Es dauerte ein wenig, bis Frank Lußem sich wieder zu vereinspolitischen Themen zu Wort meldete. Die “kommentierende Analyse” des mit Ex-Vizepräsident Toni Schumacher verbandelten kicker-Journalisten vom 9. November hatte es dann aber in sich. Nach vielen gezielten Attacken und herbeigeschriebenen Konflikten gipfelt sie in einer Umsturzfantasie: “Wo Kremer als autoritärer Alleinherrscher das Fundament für Erfolge legte, werden heute ellenlang Befindlichkeiten diskutiert. Wenn sich daran nicht bald etwas ändert, diese Fundamental-Opposition nicht bald aufweicht, wird man sich erneut in die 2. Liga gequatscht und intrigiert haben.”
Lußem munitioniert so die autoritären Sehnsüchte nach starken Männern. Damit trifft er einen Nerv, denn schon der Begriff “Gremien” ist bei vielen negativ besetzt. In “Gremien” wird geredet, beim effzeh wird aber doch Fußball gespielt, wozu also “Gremien”, weshalb kann nicht einer entscheiden, wo es lang geht? Diese Stimmung fängt Lußem ein. Das dem zu Grunde liegende Weltbild spielt keine Rolle. En passant schiebt er so zudem die Schuld für die aktuelle Lage einem von ihm lange gepflegten Feindbild zu. Gleichzeitig entlässt sein autoritäres Argument das Ex-Präsidium ebenso aus der Verantwortung wie die Geschäftsführung.
Die Debatte klammert größere Probleme aus
Nun lösen sportliche Krisen häufig Diskussionen und Debatten aus, in denen auch über Grundsätzliches gesprochen wird. Wer die Krise des 1. FC Köln jedoch am Mitgliederrat festmacht, setzt – mindestens – falsche Prioritäten. Jede Struktur funktioniert nur dann vernünftig, wenn die Protagonisten sie mit Leben füllen und respektvoll miteinander umgehen. Denn immerhin schaffte es der 1. FC Köln auch mit dem Mitgliederrat in die Europa League.
Erst in der Folge durften die Geschäftsführer mit Billigung des Vorstands machen, was sie wollten. Das Ergebnis kennt jeder: Der effzeh stieg ab, erkaufte sich den Aufstieg viel zu teuer und steht nun wieder auf einem Abstiegsplatz. Dazu kommt nun aber ein gewaltiges finanzielles Loch, das die Geschäftsführung verantwortet. In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit nicht nur Lußems “Analyse”, sondern auch andere Medien einem Leitartikel des Geissblogs schenkten.
Dort beschreibt Marc L. Merten, wie frei Alexander Wehrle und Armin Veh schalten und walten durften, zudem beziffert er das finanzielle Minus für das laufende Geschäftsjahr auf über 15 Millionen Euro. Und darin sind nicht einmal die Abfindungen enthalten, die jetzt für Veh und Beierlorzer anfallen. Merten schlussfolgert, dass “der aktuelle Zustand des 1. FC Köln im November 2019 das Werk der beiden Geschäftsführer Armin Veh und Alexander Wehrle” ist: “Der sportliche Erfolg sollte erkauft werden, und zwar auf Pump. Doch bislang sind Veh und Wehrle damit gescheitert.”
Das Modell “Starker Mann” im sportlichen Bereich ist erneut gescheitert
Im Klartext heißt das: Das Geld ist weg – ohne die nötigen sportlichen Entwickungsschritte erreicht zu haben. Diese finanziellen Probleme stellen für die hauptamtlichen Protagonisten weitaus größere Hindernisse dar als Diskussionen mit dem Mitgliederrat. Das Anheizen autoritärer Gesinnungen zugunsten einer noch stärkeren Geschäftsführung ohne entsprechende Kontrolle klammert einerseits die finanzielle Verschlechterung aus und lässt andererseits Alexander Wehrles Rolle dabei außen vor. Und an diesem Punkt wäre die Debatte noch nicht einmal beim Stillstand des Geißbockheim-Ausbaus oder bei den merkwürdigen Aussagen zum Stadion angelangt.
Im Sportbereich krachte der Verein mit dem Modell “Starker Mann” außerdem zum zweiten Mal in Folge an die Wand. Sowohl Jörg Schmadtke als auch Armin Veh etablierten keine Strukturen, die Fachwissen auf einer nicht-personengebundenen Ebene verorten. Dazu kommt noch die Verbrennung von Geld und Erde, die im Falle Vehs noch gar nicht beziffert werden kann.
Der Vorstandsjob ist undankbar
Natürlich muss sich auch der Mitgliederrat Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel, ob er bei der Zusammenstellung des aktuellen Präsidiums ein glückliches Händchen bewiesen hat oder nicht. Immerhin schien die aktuelle Krise, die sportlich auch vor Saisonbeginn nicht unwahrscheinlich war, das neue Vorstandsteam kalt erwischt zu haben. Achim Beierlorzer als Trainer auf Abruf ins Spiel gegen Hoffenheim gehen zu lassen wirkte ebenso unglücklich wie die Aussagen Werner Wolfs über eine mögliche Vertragsverlängerung Armin Vehs, mit denen er sich in eine schwierige Verhandlungsposition manövrierte.
Trotzdem ist der Vorstandsjob beim 1. FC Köln derzeit undankbar. Wolf und Co. müssen das Porzellan, das ihre Vorgänger und die Geschäftsführung mit voller Wucht zerschlagen haben, erst einmal aufkehren, bevor sie Neues in die Vitrinen stellen können. Ihre erste richtungsweisende Personalie wird die Nachfolge Armin Vehs sein. Die schlechte finanzielle Perspektive, die Wolf den Neuen anbieten kann, erschwert die Akquise geeigneten Personals zusätzlich. Wer angesichts dessen nach den Ursachen für die aktuelle Krise forscht und dabei allen Ernstes die Existenz des Mitgliederrats als ihr Epizentrum identifiziert, lenkt von den eigentlichen Problemen nur ab.