Fünf Spiele in Folge ohne Sieg: Dem effzeh fehlt momentan die Selbstverständlichkeit. Wir begeben uns auf Spurensuche!
Nein, die letzten Wochen werden nicht als die spektakulärsten in die effzeh-Geschichte eingehen. Nach dem Heimsieg gegen den VfL Wolfsburg Anfang Februar, dessen Entstehung jetzt auch nicht wirklich zum Zungeschnalzen war, folgten bisweilen sehr ernüchternde Spiele. Niederlagen in Hamburg, Freiburg, Leipzig und zuhause gegen München, dazu ein Unentschieden gegen Schalke. Und jetzt, am 24. Spieltag, ein 2:2 in Ingolstadt, mit dem man rein ergebnistechnisch schon zufrieden sein konnte, vom Auftreten her allerdings eher weniger. Der Tabellenvorletzte aus Ingolstadt erkämpfte sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Punkt gegen den Tabellensiebten aus Köln, der trotz der längeren Dürrephase auf diesem Rang verbleibt und nicht weiter abrutscht. So weit, so gut.
Nach dem Spiel griffen jedoch nicht nur in den sozialen Medien die üblichen Mechanismen, die nach weniger erfolgreichen Spielen immer zu beobachten sind. Die “Einstellung der Spieler” habe nicht gepasst, diese hätten “den Kampf gar nicht erst angenommen”. Es war sogar zu lesen, dass “der effzeh gar nicht nach Europa” wolle. Uff! Sicherlich kann man nach einem solchen Spiel als Fan frustriert sein, das steht außer Frage. Sich jedoch auf psychische Aspekte wie Einstellung und Kampf zu beziehen und dahingehend die Leistung erklären zu wollen, vernachlässigt jedoch vollends, was tatsächlich auf dem Platz beim Elf gegen Elf passiert. Und da, das muss man ehrlicherweise anerkennen, war der effzeh am Samstag weit von dem entfernt, was eigentlich möglich wäre. Das sahen auch die sportlich Verantwortlichen so.
Geringeres Niveau in Training und Spiel durch Verletzungssituation
Hilfreich ist es an dieser Stelle auch nicht, ständig über das Verletzungspech zu schwadronieren: Natürlich fehlen dem effzeh wichtige Spieler wie Risse oder Bittencourt, auch Horn und Lehmann waren erstmals seit langer Zeit wieder in der Startelf. Dass über einen solchen langen Zeitraum viele Spieler ausfallen und nicht trainieren können, bedingt natürlich auch die Trainingsqualität. Das Credo “Wie man trainiert, so spielt man auch” beschreibt, dass die Intensität und der Grad der Organisation im Idealfall sowohl unter der Woche als auch im Spiel am Wochenende gleich hoch sind. Dies lässt sich jedoch beim effzeh momentan leider nicht sicherstellen. Dies soll auch keine vollumfängliche Kritik an den Trainingsmethoden von Peter Stöger und Manfred Schmid sein, die beiden haben sich den Beginn des Kalenderjahres 2017 wahrscheinlich auch anders vorgestellt. Doch es muss ja einen Grund haben, dass eine Mannschaft wie Ingolstadt dem effzeh ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen war.
Die leistungsmäßige Konstanz einer Mannschaft wird in erster Linie dadurch bestimmt, dass Spieler auf Schlüsselpositionen über einen längeren Zeitraum miteinander spielen und sich so in mannschaftstaktischer aber auch gruppentaktischer Hinsicht selbstverständliche Automatismen entwickeln, die man zwar im Training simulieren, unter Stress allerdings nur in Spielen begutachten kann. Das sogenannte “Herz” einer Mannschaft besteht aus dem Torhüter, der Abwehr- und der Mittelfeldzentrale. In diesem Bereich wird eine Mannschaft organisiert und zur Kompaktheit gerufen. Gleichermaßen werden davon ausgehend Pressingaktionen und -intensitäten koordiniert. Sofern ein Trainer in jedem Spiel dazu gezwungen ist, diese Schlüsselpositionen mit anderen Spielern zu besetzen, kann sich also diese Selbstverständlichkeit nicht entwickeln. Läuft es für eine Mannschaft positiv, ist von einer hohen Leistungsdichte die Rede, auch die Flexibilität der Mannschaft wird gelobt. Läuft es allerdings über längere Phasen eher nicht so gut, muss man trotzdem auf Spurensuche gehen.
Taktische Überlegungen oder personelle Zwänge?
In den bisherigen neun Spielen in dieser Saison schickte Peter Stöger auf den entscheidenden Positionen in Abwehr und Mittelfeld sechs bzw. vier verschiedene Formationen ins Rennen, was nicht sonderlich für eine große Konstanz spricht. Bedingt durch Gelbsperren, taktische Zwänge und auch Verletzungen war es also selten der Fall, dass in zwei aufeinanderfolgenden Spielen dieselbe Aufstellung beim effzeh zu vermerken war. Wahr ist auch, dass die taktische Flexibilität des effzeh als großes Faustpfand gilt – dies geht allerdings nur solange, bis die taktischen Überlegungen von personellen Zwängen überlagert werden.
Umso wichtiger ist es dementsprechend, dass rechtzeitig für die letzten zehn Spiele der Saison zwei Leistungsträger zurückkehren. Mit Timo Horn und Matthias Lehmann verfügt der effzeh fortan wieder über zwei Konstanten, die seit Jahren für beständige Leistungen stehen. Dass beide allerdings nach ihren jeweiligen Verletzungen noch einen Moment Zeit brauchen werden, um wieder in Topform zu kommen, sollte ihnen allerdings schon zugestanden werden – bei allen Träumen von Europa.
Rückkehr der Leistungsträger zum richtigen Zeitpunkt
Timo Horns Rückkehr nach knapp vier Monaten und nur zwei Wochen torwartspezifischem Training kam bekanntermaßen etwas verfrüht, was natürlich keine Entschuldigung für seinen Fangfehler beim 2:2 sein soll. Fest steht aber, dass er als Leistungssportler noch nicht den Rhythmus haben kann, den er für kontinuierlich gute Leistungen braucht. Ähnlich gelagert ist die Situation bei Matthias Lehmann, der ebenfalls seit November ohne Spielpraxis war. Auf einer laufintensiven Position im defensiven Mittelfeld kommt ein solches Defizit natürlich vermehrt zum Tragen.
Wenn man nach einer solch langen Zeit zurückkehrt, stellt man sich naturgemäß viele Fragen, ob man schon wieder das erforderliche Leistungsniveau haben kann. Wenn die Mannschaft um einen herum dann nicht reibungslos funktioniert, ist es noch schwieriger. Dementsprechend lässt sich auch erklären, wieso der effzeh am Samstag kein gutes Spiel machte: unzureichende Zweikampfführung, fehlende Kompaktheit und darauf aufbauend eine ungenügende Passqualität waren auffallend. So kann man dann in der Bundesliga eben nicht gewinnen.
#Stöger: “Mit dem Punkt bin ich zufrieden, mit dem Spiel und unserem Auftritt bin ich es nicht.” #FCIKOE
— 1. FC Köln (@fckoeln) March 11, 2017
Vielleicht wäre es auch ratsam, zu überlegen, ob denn der effzeh wirklich ohne Bittencourt und Risse zu einer der besten sechs Mannschaften der Bundesliga gehört – offenkundig ist, dass beide nicht ersetzt werden können. Bittencourt ist wegen seiner Bedeutung für den Linksfokus im Offensivspiel nicht zu ersetzen, Risses hohe Qualität auf der rechten Seite beschwört teilweise aus dem Nichts Torgefahr herauf. Beide Faktoren fehlen dem Spiel des effzeh natürlich ungemein. Und klar ist auch, dass der effzeh für einen dreifachen Punktgewinn sehr nah an die Leistungsgrenze gehen muss. Gelingt dies nicht, spielt man eben auch mal Unentschieden beim Vorletzten. Dieser versteht es übrigens sehr gut, einen eigentlich überlegenen Gegner gut auf das eigene Niveau herunterzuziehen und in ein zweikampfintensives, fast unkontrollierbares Spiel zu verwickeln. Dies schafften die Schanzer bereits zuvor gegen Gladbach, Leipzig und sogar die großen Bayern.
Und wenn beim effzeh Leistungsträger wie Jonas Hector momentan ein wenig mit ihrer Form zu kämpfen haben und dementsprechend wenig Einfluss aufs Spiel nehmen können: Anthony Modeste ist immer da. Mit seinem Doppelpack stellte der Franzose zum x-ten Male seine große Bedeutung für den effzeh unter Beweis. Und solange er regelmäßig trifft, muss niemandem bange sein.