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Analyse

Nach Mainz ist vor dem Derby: Trügerische Sicherheit bei den Comeback-Königen vom Rhein

Was nimmt der 1. FC Köln aus dem Remis in Mainz mit? Einen Punkt, der hochverdient war. Und die Erkenntnis, dass sich die “Geißböcke” langsam selbst belohnen müssen, wollen sie nicht in Probleme geraten. Unsere Analyse nach dem umkämpften 1:1 im Karnevalsduell.

Foto: Alex Grimm/Getty Images

Prägnanter als Jörg Jakobs ist die Situation beim 1. FC Köln wohl kaum zusammenzufassen. „Von der Leistung her ist das Glas halbvoll, vom Ergebnis halbleer“, sagte der Interimssportchef der „Geißböcke“ nach dem 1:1 beim 1. FSV Mainz 05 und traf damit im Anschluss an eine intensiv geführte Partie einen wunden Punkt. Wieder hatte die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart einen zufriedenstellenden Auftritt auf den Rasen gebracht, doch wieder konnte sie sich für diese Leistung nicht entsprechend mit Punkten belohnen. Ein Auswärtssieg, der erste in der laufenden Saison, er wäre für die Kölner angesichts der couragierten Darbietung mehr als nur verdient gewesen.

Besser als zur Halbzeit des Auswärtsspiels rheinaufwärts lässt sich das wohl kaum symbolisieren: Der FC diktierte die Partie nach wackligem Beginn, hatte die Mainzer in den ersten 45 Minuten kaum ins Spiel kommen lassen und spielte sich darüber hinaus einige Großchancen heraus. Ondrej Duda vergab vor leerem Tor, Luca Kilian köpfte nach Robin Zentners Patzer am verwaisten Kasten vorbei und Anthony Modeste scheiterte im direkten Duell am Mainzer Torwart. Stattdessen trafen die „Nullfünfer“ durch Jonathan Burkardt – und führten deshalb beim Seitenwechsel schmeichelhaft mit 1:0. Das am Ende für den FC dank Salih Özcans erstem Bundesliga-Tor dennoch ein Punkt heraussprang, spricht für die Moral der Mannschaft.

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Die Belohnung für den 1. FC Köln bleibt aus

Dass es aber nur der eine Zähler war, den die „Geißböcke“ aus Mainz entführen konnten, hatte sich das Team letztlich auch selbst zuzuschreiben. Gerade in der ersten Halbzeit ging der FC geradezu fahrlässig mit seinen Chancen um, neben den großen Möglichkeiten von Duda, Kilian und Modeste vergaben Baumgarts Schützlinge zusätzlich noch zahlreiche Umschaltgelegenheiten. Im letzten Drittel, das zeigte sich in Mainz einmal mehr, gehen den Kölnern häufig der Mut und die Geradlinigkeit verloren, der die Spielweise sonst so auszeichnet. Die Selbstverständlichkeit im Offensivspiel – sie fehlt dem FC mitunter. “Meine Jungs machen einen guten Job. Sie spielen mutig hinten heraus und erspielen sich Chancen”, lobt Steffen Baumgart, schiebt jedoch das “aber” direkt hinterher: “Wir müssen lernen, dass wir aus den sehr guten Möglichkeiten mehr Treffer erzielen

“Von der Leistung her ist das Glas halbvoll, vom Ergebnis halbleer.”

Die mittlerweile mangelhafte Chancenverwertung zeigt sich auch beim Blick auf die Statistik: Waren die „Geißböcke“ beim starken Saisonstart noch eins der Teams, die in Sachen xG-Werten klar über ihren Möglichkeiten agierten, ist dies nach zwölf Partien ins Gegenteil umgeschlagen. Mit einer Abschluss-Effizienz von -2,9 (also fast drei Tore weniger erzielt als erwartbar gewesen wäre) rangieren die Kölner in den offiziellen Bundesliga-Statistiken nur noch auf Platz elf. Und angesichts der engen Spielverläufe in dieser Saison hätten zwei, drei Treffer mehr in der Tabelle schon einen gewaltigen Unterschied machen können. Nicht umsonst hatte FC-Coach Steffen Baumgart schon öfters darauf hingewiesen, dass seine Mannschaft mehrfach die Gelegenheit hatte, eine Partie noch in den Schlussminuten für sich zu entscheiden.

Die letzte Konsequenz fehlt noch – vorne wie hinten

Es hätten, so ehrlich muss man sagen, aber auch einige Partien noch zuungunsten der Kölner kippen können, wenn es unglücklich läuft. Auch in Mainz hatten die Gastgeber ihre einzige richtige Druckphase in den Schlussminuten der Begegnung. Mit viel Einsatzwillen und einer sensationellen Grätsche von Luca Kilian brachte der FC das 1:1 allerdings über die Zeit. Eine Szene mit Symbolcharakter: Mit welcher Konsequenz und welcher Leidenschaft die Leihgabe der Rheinhessen den Gegentreffer zu verhindern wusste, zeigt auf, was es für die „Geißböcke“ braucht, um den Erfolg letztlich auf ihre Seite zwingen zu können. Welche Risiken die Baumgart’sche Spielweise birgt, ist hinlänglich bekannt – diesen unbedingten Willen braucht es dann auch in den entscheidenden Situationen, damit es auch mit der Belohnung klappt.

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Dennoch: Der Ritt auf der Rasierklinge ist nur bei höchster Konzentration und Konsequenz zu meistern. Mit 21 Gegentoren stellt der FC die viertschlechteste Defensive der Bundesliga, außer dem Pokalsieg in Stuttgart konnten die „Geißböcke“ noch kein Zu-Null-Spiel verbuchen. Es zeigt sich eindeutig: So wichtig die Spielkontrolle auch ist, entschieden werden die Partien in den Strafräumen auf beiden Seiten. Und da muss das Baumgart-Team noch ein kleinen Ticken zulegen, soll die verdiente Ernte für den immensen Aufwand eingefahren werden. Aber auch hier ist es vermutlich eine Frage der Kraft: Wer einen solch aufwändigen Spielstil auf den Platz bringt, dem fehlt es eventuell an der notwendigen Power in den entscheidenden Situationen. Die Balance zwischen An- und Entspannung: Ein Lerneffekt, den das Team noch zu bewältigen hat.

Auch die Trainerbank ist Teil des Spiels

Doch auch Steffen Baumgart dürfte das Mainz-Spiel eine Hausaufgabe gegeben haben: In der emotional geführten Partie mischten spätestens nach dem harten Einsteigen von Stefan Bell gegen Anthony Modeste, das zwingend mit Rot hätte bedacht werden müssen, auch die Trainerbänke munter mit. Unrühmlicher Höhepunkt: Nach etwa einer Stunde gingen sich beinahe Kevin McKenna und Babak Keyhanfar an die Gurgel, lieferten sich ein lautstarkes Wortgefecht über den 4. Offiziellen hinweg. Angeblich soll es sogar im Kabinentrakt zuvor zu Beleidigungen seitens des Kölner Co-Trainers gekommen sein, dies wird jedoch von FC-Seiten klar dementiert. Alles in allem war die Partie dadurch für einige Zeit unterbrochen, Schiedsrichter Aytekin und sein Gespann hatte alle Hände voll zu tun, die Streithähne zur Räson zu bringen.

Foto: Alex Grimm/Getty Images

Was im Nachgang ungeachtet der trotzigen Reaktion des Mainzer Trainers Bo Svensson eine kleine Randnotiz der Begegnung sein dürfte, hatte dennoch Auswirkung auf das Geschehen auf dem Platz: Hatte der FC das Momentum nach dem schnellen Ausgleich im Anschluss an den Seitenwechsel auf seiner Seite, war der Schwung spätestens nach der längeren Unterbrechung verpufft. Das Spielgeschehen wogte nun hin und her, war mehr von hoher Intensität denn von spielerischen Highlights geprägt. Die „Geißböcke“ hatten – auch durch die Umstellungen der Mainzer, die im Zuge der unfreiwilligen Pause wechselten – ein wenig den Zugriff auf die Partie verloren, suchten bis zum Abpfiff vergeblich nach dem verlorenen Faden. Auch das ist eine Erkenntnis: Der Einfluss von außen muss bei allem verständlichen Engagement nicht immer ausschließlich positiv sein.

Immer Rückstand geht nicht immer gut

Trotz dieses kleineren Scharmützels, das auch nicht überbewertet werden sollte, konnte der FC einmal mehr zeigen, dass sie die Comeback-Könige der Liga sind. Wieder einmal lagen die „Geißböcke“ zur Pause zurück, wieder einmal konnten die Kölner dennoch punkten. Die Moral, sie ist mehr als nur intakt, die Mannschaft glaubt an ihren Weg und vermag auch während der Spiele immer noch zuzulegen. Auch gegen Mainz ließ sich das Baumgart-Team durch den äußerst unglücklichen Rückstand nicht aus der Bahn werfen, glich nur kurz nach dem Seitenwechsel durch Salih Özcans erstes Bundesliga-Tor aus. Ein weiterer Beleg für die Nehmerqualitäten der Kölner: 14 von 18 Treffern erzielten die Kölner in der 2. Hälfte.

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Das spricht erstens natürlich für Fitness, Einstellung und Teamgeist der „Geißböcke“, zum anderen aber auch für Steffen Baumgarts In-Game-Coaching. Die Mannschaft schafft es, kleinere Anpassungen vorzunehmen und den eigenen Plan konsequent umzusetzen. Dennoch bleibt auch das ständige Hinterherlaufen ein Vabanquespiel: Immer Rückstand, das kann auch für den neuen 1. FC Köln mit all seiner Wucht, mit all seinem Willen und seiner Durchschlagskraft nicht immer gut gehen. Gerade wenn offensiv die Rädchen noch nicht ineinandergreifen und die Qualität im Abwehrverbund nicht ausreichend ist, um sich darauf verlassen zu können, hinten dicht zu halten. Aber: Es ist insbesondere im Vergleich zur Vorsaison Jammern auf höherem Niveau, wenn es der FC doch in steter Regelmäßigkeit schafft, Rückschläge nicht zu Niederschläge werden zu lassen.

Kommen die Ergebnisse oder passen sich die Leistungen an?

Denn gerade vor dem Derby gegen Borussia Mönchengladbach, das den Startschuss für den Jahresendspurt gibt, stehen die „Geißböcke“ in der Tabelle solide da. Auch wenn im Vergleich zu den Leistungen wohl einige Punkte fehlen: Auf der Statistikseite understat.com wird der FC beispielsweise mit etwa zwei Punkte zu wenig notiert. Die entscheidende Frage dürfte nun werden, ob die Mannschaft den Glauben an die Spielweise weiter aufrechterhalten kann oder ob sich Zweifel einschleichen in das fragile Gebilde des neuen 1. FC Köln. Kommen die Ergebnisse, die die kraftraubende Spielweise und das mutige Auftreten eigentlich verdient hätten, oder passen sich die Leistungen peu a peu der Durststrecke an? Die Sicherheit jedenfalls, dass es schon irgendwann klappen wird, wenn man nur so weitermacht, kann trügerisch sein.

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Gegen den rheinischen Rivalen aus Mönchengladbach dürfte es einen ersten Fingerzeig geben. Auswärts konnten die „Fohlen“ noch nicht überzeugen, während der FC im eigenen Stadion bisher ungeschlagen ist. Auch wenn sich Quervergleiche über Spiele hinweg eigentlich verbieten: In Mainz sahen die Kölner trotz gleichem Endergebnis deutlich besser aus, dominierten die „Nullfünfer“ über weiten Strecken. Die Borussia dagegen tat sich bei den Rheinhessen sehr schwer, hatte trotz überraschender Führung Glück, am Ende einen Zähler mitzunehmen. Doch es wird am kommenden Samstag ein ganz anderes Spiel werden, das Derby hat (drei Euro ins Phrasenschwein) so seine eigenen Gesetze. Vielleicht lautet eins diesmal, dass sich der FC für seine starken Leistungen endlich belohnt hat.

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