Das dramatische 3:4 gegen Freiburg hat den Traum von Klassenerhalt endgültig platzen lassen. Die Probleme liegen jedoch deutlich tiefer, wie auch der Brief des effzeh-Vorstands zeigt.
Sportlich scheint die Messe für den 1. FC Köln gelesen zu sein: Nach der 4:3-Heimpleite gegen die direkte Konkurrenz aus Freiburg erscheint ein Kölner Klassenerhalt komplett utopisch. Doch das ist nur das offensichtlichste Problem des Traditionsclubs. Dass Werner Spinner am Sonntagnachmittag zusammen mit seinen Vorstands-Kollegen Toni Schumacher und Markus Ritterbach einen Brief an die Kölner Fans veröffentlichen ließ, zeigt bereits: Die Not ist groß am Rhein. Nach der erneuten Heimpleite wurde der einigste Erfolgsvorstand der „Geißböcke“ erstmals von den eigenen Anhänger angezählt. „Vorstand raus!“ schallte es nach Spielende aus der Südkurve.
Seit Dienstbeginn Spinners hatte es so etwas in Köln nicht mehr gegeben. Klar ist: Nach einem sportlichen Desaster, wie es der FC in dieser Saison erlebt, wäre der Unmut wohl überall und gegenüber jeder Vereinsführung der Welt spürbar. Doch der sportliche Niedergang scheint nur auf den ersten Blick das Kernproblem des Vereins zu sein. Natürlich sorgt der nahezu feststehende Abstieg für viel Missmut bei den Anhängern. Doch im Grunde ist der Kölner an sportliche Rückschläge gewohnt. Für den FC wäre es bereits der sechste Abstieg, immer kamen die „Geißböcke“ relativ schnell wieder nach oben. Dass das Vertrauen in die Clubführung derartig gering ist, hat also nur auf den ersten Blick etwas mit der fußballerischen Krise zu tun. Es ist vielmehr das Verhalten von Spinner, Schumacher und Co., das viele Kölner Anhänger nicht mehr an Erfolg unter dem in der Vergangenheit gefeierten Trio glauben lässt.
Hochmut kommt auch beim 1. FC Köln vor dem Fall
Denn während im Sommer der Streit zwischen Ex-Manager Jörg Schmadtke und Ex-Trainer Peter Stöger immer weiter hochkochte, beschäftigte sich der Kölner Vorstand lieber mit anderen Themen. Da waren die Kölner Bestrebungen, sich in China einen Namen machen zu wollen – der Präsident zeigte vollstes Engagement und bedachte Kritiker maximal mit arroganten Pseudo-Belehrungen, die argumentativ nie über ein „Geht mir nicht auf die Nerven“ hinaus kamen. Dann war da der Eiertanz um die Stadionfrage. Auch hier zeigte der Vorstand viel Engagement und hielt die Option „Neubau“ stets offen. Es war teilweise nicht schwer, den Eindruck zu bekommen, dass der Neubau einer modernen Arena irgendwo im Umland Kölns bei der Vereinsführung die heimliche Lieblingslösung sein könnte. Immer wieder betonte man zwar, dass der Standort in Müngersdorf geschichtsträchtig sei, aber ein echtes Bekenntnis, das viele Anhänger des Vereins erwarteten hätten, alles dafür zu tun, dass der Verein auch in Zukunft an altbekannter Stelle seine Spiele austragen wird, gab es vom Vorstand nie.
Und dann war da die Mitgliederinitiative „100% FC“, die erwirken wollte, dass die Vereinsführung auch Anteile unter 25 Prozent nicht ohne Zustimmung der Mitglieder veräußern darf. Und Spinner führte sich auf wie ein Sonnengott, der sich mit der lästigen Kritik des Pöbels rumschlagen müsse. Dass der Ex-Bayer-Manager es dann auf der Mitgliederversammlung der Kölner es auch noch wagte, Vergleiche mit dem FC Bayern und der Allianz Arena zu ziehen, rundete den Eindruck des fortschreitenden Realitätsverlusts ab. Während der 1.FC Köln dank eines guten Trainers, schwacher Leistungen anderer, starker Leistungen der eigenen Mannschaft und einer ordentlichen Prise Glück erstmals seit 25 Jahren wieder in der insgesamt eher popeligen Europa League antreten durfte, bewegte sich der Vereinsvorstand schon in Champions-League-Sphären. Schließlich hatten die Kampagnen Erfolg gehabt und die 100.000-Mitglieder-Marke konnte geknackt werden.
Der Vorstand hat das Vertrauen nachhaltig verloren
Dass sich, wenn überhaupt, nur sehr, sehr wenige dieser Hunderttausend zur Mitgliedschaft entschlossen haben dürften, weil sie von einer Arena auf dem Acker, zweifelhaften Kooperationen mit Vertretern eines Landes, das die Menschenrechte weitestgehend missachtet, oder zahlungskräftigen Investoren beim FC träumen, scheint beim Präsidenten und seinen Kollegen jedoch nie so richtig angekommen zu sein. Die Kölner, das weiß man aus der Geschichte, haben kein Problem damit, zu verlieren. Oder abzusteigen. Schließlich kann man Aufstiege auch wunderbar feiern. Sie haben auch kein Problem damit, von den Bayern am Mittwoch richtig auf die Mütze zu bekommen. All das toleriert der Kölner Fan und hat das nachhaltig immer wieder bewiesen. Was der Kölner jedoch überhaupt nicht leiden kann, ist, wenn jemand aus dem Club etwas machen will, das er nicht ist.
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Dass der Vorstand nun in seinem Brief an die Fans eigene Fehler immerhin einräumt, ist daher zwar ein richtiger und wichtiger Schritt. Doch ob Spinner, Schumacher und Ritterbach erkannt haben, dass sie mehr Fehler gemacht haben, als nicht mitzubekommen, dass sich Stöger und Schmadtke schon am Ende der letzten Saison mit dem Arsch nicht mehr angeschaut haben? Die Themen Stadion, China und Investoren kommen in dem Brief des Vorstands nicht vor. Doch genau bei diesen, vom Verein eröffneten, Baustellen hat der Vorstand das Vertrauen der Mitglieder nachhaltig verloren – nicht in der sportlichen Krise. Ob Werner Spinner, der einst antrat, um den Club zu vereinen, dieses Vertrauen jemals wieder zurück erringen kann, scheint, zumindest solange die Vereinsführung an den Anliegen ihrer Anhänger vorbeiredet, eher unwahrscheinlich.
Offener Brief als Gang nach Canossa? Abwarten!
Die Wogen glätten konnte das zehn Minuten nach Spielende veröffentlichte Schreiben, das mit “Euch” beginnt und mit “Sie” endet, jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil: Viele Fans sahen in dem Brief einen verzweifelten Versuch, durch einen öffentlichen Gang nach Canossa den durchaus vorhandenen Bestrebungen einer Ablösung zuvor zu kommen. Auch das Nachtreten gegenüber der einst über den grünen Klee gelobten sportlichen Führung sorgte für Erstaunen. Auf den 1. FC Köln und dessen Vorstand kommen turbulente Zeiten zu, die zeigen werden, ob die Verantwortlichen tatsächlich begriffen haben, wie die Kritik an ihnen zustande kommt. Diese Reaktion wird entscheidend für eine Zukunft des Triumvirats am Geißbockheim sein. Brief hin, Brief her.