Folge uns
.

Auswärtsspiel

S04-Experte Raphael Wiesweg im Interview: “Das ist kein Hurra-Fußball, aber der Erfolg gibt Schalke recht”

Auf Abschiedstour ist der 1. FC Köln in der Bundesliga – und bekommt es gegen Schalke mit einem wiedererstarkten Rivalen zu tun. Vor dem Westschlager sprechen wir mit Raphael Wiesweg über den neuen S04.

GELSENKIRCHEN, GERMANY - DECEMBER 02: Salih Oezcan of Koeln (l9 fouls Leon Goretzka of Schalke during the Bundesliga match between FC Schalke 04 and 1. FC Koeln at Veltins-Arena on December 2, 2017 in Gelsenkirchen, Germany. (Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Viel wird von Domenico Tedesco als Architekt des derzeitigen Erfolgs gesprochen. Was zeichnet den umjubelten Trainer-Youngster aus?

Ein Riesen-Vorteil ist seine Kommunikation. Da wäre zum einen sein Sprachtalent. Tedesco spricht Deutsch, Italienisch, Englisch, Französisch und Spanisch – er kann somit die unterschiedlichsten Spieler in ihrer Muttersprache direkt ansprechen und auch emotionalisieren. Darüber hinaus lässt er – im Gegensatz zu seinem Vorgänger – wirklich niemanden links liegen. Jedem nicht nominierten Spieler wird so lange erklärt, warum er nicht dabei ist, bis er es versteht. Das sorgt für Zusammenhalt und Anerkennung. Das jüngste Paradebeispiel ist Yevhen Konoplyanka. Wochenlang hat der Linksaußen keine Rolle gespielt. Im Derby gegen den BVB steht er dann plötzlich zur Überraschung aller in der Startelf und schießt das wichtige 1:0.

Tedescos glaubhaft hohe Identifikation sowie seine Demut und sein Stolz, bei so einem großen Klub wie dem FC Schalke 04 trainieren zu dürfen, passen wie Faust auf Auge und kommen extrem gut bei den Anhängern an.

Außerdem hat Tedesco seine Stärken in der Spiel-Vorbereitung. Schon zu seiner kurzen Zweitliga-Zeit in Aue haben Experten ihm nachgesagt, dass, wenn Tedesco genügend Tage Zeit hat, er seine Mannschaft perfekt auf den Gegner einstellen kann. Daher bin ich schon sehr gespannt, wie der S04 in der kommenden Saison spielt, wenn wegen der internationalen Spiele alle drei oder vier Tage eine Partie ansteht. Seine glaubhaft hohe Identifikation sowie seine Demut und sein Stolz, bei so einem großen Klub trainieren zu dürfen, passen wie Faust auf Auge und kommen extrem gut bei den Anhängern an.

>>> Timo Horn über den Absturz: “Im Erfolg macht man die größten Fehler”

Tedesco ist erst 32, scheint auf Schalke hervorragend anzukommen und hat definitiv das sportliche Rüstzeug für mehr. Könnte der Deutsch-Italiener bei S04 eine Ära prägen?

Tedesco ist wirklich stolz, in so jungen Jahren eine solch anspruchsvolle Aufgabe bekommen zu haben. Er bedankt sich auch nach wie vor noch bei Erzgebirge Aue, das ihm als damals 31-Jährige die Chance gegeben hat, im Profi-Bereich Fuß zu fassen. Gleiches gilt jetzt für Schalke. Nicht umsonst hat Manager Christian Heidel erst vor zwei Wochen gesagt, dass Tedesco “langfristig” bleiben wird. Daran glaube auch ich fest. Selbst, wenn Rückschläge kommen. Dafür ist vor allem auch Heidel zu sehr von dem nun 32-Jährigen überzeugt.

LEVERKUSEN, GERMANY - FEBRUARY 25: Manager Christian Heidel of Schalke looks on prior to the Bundesliga match between Bayer 04 Leverkusen and FC Schalke 04 at BayArena on February 25, 2018 in Leverkusen, Germany. (Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Auch Christian Heidel scheint seinen Job äußerst zufriedenstellend zu erledigen – zuletzt verpflichtete Schalke mit dem Ex-Kölner Mark Uth und Salif Sané gleich zwei Spieler, die der effzeh vor kurzem noch an der Angel hatte. Bist du zufrieden mit der Art, wie Heidel das Team weiterentwickeln will?

Christian Heidel muss noch die Altlasten von seinem Vorgänger Horst Heldt abarbeiten. Das geht nicht von heute auf morgen. Er lag aber in seinem ersten Jahr mit Verpflichtungen wie beispielsweise von Yevhen Konoplyanka nicht immer sehr gut. Nabil Bentaleb und Benjamin Stambouli haben zwar besser eingeschlagen, sind aber auch nicht überragend. Die vielen Millionen, die die Schalker durch den Verkauf von Leroy Sané bekommen haben, hat er unter dem Strich nicht sehr gut investiert. Daher darf man gespannt sein, wie er mit den Champions-League-Millionen umgeht. Grundsätzlich aber packt er so viel im Umfeld an – unabhängig von Investitionen in Spielerbeine -, dass es sinnvoll wirkt. Zudem: Für Journalisten schlecht, für Fans aber überragend: Interne Infos gelangen seit seiner Ankunft kaum noch nach außen.

Selbstverständlich profitiert auch Christian Heidel in seinem zweiten Jahr von dem sportlichen Erfolg auf Schalke. Aber er kann sich erstens extrem gut verkaufen – sowohl gegenüber den Fans als auch gegenüber den Medien. Heidel ist einfach ein Könner seines Fachs.

Insgesamt ist auffällig, dass von dem alten Schalke mit viel Unruhe und ständigen Problemen wenig übrig geblieben ist. Hältst du das für das Verdienst des neuen Sportchefs? Oder hat gar ein Umdenken im Verein und im Umfeld stattgefunden?

Das hat fast einzig und allein mit Christian Heidel zu tun, ja. Selbstverständlich profitiert auch er nun in seinem zweiten Jahr von dem sportlichen Erfolg. Aber er kann sich erstens extrem gut verkaufen – sowohl gegenüber den Fans als auch gegenüber den Medien. Zweitens ist er einfach ein Könner seines Fachs. Sein Vorgänger Horst Heldt ist kein schlechter Manager und Heldt hatte jahrelang auch nur den Auftrag in Beine und nicht mal zwischendurch ebenso in Steine zu investieren, so dass nun Heidel vor allem als der große Visionär dasteht (was er übrigens als Gentleman selbst von sich weist und Kritik gegen Heldt sofort im Keim erstickt). Doch Heidel spielt in einer anderen Liga, füttert keine bestimmten Journalisten mit mehr Infos, sondern behandelt alle gleich. Sein hohes Niveau, gepaart mit seiner mutigen Entscheidung auf einen unbekannten Trainer zu setzen, wodurch der unspektakuläre, aber unübersehbare Erfolg Einzug erhalten hat, lässt einen neuen Wind am Ernst-Kuzorra-Weg wehen.

Seite 2 von 3

Mehr aus Auswärtsspiel

.