Kaum ist ein möglicher Vorstandskandidat des Mitgliederrats über die Medien bekannt geworden, schwappt eine kleine PR-Welle nicht nur durch die Gazetten, sondern auch durch das Müngersdorfer Stadion: „Wigger mit Markus und Tünn“ konnte man beim Spiel gegen Kiel auf einem großen Banner ohne Absender in der Kölner Südkurve lesen. Nicht im Bereich der Ultra-Gruppen, dort hängen nach wie vor „Vorstand raus“-Banner – wie schon seit Monaten. Sondern darüber, im Oberrang. Die Anhänger erzeugten so passenderweise ein Bild, das den Zustand des 1. FC Köln wunderbar widerspiegelt: Volle Ränge, wenig Einigkeit.
Was die Anhänger des Traditionsclubs noch zu verbinden scheint, ist die ungebrochene Treue, mit der man sich aller sportlichen und vereinspolitischen Katastrophen zum Trotz auch in der schnöden 2. Bundesliga ins Stadion schleppt. Die Stimmung mag hörbar gelitten haben – aber was will man nach dem vermutlich unnötigsten Abstieg der Geschichte auch erwarten? Die Loyalität des Anhangs scheint jedoch – unabhängig davon, hinter welchem der Banner er steht – überaus beständig zu sein.
Kölner Fans sind – mal wieder – gespalten
Mehr Gemeinsamkeiten als diese Hingabe, von der 99 Prozent aller anderen Vereine nach einer derartigen Talfahrt vermutlich nur träumen könnten, sind beim Kölner Anhang derzeit aber nicht wirklich zu finden. Die Fans der “Geißböcke” sind – mal wieder – gespalten und die Risse könnten bald noch offensichtlicher werden. Das Getöse rund um die Vorstandswahlen dürfte schließlich spätestens wenn der Mitgliederrat bei der Nominierung seines Vorstandsteams auf die beiden amtierenden Vize-Präsidenten Toni Schumacher und Markus Ritterbach verzichtet haben wird, noch einmal eine neue „Qualität“ erreichen.
Schon die Berichterstattung der letzten Tage führte dazu, dass sich der Mitgliederrat offenbar genötigt sah, über die offiziellen Clubkanäle zu erklären, dass man Schumacher und Ritterbach sehr wohl zum Gespräch gebeten habe, die beiden Vizepräsidenten jedoch abgelehnt hätten. Der Mythos, das Gremium habe mit „Tünn“, der Vereinslegende, gar nicht sprechen wollen, war im Presse-Geblubber entstanden. Und davon gab es durchaus einiges.
Im Unterrang der Südkurve prangt eine klare Botschaft | Foto: Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images
“Alt-Internationale” für Tünn, “Bild” für Bosbach
Mit Stephan Engels meldete sich ein „Alt-Internationaler“ mit kritischen Überlegungen zum Mitgliederrat zu Wort. Gleichwohl wird mit Wolfgang Bosbach ein plauderwilliger CDU-Hardliner, der, so macht es den Eindruck, als Kandidat des Springer Verlags ins Rennen gehen würde, das aber vermutlich erst zehn Interviews und drei Maischberger-Specials später aussprechen wird, unter der Mithilfe von Christoph Daum und der „Bild“-Zeitung als perfekter Präsident inszeniert. Das Boulevardblatt trommelt mächtig für den Politiker: „Jetzt kann der Mitgliederrat Bosbach als neuen FC-Boss vorschlagen“, heißt es da. Wie nett, dass die „Bild“-Zeitung dem Gremium ihre Erlaubnis gibt!
Als Kirsche auf der PR-Torte bezweifelte der „kicker“ schließlich zuvor bereits das Demokratieverständnis von Stefan Müller-Römer – eine zwar reichlich plumpe, aber in dieses Kumpelei-Orchester prima passende Missinterpretation der Worte des Interimsvorstands. Aber das ist alles nur Zufall, natürlich! Die Berichte, Interviews und Spruchbänder haben allerdings eine Gemeinsamkeit: Nirgendwo findet sich ein inhaltliches Argument, warum es dramatisch wäre, würde der Mitgliederrat weder die Vize-Präsidenten noch den angepriesenen Bosbach bei seiner Nominierung berücksichtigen.
Nichts konkretes weiß man also nicht. Der Wahlkampfauftakt richtet sich ans bloße „Jeföhl“ der Anhängerschaft. Der Toni, der Markus und der „Wobo“ – die gehören zum FC. Das ist die Geschichte, mehr nicht. Was das potentielle Vorstandstrio dem Verein aber konkret einbringen könnte, bleibt völlig unklar – bei Engels und Co. genauso wie in der „Bild“-Zeitung.
Qualkampf statt Wahlkampf?
Der Wahlkampf beim 1. FC Köln kommt also bereits, bevor das Mitgliederrats-Trio bekannt ist und die Vize-Präsidenten sich zur Kampfkandidatur bekannt hätten, auf einem wenig zielführenden Gefühlsduselei-Level an – Qualkampf statt Wahlkampf. Da kann man nur hoffen, dass die Kandidaten des Mitgliederrats nach ihrer Bekanntmachung der Auseinandersetzung mehr Inhalt abnötigen, als dieser Auftakt es befürchten lässt. Denn dieser Verein hat eine sachliche Debatte über die Zukunftsoptionen verdient, bloße Meriten-Vergleiche können das nicht bieten.
Andererseits: Sollte „Tünn gehört zum FC“ das einzige Argument der Unterstützer eines möglichen Trios aus Schumacher, Ritterbach und wem auch immer bleiben, dürfte das die Wahlentscheidung für mündige Mitglieder im September schlussendlich nur einfacher machen. Denn mit diesem „Trumpf“ könnte schließlich, bei allem Respekt, auch Hennes kandidieren.