, wann es denn mit Rassismus-Debatten wieder gut sein müsse – und welche Sanktionen da ausreichen.

Nein, es steht wirklich nicht gut um grundsätzliche Werte in (Fußball)-Deutschland. Schlimmer wäre da schließlich nur noch, wenn die Bundesliga-Buddys solch rassistischen Schwachsinn im Grunde gar nicht mal so tragisch fänden oder wenn ihnen die flauschige Herreneliten-Harmonie schlichtweg wichtiger wäre, als die soziale Verantwortung wahrzunehmen, die es im Fußball-Business zum asozial hohen Gehalt gratis dazu gibt – ob man sie nun will oder nicht.

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