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Auswärtsspiel

Stuttgart-Experte Prechtl: “Saisonziel kann nur Klassenerhalt heißen”

Vor dem Spiel in Stuttgart sprachen wir mit einem VfB-Experten über den Saisonstart des Aufsteigers, Investoreneinstiege und die Bedeutung der Mitglieder.

Foto: DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

effzeh.com: Kommen wir zum Nicht-Sportlichen: Präsident Wolfgang Dietrich ist jetzt seit etwas mehr als einem Jahr im Amt. Er war dafür verantwortlich, dass die Fußballabteilung ausgegliedert wurde und 11,75 Prozent der Anteile an Daimler verkauft wurden. Der “Finanzplan” sieht vor, dass man in den kommenden Jahren weitere Anteile veräußern möchte, um den Rückstand auf die finanzstarken Teams der Bundesliga zu verringern. Wie stehst du zu dieser Entwicklung?

Prechtl: Ausgliederung kann man schon machen, keine Frage. Sauber ausgliedern mit offenen Karten, mit sauberen Strukturen, möglichst regional verwurzelten Investoren ohne Renditeziel, das wäre gut. Man sollte dabei die Mitglieder aber irgendwo mitnehmen. Schließlich sind sie ja die eigentlichen Besitzer eines Vereins. Da sag ich denen doch: Leute, wir haben hier drei Modelle. Einmal der Chinese, der will viel geben und viel Einfluss kriegen dafür. Dann haben wir die Heuschrecke, der gibt zwar noch mehr, aber der will Rendite machen. Und dann haben wir zum Beispiel den Daimler, der gibt zwar weniger, will aber auch weniger dafür haben.

“Der Fußball braucht die Fans”

Wir empfehlen dies und das, aber ihr entscheidet. Aber beim VfB wurde leider niemand mitgenommen, es gab keine Modelle, zwischen denen man sich entscheiden konnte, sondern es hieß: Friss oder stirb. Das finde ich schade. Denn der Fußball braucht die Fans. Und Mitglieder sind Fans. Und so schwierig die Kommunikation mit den Fans oft auch sein mag: Die Leute einfach wie Stimmvieh zu behandeln und ansonsten komplett abzuhängen ist kein gutes Konzept.

Wir haben Kontrollorgane, die überhaupt nichts kontrollieren können, weil ihnen jegliche Sportkompetenz fehlt.

effzeh.com: Auf deinem Blog schreibst du, dass man es in Stuttgart gut verstehe, “Konzepte hochzujubeln” – schwieriger sei es jedoch, “Konzepte durchzuziehen”. Was genau meinst du damit?

Prechtl: Naja, wir haben häufig Leute am Start, die ein großes Mundwerk haben und von Konzepten reden und nichts davon umsetzen. Robin Dutt zum Beispiel. Und wir haben Kontrollorgane, die überhaupt nichts kontrollieren können, weil ihnen jegliche Sportkompetenz fehlt. Die betreiben ihre Kontrollfunktion als Hobby. Trainer werden geholt, die kriegen ihre Wunschspieler, dann werden sie gefeuert. Beziehungsweise abgefunden. Junge Trainer wechseln sich ab mit alten Trainern. Hinten dicht, dann heißt es wieder “die Mitte ist der kürzeste Weg zum Tor“. Mal setzen wir auf junge Talente, dann fliegt der Sportvorstand, und sein Nachfolger holt die Opas von der Reschke-Rampe. Von den systematisch und nachhaltig ruinierten Nachwuchsbereichen gar nicht zu reden. Besonders ärgerlich: Die Region Stuttgart ist wahrscheinlich eine der reichsten Regionen des Universums. So viele starke Unternehmen, Global Player, Hidden Champions, seriöser Mittelstand zuhauf. Wenn da mal die richtigen Leute mit den richtigen Konzepten am Start wären beim VfB, was man da alles erreichen könnte…

effzeh.com: Hand aufs Herz: Sollte Dietrich bei der nächsten Mitgliederversammlung wiedergewählt werden?

Prechtl: Ich habe mich vehement gegen seine Wahl eingesetzt und diese Meinung bisher um keinen Deut geändert. Daher klares Nein.

Mittlerweile nicht mehr da: Jan Schindelmeiser | Foto: Thomas Niedermueller/Bongarts/Getty Images

Die Zukunft von Hannes Wolf ist alles andere als gewiss

effzeh.com: Ganz so unkritisch gegenüber Jan Schindelmeiser scheinst du ja ebenfalls nicht zu sein. Kannst du uns aufzeigen, welche Punkte du ihm vorwirfst? 

Prechtl: Schindelmeiser werfe ich vor allem vor, dass er Wolfgang Dietrich ins Amt geholfen und auch den Erfolg der Ausgliederung maßgeblich zu verantworten hat. Viele Unentschlossene haben sich vor allem wegen der Person Schindelmeiser zur Wahl Dietrichs und zum Ja zur Ausgliederung entschieden. Sein sportliches Konzept war ok bis zum Wiederaufstieg. Danach ist es schwierig zu beurteilen, weil er ja mitten in der Transferphase gefeuert wurde. Ich hatte die Befürchtung, dass er mit dem Zweitligakader voller Jungspunde in der ersten Liga bestehen wollte. Was fatal gewesen wäre. Aber wer weiß, vielleicht wollte er ja noch Erfahrung ins Team bringen, so wie sein Nachfolger Reschke das gemacht hat. Zu dem es auch ganz unterschiedliche Meinungen gibt…

effzeh.com: Und wie stehst du zu Trainer Hannes Wolf?

Prechtl: Hannes Wolf ist zunächst mal sehr sympathisch und scheint seinen Job gut zu machen. Allerdings sollte man ihn nicht allzu sehr für den Aufstieg feiern, denn das war die verdammte Pflicht aller Beteiligten. Und wenn wir jetzt noch ein paar Spiele verlieren, könnte es auch schon wieder vorbei sein mit der Ära Wolf beim VfB – da fackelt unser Präsident im Verbund mit seinem neuen Sportvorstand sicher nicht lange.

Entwicklung in Köln als “Blaupause” für den VfB

effzeh.com: Interessant sind die Parallelen zwischen Stuttgart und Köln: Während in Stuttgart trotz defekter Abstimmungsgeräte für eine Ausgliederung gestimmt wurde, wurde in Köln trotz defekter Abstimmungsgeräte der Antrag auf Satzungsänderung durch die Intiative “100 % FC – Dein Verein” durch die Mitglieder abgeschmettert. Hast du die Entwicklung in Köln verfolgt? Wenn ja, wie hast du sie eingeordnet?

Prechtl: Bislang war die Entwicklung beim effzeh für mich wie eine Blaupause für den VfB. Ihr habt es geschafft, die alte Truppe inklusive Vereinsikone Overath durch eine neue Führungsmannschaft mit Werner Spinner an der Spitze zu ersetzen, die sehr seriös gearbeitet hat, obwohl sie am Anfang auch mit Dreck beworfen wurde. Mit Alexander Wehrle ist ja quasi auch einer vom VfB maßgeblich dabei. Dann das Glück, mit Jörg Schmadtke einen sehr fähigen Mann zu haben, und Peter Stöger ist auch ein Guter. Seit der beim effzeh ist, hat der VfB schon neun Trainer gehabt. Das muss man sich mal vorstellen.

>>>Stöger, Schmadtke und die kölsche Krise: Über den Umgang mit Fehlern

Wie die Situation mit der Initiative „100% FC – Dein Verein“ jetzt so eskalieren konnte, das fällt mir schwer zu beurteilen. Nochmal: Es mag kompliziert sein, mit den Mitgliedern zu kommunizieren – aber es muss halt sein. Ohne allzu viele Details zu kennen denke ich, Herr Spinner hätte da diplomatischer vorgehen können, auch wenn das aus seiner Sicht alles höchst nervig gewesen sein mag. Dass aber für die Vereinsführung unbequeme Anträge von den Mitgliedern abgeschmettert werden, das ist leider normale Härte, das hatten wir beim VfB auch schon. Was mich verwundert hat: Angeblich sollt Ihr ein neues Stadion bekommen. Nun war ich zuletzt gegen Eintracht Frankfurt bei Euch im Stadion und fand das super. Stimmung ohnehin Spitzenklasse, aber das Stadion ist doch auch sehr schön. Warum also ein neues wollen?

Wie stark ist effzeh? “Kicken könnt ihr immer noch nicht”

effzeh.com: Während der VfB bereits sieben Punkte sammeln konnte, steht der effzeh mit nur einem Punkt auf Rang 18. Wie beurteilst du den Saisonstart des 1. FC Köln?

Prechtl: effzeh-Fans haben mir gesagt: Kicken konnten wir auch in den letzten Jahren nicht, aber da hat Modeste die Dinger halt rein gemacht. Und was ich im bisherigen Saisonverlauf so sehe – kicken könnt Ihr immer noch nicht, aber jetzt macht halt vorne keiner mehr die Dinger rein. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass Ihr da unten ein Stück weit raus kommt. Die Mannschaft kämpft bis zum Umfallen, der Trainer erreicht sie auch weiterhin. Es wird kein gutes Jahr werden, aber mit dem Kader ist auch nicht mehr drin als ein Platz irgendwo im Mittelfeld. Ruhe bewahren, weiter arbeiten ist angesagt. Und die Gerüchte, dass Stöger nach einer Niederlage in Stuttgart gehen muss, sind hoffentlich nur Gerüchte ohne jede Grundlage.

effzeh.com: Auswärtsspiele in Stuttgart war für die Kölner zuletzt immer eine angenehme Reise – was glaubst du, was sich am Freitag für ein Spiel entwickelt? Wie sieht dein Tipp aus?

Prechtl: Oje, das stimmt, gegen Köln hat der VfB zuhause nicht viel geholt. Ich befürchte ein unansehnliches Gegurke auf beiden Seiten, keiner will sich eine Blöße geben, Unentschieden. ich hoffe natürlich was anderes: Nämlich, dass wir Euch in einem rauschenden Spiel vier einschenken und drei Punkte holen. Danach drück ich Euch dann wieder die Daumen.

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