Der sechste Abstieg des 1. FC Köln aus der Bundesliga ist vor allem die Folge von gravierenden Fehlentwicklungen im Club. Waren wir alle zu selbstbesoffen, zu unkritisch? Ein Kommentar von Gastautor Ralf Friedrichs.
Der 1. FC Köln hat am Wochenende den Abstieg Nummer sechs eingetütet. Die 2:3-Niederlage in Freiburg, wo der effzeh aus Tradition eh nur zum Punkte abgeben hinfährt, besiegelte das, was im Prinzip bereits seit vielen Monaten klar war. Die zweite Liga darf sich somit erneut auf ein echtes „Brett“ freuen, zumindest was die reine Größe des Vereins angeht. Denn der 1. FC Köln steht, was die Mitgliederanzahl (101.000) bezüglich reiner Fußballvereine angeht, auf Platz 15, wohlgemerkt weltweit! Mannschaften wie Real Madrid (92.000), Mönchengladbach (83.000) und der angeblich so große HSV (78.000) müssen sich dahinter einreihen.
In Deutschland ist der Effzeh die Nummer vier: Die Bayern als die weltweite Nummer 1 thronen mit 290.000 Mitgliedern vor den Ruhrpott Vereinen aus Dortmund (153.000) und Schalke (150.000). Da aber die Münchner im Prinzip ein ganzes Bundesland wie Bayern schon laut Namen repräsentieren und der BVB und S04 ganze Regionen und Städte im Ruhrgebiet für sich vereinnahmen, ist der FC – trotz ebenso der Einbindung eines gewissen Umkreises – unter den Stadtvereinen so etwas wie die heimliche Nummer 1.
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Doch wie man wieder einmal erkennen kann, steht die reine Größe nicht automatisch für Stärke. Denn all die vielen Mitglieder verhindern keineswegs sportliche Fehlentwicklungen oder falsche Entscheidungen von Funktionsträgern. Sie haben generell wenig Einfluss auf die Geschicke des Vereins. Dies, obwohl es einen Mitgliederrat gibt, der aber von den Vereinsbossen nicht allzu ernst genommen wird, so zumindest die Eindrücke der letzten 24 Monate. Denn dieser Mitgliederrat äußert sich kritisch, etwas was in Köln seit geraumer Zeit nicht gern gesehen wird.
Destruktive Kritik will kein Mensch
Generell hat der 1. FC Köln in den letzten Jahren eine neue Strategie entwickelt, die sich zunächst auch sehr gut anhört. Kritik an den Entscheidern bringt Unruhe und Unruhe schadet, Unruhe ist schlecht. Wenn Unruhe im Umfeld droht, wenn Kritik geäußert wird, dann ist aus dem Geißbockheim sehr schnell der Vorwurf der negativen Einflussnahme zu hören. Unruhe stört die nachhaltige Arbeit, von außen reingetragene Störfeuer verunsichern Mannschaft, Trainer und Manager. So etwas darf nicht sein und es wird gegeißelt, bereits im Ansatz erstickt. So weit, so richtig.
Aber nur dann, wenn es sich um destruktive Kritik handelt, wenn tatsächlich negative Gedanken nur um des negativen Gedanken willens in den Verein hereingetragen werden. Dann hat der Verein und mit ihm seine Führungspersönlichkeiten sogar die Pflicht „dazwischenzuschlagen“ und für Ruhe zu sorgen. Hierbei hat der effzeh aber in letzter Zeit die Maßeinheiten neu definiert und sich dabei keinen Gefallen getan. Denn es ist etwas entstanden, was niemals passieren darf: eine fast schon keimfreie Wohlfühloase.
Von Rücksichtnahme zur Wohlfühloase?
In der Vergangenheit konnte man in der Tat Einflüsse aus dem Umfeld für Fehlentwicklungen verantwortlich machen. Vor dem Abstieg 2012 war der 1. FC Köln quasi Freiwild für die Medien, ähnlich wie heute der HSV behandelt wird, so wurde auch der FC als Chaosverein ohne jegliche Kompetenz gesehen und beschrieben. Auch wenn es in der Tat erhebliche Irrtümer und Fehlleistungen zu bestaunen gab, die Medien feuerten aus allen Rohren und übertrieben es sicher das eine oder andere Mal dabei. Nach dem Abstieg 2012 stand der Verein kurz vor der Insolvenz, quasi vor rauchenden Ruinen. Die berühmte „schwarze Wand“ von Müngersdorf, die es im letzten Heimspiel gegen Bayern München zu sehen gab, symbolisierte dies.
Nach diesem Abstieg, dieser „Stunde null“ des Vereins, machte sich die noch frische Vorstandscrew um Werner Spinner ans Werk und baute den Verein wieder neu auf. Unterstützt wurden sie dabei vom „Umfeld“, der Fan gab eine überlebenswichtige Anleihe, die Mitglieder wurden zahlreicher und die Medien wurden zahmer und rücksichtsvoller. Es schien eine stillschweigende Übereinkunft zu herrschen, denn so gut wie alle Artikel waren wohlwollend. Es herrschte eine fast schon kollegiale Zusammenarbeit zwischen Verein und Medien.
Eine Zeitlang war alles perfekt, fast alles …
Dies war kein Wunder, denn der Club traf viele gute Entscheidungen. Nach einem einjährigen Intermezzo von Holger Stanislawski fanden die Verantwortlichen in Peter Stöger den idealen, ja fast schon perfekten effzeh-Trainer. Dieser hatte mit einer auf Sicherheit und Defensivstärke basierenden Spielweise ein passendes Fundament für ein eher durchschnittliches Team gefunden, welches vom neuen starken Mann am Geißbockheim, Jörg Schmadtke, mit der Zeit verstärkt wurde. Spieler wie unter anderem Anthony Modeste, Dominique Heintz und Leo Bittencourt fanden den Weg in den Kölner Grüngürtel.
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1. FC Köln zunehmend zu kritikresistenter Arroganz