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Meinung

Kommentar zur Gesamtsituation des 1. FC Köln: Mut zur konstruktiven „Unruhe“

Der sechste Abstieg des 1. FC Köln aus der Bundesliga ist vor allem die Folge von gravierenden Fehlentwicklungen im Club. Waren wir alle zu selbstbesoffen, zu unkritisch? Ein Kommentar von Gastautor Ralf Friedrichs.

COLOGNE, GERMANY - FEBRUARY 17: Jonas Hector of Koeln reacts during the Bundesliga match between 1. FC Koeln and Hannover 96 at RheinEnergieStadion on February 17, 2018 in Cologne, Germany. (Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Es war alles gut beim effzeh, der Aufstieg gelang und zwei Jahre lang hatte man mit dem Abstieg rein gar nichts zu tun. Allerdings gab es Anlass zu ersten Kritik, denn die Spielweise der Geißböcke war zum Großteil unattraktiv. Ein 0:0 war dem Trainer lieber als die Gefahr, am Ende noch einmal ausgekontert zu werden. Erste, zarte Kritik an dieser Spielweise wurde aber derb gekontert. Von einer zu hohen Erwartungshaltung war dann schnell die Rede, von Unruhe, die von außen reingetragen werde und so weiter. Und die breite Masse gab den Vereinsoffiziellen Recht. Dabei war es schon diskussionswürdig, warum in Minute 75 dann doch wieder ein weiterer Innenverteidiger eingewechselt wurde, wenn doch der Gegner nicht gerade Angst und Schrecken verbreitete.

Man muss dazu sagen, dass diese Kritik neu war, denn im Prinzip hatte es zunächst lokal, dann aber auch überregional Lobeshymnen der Medien gegeben. Und dies tat allen gut, nach Jahren voll triefendem Hohn und Spott wurde der FC nun landesweit über den grünen Klee gelobt. Als die Süddeutsche den FC mit einem schwäbischen Musterverein verglich, war dies einem Ritterschlag gleichzusetzen. Die sogenannten „Leitmedien“ feierten den FC, der auf einmal so sympathisch auftrat. Der charmant-humorvolle Wiener Peter Stöger, der bärbeißig-brummelige Düsseldorfer Jörg Schmadtke, der seriöse Ex-Bayer Vorstand Werner Spinner, der jecke aber irgendwie geläuterte Toni „Tünn“ Schumacher, … sie alle wurden regelrecht gefeiert. Auf allen Sportseiten und auf allen TV-Kanälen.

Das neue Credo des FC: Schmadtkes „Ruhiiiig bleiben“

Wie und wo wollte man etwas kritisieren? Es war doch alle prima … und sollten die Fans einmal etwas zu euphorisch werden, dann wurde Schmadtkes „Ruhiiiig bleiben“ Video entgegengesetzt. Überhaupt wurde dieses „Ruhiiiig bleiben“ zum neuen Credo vieler effzeh-Fans. „Bloß keine Unruhe aufkommen lassen, Unruhe hat uns 2012 fast kaputt gemacht.“ Diskussionen wurden somit schwieriger, im Umfeld und medial. Offizielle Fanabende wurden zu reinen Jubel-Veranstaltungen, die Mitgliederversammlung ebenso. Diskussionen um eventuelle Verbesserungsoptionen auf diversen Ebenen wurden nicht toleriert.

Der Verein wurde generell restriktiver gegenüber leicht geübter Kritik. Der Autor dieser Zeilen hat dies auch einige Male bei Talkabenden rund um den FC-Stammtisch gespürt. Kritik an der Spielweise? „Man muss doch bedenken, wo wir herkommen.“ Kritik an der Spielidee, die sich im Prinzip seit Jahren nicht änderte, also lange Bälle auf Ujah, später Modeste … sie wurde niedergebügelt. Erste, sehr berechtigte Kritik an der Transferpolitik, bereits im Sommer 2016 … „also bitte, keine Unruhe.“

Reizklima kann förderlich sein

Man kann folgende These aufstellen: Die Verantwortlichen im Geißbockheim hatten sich an die Lobesarien gewöhnt, sie wirkten mit der Zeit der Realität entrückt und sie fühlten sich fatalerweise auch noch bestätigt, als der 1. FC Köln den fünften Platz und damit erstmals nach 25 Jahren die Rückkehr in den Europapokal schaffte. Dabei war dieser Erfolg unter anderem auch der „Unruhe“ zu verdanken. Mit einem zu dieser Zeit mutigen Artikel im Express hatte Autor Alexander Haubrichs im Endspurt rund um diesen Platz im Europapokal für Furore gesorgt. Der effzeh hatte sich nach zwei äußerst peinlichen Niederlagen gegen Gladbach und in Augsburg fast schon selbst um alle Chancen gebracht, als dieser Artikel in der Tat für „Unruhe“ sorgte.

COLOGNE, GERMANY - AUGUST 25: Peter Stoeger, coach of Koeln, (l) and Joerg Schmadtke, sporting director of Koeln, ahead of the Bundesliga match between 1. FC Koeln and Hamburger SV at RheinEnergieStadion on August 25, 2017 in Cologne, Germany. (Photo by Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

Denn dieser Text nannte real existierende Missstände, die Kritikern, die es durchaus gab, schon lange bekannt waren. Im Verein war man, gelinde gesagt, stinksauer und ließ dies den Autor auch deutlich spüren. Aber, es war ein Reizklima geschaffen worden. Kurzfristig bestand eben keine Wohlfühloase mehr, die Mannschaft steigerte sich nun im Endspurt im erheblichen Maße. Schon im nächsten Spiel gegen Hoffenheim sah man eine ganz andere Mannschaft, die nur durch ein unglücklich, spätes Gegentor den Sieg verpasste. Aber sie sah anders aus, als in den Vorwochen. Eventuell ist ein Reizklima zur passenden Zeit doch nicht leistungsschwächend. Es führte den FC dann tatsächlich, mit etwas Glück, nach Europa.

Kritik kann und soll eben konstruktiv sein. Sie ist nicht automatisch negativ. Sie muss immer begründet sein, die Argumente müssen passen … und das Gegenüber muss diese Kritik annehmen und sich damit auseinandersetzen. Dann kann Kritik viel bewirken. Es ist im Grunde nichts anderes, als in der Familie. Jeder liebt seine Kinder, aber ohne Kritik kommen Kinder kaum weiter. Dies gilt auch im umgekehrten Fall, wenn zumeist bereits größere Söhne und Töchter an ihren Eltern Kritik üben. Dann muss man sich als Elternteil damit auseinandersetzen, auch wenn es einem nicht immer passt.

Kritikresistenz und Arroganz erobern das Geißbockheim

Beim 1. FC Köln war diese Einsicht mehr und mehr verloren gegangen, so wirkte es jedenfalls. In der Sommerpause 2017 jedenfalls wurde immer klarer, dass die zuvor extrem erfolgreichen und gut arbeitenden Führungskräfte im Geißbockheim komplett das Maß verloren hatten. Präsident Werner Spinner griff vehement die Mitgliederinitiative „100% FC“ an, die nichts anderes wollte, als seriös und ergebnisoffen über einen veränderten Satzungsentwurf zu diskutieren. Es war der Präsident, der „Lunten“ legte, nicht die Initiative. In diversen Interviews wurden weiterhin Kritiker der China-Pläne des FC verbal niedergebürstet. Die katholische Kirche nahm Spinner in einem Interview ins Gebet, „sie solle doch vom FC lernen“.

Spinner Schumacher

Toni Schumacher und Werner Spinner | Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

All diese Auftritte und noch einige mehr kann man nicht mehr als selbstbewusst bezeichnen, sie zeigen eher eine Form der Arroganz. Eine Arroganz, die anscheinend auf immer stärker werdende Kritikresistenz basierte. Der Begriff vom „Elfenbeinturm“ machte in Fankreisen als Bezeichnung für die Chefetage die Runde. Dazu passen die auch immer wieder geäußerten Vorwürfe und die Missachtung des Mitgliederrats. Dieses Gremium repräsentiert über 101.000 weitere zahlende Angehörige des Vereins. Leute, die der 1. FC Köln dringend haben wollte, dafür kostspielige Werbekampagnen inszenieren ließ. Wenn man diese Menschen haben will, dann muss man deren Mitbestimmungsrechte ernst nehmen und das Gremium dazu ebenso. Auch wenn dem Vorstand eventuell der ein- oder andere Vertreter persönlich nicht passt oder deren Meinung. Damit hat man sich auseinanderzusetzen und nicht nach Gutsherrenart dem Gremium gegenüber zu agieren. Dieser Eindruck aber wird vermittelt.

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