Kingsley Schindler konnte es auch nach dem Spiel immer noch nicht fassen. „Das macht sauer“, schilderte der Außenstürmer des 1. FC Köln seine Gefühlslage am „DAZN“-Mikrofon nach dem 1:3 der „Geißböcke“ beim 1. FSV Mainz 05. Doch nicht die Niederlage an sich hatte den 26-Jährigen in Wut versetzt – es war erneut eine groteske Fehlentscheidung des Unparteiischen, mit der der effzeh nach dem Auftritt bei einem direkten Kontrahenten im Abstiegskampf haderte. Einen klaren Handelfmeter hatte Schiedsrichter Frank Willenborg den Gästen beim Stand von 1:2 verweigert, auch ein Gang in die Review-Area mitsamt Blick auf die eindeutigen Bilder hatten den durchweg schwachen Spielleiter nicht umstimmen können.
“Ich weiß nicht, wo das kein Hand ist. Dass er sich das nochmal anschaut und dann nicht pfeift, verstehe ich nicht, wenn ich ehrlich bin“, bekundete Schindler spürbar empört. Auch effzeh-Coach Achim Beierlorzer war verständlicherweise außer sich, als er nach der Partie auf die Szene angesprochen wurde. “Da gibt’s keine zwei Meinungen“, sagte der 51-Jährige und meinte damit: Klarer Strafstoß, die große Chance auf den Ausgleich, zudem vermutlich Gelb-Rot für den Hand-Sünder Niakhate.
Terodde mit der verdienten Führung für den 1. FC Köln
Doch stattdessen: Weiterspielen. Eine schockierende Fehlentscheidung, die Erinnerungen weckte an den letzten Auftritt der „Geißböcke“ in Mainz, als der Video-Assistent Tobias Welz eine klare Schwalbe von Pablo de Blasis trotz eindeutiger Bildlage nicht zu erkennen vermochte. Es war der traurige Tiefpunkt einer Partie, die für den effzeh gar nicht schlecht begonnen hatte – und die aus Kölner Sicht nicht hätte verloren gehen müssen. Gemäß dem Motto „Never change a winning team“ brachte Beierlorzer dieselbe Formation, die fünf Tage zuvor den SC Paderborn 3:0 geschlagen hatte.
Dieselbe Formation, die nun auch im Duell gegen den nächsten direkten Kontrahenten im Abstiegskampf punkten sollte. Und das sah zunächst sehr gut aus: Simon Terodde scheiterte aus bester Position am stark reagierenden Mainz-Torwart Zentner, doch im Nachsetzen brachte Florian Kainz die Kugel im Kasten der Gastgeber unter (4.). Das frühe 1:0 verhinderte dabei nur die Abseitsposition des aktiv eingreifenden Louis Schaub – der Kölner Jubel verstummte zunächst aufgrund der richtigen Entscheidung des Schiedsrichtergespanns.
Kurz darauf allerdings dann doch die Führung für die „Geißböcke“: Jonas Hector setzte im Zusammenspiel mit Kingsley Schindler Terodde am Strafraum in Szene, der Torjäger ließ Zentner mit einem wuchtigen Drehschuss durch die Beine eines Mainzer Verteidigers nicht den Hauch einer Abwehrchance (14.). Wer dachte, dass der effzeh gegen verunsicherte „Nullfünfer“ nun am Drücker bleiben würde, sah sich getäuscht: Nur wenige Augenblicke nach dem 1:0 verhinderte Timo Horn bei einem abgefälschten Boëtius-Distanzschuss mit einer Glanztat den möglichen direkten Ausgleich.
Mainz drückt, Mainz drängt, Mainz trifft
Die folgende Druckphase der Mainzer sollte sich dennoch auszahlen: Etwas glücklich kam Boëtius im Strafraum an die Kugel, ließ Sebastiaan Bornauw aussteigen und schob am machtlosen Horn vorbei zum 1:1 ein (21.). „So eine Phase wie nach dem 0:1 darf uns nicht passieren. Die Mainzer haben richtig Druck gemacht und innerhalb kurzer Zeit fünf, sechs, sieben Abschlüsse verbucht. Wir müssen mehr investieren”, legte FC-Keeper Timo Horn nach seinem 250. Pflichtspiel für die Kölner eine Problemstelle der „Geißböcke“ offen.
“So eine Phase wie nach dem 0:1 darf uns nicht passieren.”
Denn: Die Mainzer konnten zwar ihr Tempo nach dem Ausgleich nicht mehr so hoch halten, kauften den Gästen aber durch ihre intensive Spielweise phasenweise den Schneid ab. Auch deshalb waren die „Nullfünfer“ bis zum Halbzeitpfiff das optisch überlegene Team, auch wenn dabei kaum größere Möglichkeiten zur Pausenführung heraussprangen.
Die hatte allerdings nach dem Seitenwechsel der effzeh, der stark aus der Kabine kam. Schaub scheiterte mit einem abgefälschten Schuss von der Strafraumgrenze am abermals glänzend reagierenden Zentner (49.), nur wenig später war der Mainzer Torwart erneut erster Sieger im Duell mit dem österreichischen Offensivmann der Gäste. Mitten hinein in den guten Auftakt der Kölner dann die Führung für die „Nullfünfer“: Quaison fasste sich aus fast 30 Metern ein Herz und schweißte den Ball aus der Distanz unter die Latte (59.).
Willenborg will nicht auf den Punkt zeigen
2:1 Mainz – ein tolles Tor, auch wenn Timo Horn bei diesem Weitschusstreffer nicht gänzlich unbeteiligt wirkte. „Der Schuss war Wahnsinn, kaum berechenbar. Das ist schon sensationell“, schwärmte der Kölner Keeper nach der Partie von der Schusstechnik des Kontrahenten. Die Reaktion der „Geißböcke“ auf diesem zu diesem Zeitpunkt eher überraschenden Rückstand folgte auf dem Fuß: Terodde fand in Zentner seinen Meister (62.), ehe der schon gelb-vorbelastete Niakhate den Arm ausfuhr und Schindlers Flanke regelwidrig stoppte.
Hab mir grade nochmal die Wiederholung angeschaut. Ganz klar kein Elfmeter!#M05KOE pic.twitter.com/fUKjr5mPOP
— Nico (@1899nic0) October 25, 2019
Und während sich nahezu alle Beobachter einig waren, dass dies nur die große Chance zum Ausgleich für die Kölner zur Folge haben wird, machte Willenborg dieser Hoffnung einen Strich durch die Rechnung. Diese krasse Fehlentscheidung schien auch den effzeh geschockt zu haben, denn die Beierlorzer-Elf blieb gegen konternde Mainzer zwar spielbestimmend, aber wenig torgefährlich. Das lag auch an der fehlenden Qualität der Hereingaben: Sowohl die Standardsituationen (bisher, welch Wunder, eine Kölner Stärke) als auch die Flanken fanden über weite Strecken der Partie stets den falschen Abnehmer.
“Ich denke, ich habe ihn schon sicher und dann springt er mir über den Fuß. Scheiße, danach war das Spiel natürlich gelaufen.”
Daran änderte in der Schlussphase auch die Hereinnahme von Jhon Cordoba (65., für Schindler) und Anthony Modeste (81., für Noah Katterbach) nichts. Im Gegenteil: Kurz nach der dritten und letzten Einwechslung setzte Öztunali in der 82. Spielminute den entscheidenden Stich – und konnte dabei auf Timo Horns gütige Mithilfe bauen. Den eigentlich relativ harmlosen Abschluss aufs kurze Eck ließ der Kölner Keeper über seinen Fuß springen: 3:1 Mainz!
Beierlorzer: “Wir müssen uns an die eigene Nase fassen”
„Den kreide ich mir auf jeden Fall an, da darf er natürlich nicht rein. Ich denke, ich habe ihn schon sicher und dann springt er mir über den Fuß. Scheiße, danach war das Spiel natürlich gelaufen“, wurde Horn danach deutlich. Es war der größte Kölner Fehler an diesem Freitagabend – und der letztlich ausschlaggebende, denn der effzeh kam nach dem 1:3 nicht mehr zurück. Terodde vergab nochmals per Seitfallzieher, Kainz scheiterte mit einem Freistoß an Zentner, dann war Schluss.
„Wir sind natürlich total enttäuscht, denn es war für uns eine unnötige Niederlage. Wenn ich den Videobeweis sehe, fühlt sie sich noch bescheuerter an, weil wir einen klaren Elfmeter hätten kriegen müssen. Es war ein Spiel auf Augenhöhe, das wir aus der Hand gegeben haben“, konstatierte Achim Beierlorzer, nahm allerdings auch seine Mannschaft, die sich gegen leidenschaftlich agierende Mainzer zu oft den Schneid hat abkaufen lassen, in die Pflicht.
„Wir hatten viele gute Momente, müssen uns aber an die eigene Nase fassen: Wir müssen die Zweikämpfe liga-adäquat annehmen. Das haben wir heute in einigen Situationen nicht gemacht, das müssen wir verbessern“, so der effzeh-Coach. Chancen dazu bieten sich den Kölnern mehrfach: Am Dienstag geht es im Pokal zum 1. FC Saarbrücken, danach folgt am kommenden Wochenende das Derby bei Fortuna Düsseldorf.