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Meinung

Fritz Esser als neuer Mediendirektor: Schiebt bitte den richtigen ab, 1. FC Köln!

Der 1. FC Köln tritt mit der Verpflichtung des ehemaligen “Bild”-Journalisten Fritz Esser als neuen Mediendirektor tief ins Fettnäpfchen. Für die Verantwortlichen am Geißbockheim kann es nur noch darum gehen, den Imageschaden für den Verein in Grenzen zu halten – und von der Personalie Abstand zu nehmen.

Esser, Fritz
Foto: 1. FC Köln / Screenshots: twitter.com

Kommentar: Thomas Reinscheid, David Schmitz, Arne Steinberg

In der bunten Kalenderspruchwelt sogenannter Business-Ratgeber ist diese Binsenweisheit gesetzt: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, dann dürfte der 1. FC Köln und sein neuer Mediendirektor Fritz Esser ein gewaltiges Problem haben. Denn etwas mehr als 24 Stunden nach der Verkündung der Nachricht, dass die „Geißböcke“ nach monatelanger Suche einen Nachfolger für den geschassten Tobias Kaufmann gefunden haben, dürfte eindeutig festgestellt werden: Auf den ersten Eindruck haben die Verantwortlichen am Geißbockheim mit der Verpflichtung des einstigen „Bild“-Redakteurs keine Baustelle geschlossen, sondern gleich in klassisch kölscher Manier mehrere zusätzlich eröffnet.

Bereits wenige Minuten, nachdem der FC die Personalie auf der eigenen Homepage veröffentlicht hatte und die Meldung in den sozialen Netzwerke ihre Runde machte, taten sich bei der entsetzten Anhängerschaft Abgründe auf: Esser hatte nicht nur für die ungeliebte „Bild“-Zeitung gearbeitet, sondern als stellvertretender Ressortleiter des Bereichs Politik und Wirtschaft maßgeblich die Blattlinie mitgestaltet und mitgetragen. Kommentare zu Schutzsuchenden oder „Asylkriminalität“ in Deutschland und wohlwollende Einschätzungen zu AfD-Rednern. Darüber hinaus auf seinem Twitter-Account unter anderem zu finden: Seine fachkundige Einordnung von protestierenden FC-Fans als Schwachmaten. Kurzum: Ein erster Eindruck, der wenig Lust auf einen zweiten macht.

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Den 1. FC Köln bringen die Erkenntnisse, die kaum fünf Minuten oberflächliche Recherche zu Tage geführt hat, in arge Erklärungsnot: Entspricht ein ehemaliger „Bild“-Journalist mit solchen Ansichten den Werten, denen sich dieser Verein verschrieben hat? Ist ein Mediendirektor mit solchen Ansichten in politischer und sportpolitischer Hinsicht tragbar für diesen Club, der sich „Spürbar anders“ auf die Fahne geschrieben hat und bei jeder erstbesten Gelegenheit die eigene Charta ins Spiel bringt? Viele Fans haben eine eindeutige Meinung: Fritz Esser und der 1. FC Köln – das passt ganz und gar nicht zusammen. Dass die Vereinsverantwortlichen vom Ausmaß der Ablehnung ebenso überrascht sein sollen wie von den Abgründen der Äußerungen ihres neuen Medienchefs: Das passt wiederum in das Bild, das die „Geißböcke“ zu oft bei solch pikanten Personalien abgeben.

Große Fragen bezüglich des Auswahlprozesses

Es passt auch ins Bild, dass der FC offenbar die allzu offensive Verkündung des „Neuzugangs“ auf dem rechten Flügel scheute: Weder auf Twitter noch auf Facebook oder Instagram findet sich die Einstellung des neuen Kommunikationchefs, die die Medienabteilung anscheinend für zu heikel für die eigene Kanäle erachtete. Das wirft natürlich Fragen auf: Hatte der FC ob Essers „Bild“-Vergangenheit einen Shitstorm erwartet und wusste tatsächlich nicht um das darüber hinausgehende Skandal-Potenzial dieser Neubesetzung? Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass beim 1. FC Köln der Eindruck entstand, diese Personalie könnte rund um diesen Verein auf ein positiveres Echo stoßen? Wie weit sind die Verantwortlichen mittlerweile der Basis entrückt, um einer solchen Entscheidung ihre Zustimmung zu erteilen?

FC-Vorstand: Wettich, Wolf, Sauren | Foto: imago images / Herbert Bucco

Und es wirft natürlich große Fragen bezüglich des Auswahlprozesses auf, denn egal welchen Blick man auf diese Geschichte einnimmt, gereicht das weder dem Verein noch den erwählten Headhuntern zum Vorteil. Dem FC könnte beispielsweise die Vorgeschichte ihres neuen Mediendirektors nicht bekannt gewesen sein – das würde nicht für einen peniblen und professionellen Backgroundcheck sprechen, der für die Neubesetzung einer solchen Stelle eigentlich angebracht ist. Oder den Vereinsverantwortlichen waren die verbalen Ausfälle Esser wohlbekannt, sie waren ihnen aber entweder egal oder sogar recht. Keine der Interpretationen stellt besonders dem Vorstand der „Geißböcke“, der diese Personalie maßgeblich vorangetrieben hatte, ein sonderlich überzeugendes Zeugnis aus.

Der Flurschaden ist so oder so immens

Eigentlich bleibt dem Verein nur eine Option, um den längst entstandenen Imageschaden in Grenzen zu halten: Fritz Esser darf den Posten als Mediendirektor, den er am 1. Mai antreten soll, nicht bekleiden. Selbst ein Gang nach Canossa mit einer herzerweichenden Bitte um Entschuldigung dürfte angesichts des berechtigten Ärgers über die Personalie nicht mehr ausreichen, zumal es um die Glaubwürdigkeit nicht sonderlich gut bestellt sein dürfte. Wer den FC allerdings länger kennt, der befürchtet die übliche Herangehensweise: Gerade durch die fehlenden Fans im Stadion und den eng getakteten Spielplan könnten die „Geißböcke“ die aktuelle Situation dazu nutzen, das Problem möglichst unkommunikativ auszusitzen. Es wäre dem 1. FC Köln unwürdig – aber in diesen Sphären bewegen sich die Vereinsverantwortlichen mit dieser Entscheidung eh bereits.

Der Flurschaden ist derweil so oder so immens – ganz gleich, wie die Entscheidung über das Schicksal des neuen Mediendirektors auch ausfallen dürfte: Wieder einmal hat der Vorstand, der von Beginn der Amtszeit die geringen Erwartungen der eigenen Unterstützer enttäuscht, wichtige Teile der eigenen Anhängerschaft vor den Kopf gestoßen. Hatte bereits sowohl die eigentümliche Nähe zur „Bild“-Zeitung, die der Verein in der jüngeren Vergangenheit pflegte, als auch die allgemeine Medienstrategie des Präsidium für reichlich Kopfschütteln gesorgt, ist spätestens mit der Neubesetzung des Kommunikationschefs für das Gros der Fraktion, die 2019 für die Wahl von Wolf und Co. an die Spitze des Vereins gesorgt hatte, das Tischtuch endgültig zerschnitten. Die Hoffnungen auf einen Klimawandel rund um den 1. FC Köln sind letztlich verpufft. Schneller hat in der Geschichte des Vereins wohl selten jemand seine Befürworter verprellt.

FC-Vorstand schüttet Öl ins Feuer statt Gräben zu

Von „Gemeinsam gewinnen alle“ in nicht einmal 18 Monaten zur Verpflichtung eines Medienchefs, der Teile der eigenen Fans als „Schwachmaten“ bezeichnet. Plastischer kann niemand vor Augen geführt bekommen, wie sehr sich das aktuelle Präsidium von denen entfernt hat, die es in diese Position brachten. Statt Gräben zuzuschütten schüttet der Vorstand mit einer solchen Personalie Öl ins Feuer – ob ihnen das angesichts der anstehenden Aufgaben recht sein kann, sei der Fantasie der Beobachter überlassen. Dass viele Fans spätestens nach der Verkündung der Neubesetzung das hehre soziale Engagement des Vereins als Heuchelei empfinden, ist jedenfalls ein Kolleteralschaden, der dem FC noch weh tun dürfte. Dass sich manchem der Eindruck aufdrängt, der Club sei nach der Kumpelei mit dem ehemaligen Werteunion-Sprecher und AfD-Anwalt Ralf Höcker nun endgültig auf dem rechten Weg angekommen, dürfte dank der zumindest als naiv zu bezeichnenden Personalpolitik niemanden verwundern.

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Das letzte Wort dürfte hierbei allerdings noch nicht gesprochen sein, wenn die nahezu einhellig negative Meinung der eigenen Mitgliedschaft bis in die Führungsetage am Geißbockheim vordringt. Wo sich sonst in den sozialen Netzwerken über Aufstellungen, Leistungen und Transfers gefetzt wird, reagieren die Fans durch die Bank weg geschockt über diese Entscheidung. Wütende Wortmeldungen werden nahezu im Minutentakt ins Internet gestellt und auch per Mail an den Verein geschickt. Es ist überdeutlich: Fachlich hat sich der neue Medienchef, der nicht einmal im Vorfeld einer solch kritischen Kommunikation die eigenen Social-Media-Kanäle stubenrein bekommt, drei Monate vor dem Antritt bereits disqualifiziert. Charakterlich ist der ehemalige „Bild“-Journalist bereits wenige Stunden nach Bekanntgabe komplett desavouiert. Oder um es mit den Worten Alexander Wehrles zu sagen: „Fritz Esser passt hervorragend zu uns.“

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