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Meinung

Wirbel um China-Ausstieg des 1. FC Köln: Wirtschaft vs. Wahrheit

Die Wahrheit auszusprechen, kann nicht schlecht sein. China sollte lernen, damit klar zu kommen, bekommt stattdessen aber den Kniefall deutscher Anzugträger. Dabei sind die ohnehin machtlos. Eine kommentierende Analyse.

Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

Während man in China in ähnlicher aber weniger heftiger Manier auf die Worte Müller-Römers reagierte wie kurz zuvor auf die Kritik von Mesut Özil, stellte die klare Haltung des Kölner Mitgliederratschefs insbesondere die hiesige Bild-Zeitung vor eine geistige Herausforderung. Zunächst erklärte das Boulevardblatt Müller-Römer zum „Gewinner“ und begründete das mit den eindeutigen Worten zur chinesischen Diktatur. „BILD meint: Konsequenz auf kölsche Art!“ Einen Tag später war die Meinung in der Sportredaktion des Blattes dann plötzlich eine ganz andere: „Wie lange geht das noch gut?“, fragten sich die Autoren, warfen Müller-Römer „klubschädigendes Verhalten“ vor und lieferten dafür eine Liste von Verfehlungen – ganze zwei Punkte lang und wenig überzeugend.

Am Geißbockheim hat man Angst vor Chinas langem Arm

Am Geißbockheim selbst, so berichtet es die Süddeutsche Zeitung, sorgte man sich derweil noch am Freitag eindringlich um mögliche Konsequenzen – schließlich hatte man in China die nächste Partie des Arsenal FC nicht im TV übertragen, nachdem Özil, Spieler der Londoner, seine Kritik vorgetragen hatte. Dass der Wirbel der letzten Tage die „Expansion der Bundesliga auf dem asiatischen Markt“ gefährden könne, sei den Verantwortlichen „äußerst unangenehm“, weiß Philipp Selldorf also zu berichten.

Beim lokalen KStA sieht man die Sache unterdessen offenbar entspannter als FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle oder Werner Wolf. „Es ist gut zu wissen, dass es im Bundesliga-Umfeld Akteure gibt, die Mut zur persönlichen Haltung haben, selbst wenn es dafür Ärger gibt, weil der offizielle 1. FC Köln nicht immer so deutlich sagen kann, was er will“, resümiert Christian Löer. „Womöglich ist ein Mitglieder-Gremium sogar gerade für einen solchen Fall da.“

Der Wandel in China ist nicht wirklich sichtbar

Martin Schulz bemühte bei seiner Kritik am Kölner Ausstieg aus den China-Geschäften unterdessen auch den alten Slogan „Wandel durch Annäherung“ – vergaß dabei aber zum einen, dass es nicht die Aufgabe eines Fußballclubs ist, den politischen Handlanger für die vermeintliche gesellschaftspolitische Entwicklung anderer Staaten zu spielen. Und zum anderen, dass es Annäherung auch ohne Wandel geben kann – ein freiwilliges Engagement in einer Diktatur mit rein finanziellen Motiven klingt eher nach dieser Variante.

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Wandel ist aber ohnehin kaum sichtbar – bis heute nicht: Wie die Bangkok Post berichtet, wird elf Jahre nach den Olympischen Spielen in Peking die Diskussion über die Kritik von Özil in China „stark zensiert“. Doch so weit in die Ferne muss man gar nicht schauen, um die geringe Entwicklung auf Seiten der chinesischen Machthaber zu erkennen: Als der DFB im Jahre 2017 auf die Idee kam, den fußballerischen Größenwahn Pekings zu unterstützen, indem man die U20-Nationalmannschaft Chinas in der deutschen Regionalliga Südwest an den Start gehen ließ, scheiterte der krude Plan bereits nach einem Spiel – und zwar an China selbst.

Der Plan mit der chinesischen U20 scheiterte

Bei der Partie zwischen dem TSV Schott Mainz und der U20 Chinas entrollten einige Zuschauer Tibet-Fahnen auf den Tribünen – die Chinesen verließen beleidigt den Platz. Wenig später wurde die nächste Partie abgesagt, kurz darauf verständigte man sich mit dem chinesischen Fußballverband (CFA) darauf, die Freundschaftsspiele nicht weiter fortzuführen. Seitdem beschränke sich die Kooperation der Verbände auf „formellen und informellen Austausch“, soll aber auch nach dem aktuellen Wirbel plangemäß weiter bestehen, erklärte der DFB gegenüber dem Spiegel.

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Die im Zuge des U20-Fiaskos genauso wie bei den Konsequenzen der Özil-Kritik und auch bei der jetzigen Reaktion des chinesischen Außenministeriums auf die Worte Müller-Römers sichtbare Allergie gegen Meinungsfreiheit im „Reich der Mitte“ hat sich bisher offenbar nicht allzu sehr gewandelt. So liegt es ironischerweise am Ende eventuell gar nicht in den Händen von Werner Wolf, Alexander Wehrle, der DFL, Stefan Müller-Römer oder wem auch immer, ob der 1. FC Köln in Zukunft weitere Geschäfte in China machen wird.

Unterdrückung in China an der Tagesordnung

Mit der „Wilden Horde“ gehörte auch die größte Kölner Ultra-Gruppe zu den Kritikern des China-Engagements der „Geißböcke“. Sollte sich die gut sichtbare Kölner Südkurve eines Tages zu einer ähnlichen Aktion wie damals die paar wenigen Zuschauer beim TSV Schott Mainz entscheiden, dürften sich für die „Geißböcke“ angesichts der bisherigen Reaktionen Chinas ohnehin erst einmal alle Pläne im „Reich der Mitte“ erledigt haben – und so mancher sich dann doch wünschen, die TV-Sender in China hätten die Partie nicht übertragen.

Im Gegensatz zur deutschen Seite ist die Unterdrückung unerwünschter Meinungen für die chinesischen Partner nach wie vor kein großes Problem. Hierzulande sieht das anders aus: Meinungsfreiheit gilt in Deutschland schließlich für jeden. Für Mitgliederratsvorsitzende genauso wie für Fußballfans.

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