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Interviews

Stephan Schell: “Die hässliche Fratze des Fußballs steht nicht in der Kurve”

Stephan Schell setzt sich nicht nur für den 1. FC Köln, sondern auch für Fanbelange ein. Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir über die kommende Zeit ohne Profifußball, Protestaktionen und den Konflikt mit den Fußballverbänden.

Foto: Annalena Sänger

Die Empörungskurve war auf jeden Fall sehr hoch, nachdem Spiele wegen Beleidigungen unterbrochen wurden. War das ein bewusstes Ziel der Aktionen gegen Dietmar Hopp?

Es wurde über Jahre hinweg versucht, auf die Problematik mit sachlichen Mitteln aufmerksam zu machen. Dafür hat sich jedoch schlicht und ergreifend niemand interessiert. Ich denke nicht, dass Spielunterbrechungen von vornherein ein Ziel waren. Im Anschluss war es dann schon amüsant zu beobachten, wie öffentliche Wahrnehmung funktioniert. Grundsätzlich wollten sich aber auch viele einfach nicht von seinen massenhaften Anzeigen und seiner Selbstinszenierung unterkriegen lassen. Auf der Einbahnstraße der Selbstbeweihräucherung kann man sich schnell verfahren. Als Mitglied einer Ultrasgruppe weiß ich, wovon ich spreche.

Die krassesten Szenen gab es beim Spiel in Hoffenheim, als sich die TSG und der FC Bayern München am Ende nur noch die Bälle zuspielten. Am Abend und damit nur kurze Zeit später spielte der 1. FC Köln gegen Schalke. Wie ist das Thema so schnell nach Köln gekommen?

Genau, die Geschichte hat sich dann verselbstständigt, als sich beim Spiel der Bayern in Sinsheim der Ball hin und hergeschoben wurde. Beim Stand von 6:0 übrigens eine prima Leistung. Was hätten die Bayern wohl gemacht, wenn es zu diesem Zeitpunkt unentschieden gestanden hätte? Durch die abendliche Spielansetzung haben wir das natürlich mitbekommen. Als das Spruchband dann präsentiert wurde, habe ich mich dann schon gewundert, dass es auch bei uns zur Spielunterbrechung führte. In Köln gab es weder ein Fadenkreuz noch eine unmittelbare Personalisierung, wenn man die einzelnen Gesänge mal außer Acht lässt.

“Eine Handvoll Jecken schaffen es, die Infrastruktur zu crashen”

Ich glaube auch, dass es keinen gejuckt hätte, wenn nicht die Mannschaft inklusive Trainerstab zu uns an die Kurve gekommen wäre. Eigentlich lustig und traurig zugleich, dass es eine Handvoll Jecken schaffen, die Infrastruktur des deutschen Profifußballs mit einem Transparent zu crashen. Nach ein paar Minuten war der Spuk aber auch wieder vorbei und es konnte Fußball gespielt werden.

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Wie hast du die ersten Reaktionen auf diese Eskalation gesehen? Hat es was gebracht?

Im Müngersdorfer Stadion hat ein nicht unerheblicher Teil zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gut findet, was da gerade abgeht. Das muss akzeptiert werden, auch wenn ich es mir sicherlich anders gewünscht hätte. Nach dem Spiel habe ich die Diskussionen hier in Köln aber als sehr sachlich empfunden. Das hat auf der einen Seite damit zu tun, dass Horst Heldt an jenem Samstag im Vergleich zu anderen Funktionären erfrischend nüchtern und differenziert rüberkam. Auf der anderen Seite denke ich, dass es in Köln ausreichend Grundlagen für einen Dialog unter den FC-Fans gibt. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Haben wir schon sehr oft erlebt und können auch damit leben.

Im Rest des Landes ging es zwar noch bis Montag hoch her, aber mit dieser Schwarmintelligenz weiß man ja umzugehen. Der DFB ruderte wenig später zurück und somit gab es auch keine Spielunterbrechungen mehr. Geblieben ist die Frage, wo sich der deutsche Fußball aktuell befindet.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Dem DFB und seinem Drei-Stufen-Plan kam in dieser Sache eine entscheidende Rolle zu. Wie hast du das Verhalten des Verbands in dieser Sache beurteilt?

Diese Nummer ist nicht neu. Die UEFA hat das vor Jahren entwickelt. Da war der Hintergrund allerdings Rassismus. Dagegen kann keiner was sagen. Der DFB hatte vor dem besagten Spieltag diese Nummer jedoch ganz anders ausgelegt. Dieser Fehler wurde in Teilen bereits eingestanden. Ich glaube, ohne die Proteste hätten wir jetzt eine Situation, in der die Meinungsfreiheit in den Stadien eingeschränkt wäre. Es gab ja auch Spielunterbrechungen wegen Spruchbändern, die konstruktive Kritik beinhalteten. Man sieht also, wie wichtig es ist, seine Meinung zu äußern und am Ball zu bleiben.

Die Proteste gegen Dietmar Hopp

Es gab dann auch Versuche, die Beleidigungen gegen Hopp auf eine andere Ebene zu hieven, um dem Ganzen mehr Bedeutung zu verleihen.

Wenn jemand meint, die Plakate gegen Dietmar Hopp auf eine Stufe mit einem zehnfachen Mord zu stellen, kann ich das nicht nachvollziehen. Mord zu relativieren, um kritische Fans moralisch ins Abseits zu stellen, ist schon harter Tobak. Daran lässt sich erkennen, dass es den Hardlinern schon lange nicht mehr nur um Ultras geht. Themen wie Abschaffung der Stehplätze und personalisierte Tickets liegen doch schon seit langen in den Schubladen einiger Akteure und betreffen jeden Stadiongänger. Die kommen jedes Mal erneut mit ihren Floskeln um die Ecke und wollen dann nebenher noch „zufälligerweise“ die 50+1-Regel abschaffen. Mich langweilt das nur noch.

Das Thema betrifft also nicht nur die Ultras in den Kurven, sondern alle Fans?

Es war schon immer so, dass die Themen der aktiven Fanszene nicht nur die Ultras betreffen. Nehmen wir doch zum Beispiel den Kölner Südkurvenverbund. Bei uns sind nicht nur die Ultrasgruppen Mitglied. Auch Fanclubs wie der Kölsche Mythos, Fantastica Colonia und Cologne Power East Belgium organisieren sich in der Südkurve 1. FC Köln. Die Inhalte der Proteste teilen wir oftmals gemeinsam, wenn auch die Formen unterschiedlich sind. Stehplätze, Ticketpreise und Spielansetzungen sind aber alles Themen, die jeden Stadionbesucher betreffen. Auch wenn bei Gegenwind mal schnell gepfiffen wird, profitieren am Ende alle Stadionbesucher von den Vorteilen der Proteste der aktiven Fanszenen.

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Die Kritik an den Aktionen gegen den einstigen Hoffenheimer Mäzen beruft sich vorrangig auf die Art und Weise und die Wortwahl. Musste es denn gerade so ablaufen?

Ich kann nachvollziehen, wenn sich nicht jeder mit einer derartigen Herangehensweise einverstanden zeigt. Teilweise lief es wirklich etwas plump ab, auch wenn ich mich frage, warum man sich angesprochen fühlt, wenn Beleidigungen nicht unmittelbar personalisiert sind. Der Kritik über die Art und Weise muss man sich stellen, man sollte aber auch mal die Kirche im Dorf lassen. Auch wir müssen uns Beleidigungen anhören. Wie wahrscheinlich jeder andere Fußballfan und viele Spieler sowie Funktionäre ebenso. Die Spieler, die über diesen Beleidigungen standen, haben sich in der Regel nach ein paar Spielen auch nichts mehr anhören müssen. Die Geschehnisse müssen nicht zwangsläufig relativiert werden, aber richtig einordnen sollte man sie schon.

Auf der nächsten Seite: Wie der Konflikt mit dem DFB weitergehen könnte.

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