Ob Guardian, Bangkok Post, Global Times, Spiegel, oder Süddeutsche Zeitung, Martin Schulz oder chinesisches Außenministerium – der Ausstieg des 1. FC Köln aus seinem Engagement in China schlägt national wie international weiter hohe Wellen. Am Mittwochmorgen hatte der Kölner Stadtanzeiger zuerst berichtet, dass der Traditionsclub vom Rhein sein Engagement im „Reich der Mitte“ einstellen würde. FC-Präsident Werner Wolf erklärte den Schritt mit der prekären sportlichen Situation der „Geißböcke“ und dem Mangel an personellen Kapazitäten. Einst hatte der Bundesligist in einem Joint Venture mit BMW Brilliance angestrebt, eine Fußballschule in China zu betreiben. Rund 1,8 Mio. Euro hätte der Schritt nach Fernost dem Verein wohl fortan jährlich eingebracht. Auf diese Einnahmen verzichtet man am Rhein nun freiwillig.
Das allein hätte vermutlich bereits für Aufmerksamkeit gereicht: China und sein Engagement im Fußball standen durch die Kritik von Ex-Nationalspieler Mesut Özil am Schweigen muslimischer Länder zur Unterdrückung der Volksgruppe der Uiguren ohnehin bereits im Blickfeld internationaler Medien. Dass Stefan Müller-Römer, der Vorsitzende des Mitgliederrats des 1. FC Köln, es nicht bei der ohnehin wenig überzeugenden Erklärung des Vereinspräsidenten beließ, sondern ebenfalls im KStA mit deutlichen Worten erklärte, welche Gründe für ihn maßgeblich für den Entschluss waren, feuerte die Berichterstattung aber erst so richtig an.
Zuspruch von außen, Stress von innen
„Als gemeinnütziger Verein, der sich sozial engagiert, können wir eine so totalitäre und brutale Diktatur nicht unterstützen“, erklärte der 51-Jährige. Ein Engagement in einem Land, das den „totalen Überwachungsstaat“ aufbaue und die Menschenrechte in massiver Form missachte, könne für einen Club wie den 1. FC Köln keine Option sein.
Während der der FC zunächst von vielen Fans in der Heimat Zuspruch und von den ersten internationalen Medien große Aufmerksamkeit für die Entscheidung bekam, sorgten die Worte des Mitgliederratsvorsitzenden im Hintergrund offenbar für einige Missstimmungen. Wie der Express berichtet, suchte die DFL prompt den Kontakt zu Werner Wolf. Auch innerhalb des Clubs sorgten die deutlichen Worte für Unruhe, allen voran wohl bei Geschäftsführer Alexander Wehrle – zusammen mit Ex-Präsident Spinner der Urheber der Kölner Fernost-Bestrebungen. Dabei war die Sichtweise Müller-Römers kein Geheimnis.
Müller-Römers Meinung war schon vorher bekannt
Bereits im September 2017 hatte der Mitgliederratsvorsitzende im Gespräch mit effzeh.com deutlich Position bezogen: „Ich stehe jeder Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen oder gar Regierungsstellen sehr skeptisch gegenüber. Da ist mein Standpunkt klar: Das ist eine Diktatur“, erklärte Müller-Römer damals bereits. „Nicht umsonst bewerben sich seit jeher gerade Diktaturen um Großevents wie die Olympischen Spiele, um sich selbst ein tolles Image zu verpassen.“ Das sei auch bei den Sommerspielen im Jahr 2008 in Peking der Fall gewesen. „Da wurde auch vorher erzählt, dass China sich dadurch weiter öffnen würde. Genau das Gegenteil ist passiert.“
Stefan Müller-Römer | Foto: Sebastian Bahr
Der Kölner Mitgliederrat – geschaffen, um die Interessen der Mitglieder im Club zu vertreten – und federführend Müller-Römer setzen sich innerhalb des Vereins spätestens seitdem für den Ausstieg aus den Geschäften mit China ein. Während der Jurist nach dem Rücktritt Werner Spinners als Interimspräsident fungierte, stoppte er dann konsequenterweise auch schnellstmöglich alle Bestrebungen des Clubs in dieser Richtung.
Klarstellung des Vereins wirft Müller-Römer vor den Bus
Dass der Kölner Stadt-Anzeiger auf die Idee kommen würde, Müller-Römer zum Thema zu befragen, war also keine Überraschung. Welche Beweggründe der 51-Jährige dabei anführen würde ebenfalls nicht. Auch Werner Wolf dürfte keinesfalls inhaltlich von den Worten seines Club-Kollegen überrascht gewesen sein – der jetzige Präsident ist wie Müller-Römer schon lange mit dem Club und seinen handelnden Personen vertraut.
Trotzdem meldete sich der Vereinschef noch am Mittwochabend mit einer schnell aufgesetzten „Klarstellung“ auf der Website des 1. FC Köln zu Wort – mit einem Kniefall vor den DFL-Interessen warf der Präsident seinen Kollegen öffentlich vor den Bus. „Die unabgestimmten Äußerungen von Stefan Müller-Römer geben ausschließlich seine private Meinung wieder und entsprechen nicht der offiziellen Haltung des 1. FC Köln“, ließ sich der Präsident zitieren und fügte an: „Der FC steht zu seinen demokratischen Werten ebenso wie zum internationalen Dialog.“ Ein Satz, der wenig Spielraum lässt: Der Club steht dazu, im Zweifel auch mit Diktatoren zu kuscheln. Der Ausstieg aus dem Projekt, die Fußballakademie in China aufzubauen, habe aber natürlich nur mit „dem Bündeln von Ressourcen und dem Setzen von Prioritäten zu tun.“
China reagiert auf die Äußerungen aus Köln
Aufhalten konnte das schamlos auf harmlos getrimmte Business-Deutsch des Präsidenten da allerdings bereits nicht mehr – auch, weil der Club das Engagement nun tatsächlich beendet hatte. Während sich auf nationaler Ebene Edelfan, ehemaliges FC-Gremienmitglied und einstiger SPD-Vorsitzender Martin Schulz in die Debatte einschaltete, mit seiner Grundannahme, Müller-Römer habe China mit seinen Worten beeindrucken wollen, das Thema jedoch grob verfehlte, reagierten sogar die Machthaber im „Reich der Mitte“ auf die Vorgänge im fernen Köln. „Die Wortes des Deutschen sind Unsinn“, wird Geng Shuang, Sprecher des Außenministeriums, in chinesischen Medien zitiert. Zuvor sei er bei seiner routinemäßigen Pressekonferenz zum Kölner Ausstieg aus dem „Sport-Kooperationsprojekt“ befragt worden, heißt es bei Global Times, einer englischsprachigen, parteinahen Zeitung.
Auf der nächsten Seite: Warum Meinungsfreiheit nicht nur in Deutschland ein gewichtiges Gut ist