Schon ewig her wirkt das zurückliegende Spiel des 1. FC Köln auf Schalke – vor allem dank der Länderspielpause, die direkt danach los ging. Zum Abschluss der fußballfreien Zeit aus kölscher Sicht diskutierte Ralf Friedrichs beim FC-Stammtisch Talk im „Brauhaus Stüsser“ mit Stephan Schell (Wilde Horde 96), dpa-Journalist Holger Schmidt und Engelbert Faßbender aus dem Mitgliederrat des 1. FC Köln über den Saisonstart, die sportliche Situation bei den „Geißböcken“, das neu gewählte Präsidium und die Debatte um die Geißbockheim-Erweiterung sowie den möglichen Stadionausbau.
Der Punktgewinn auf Schalke in letzter Sekunde hat die Stimmung beim effzeh über die Pause zwar gerettet, doch längst noch nicht über die teilweise schwachen Leistungen hinweggetäuscht. „Nach den letzten beiden Heimspielen waren wir schon enttäuscht. Gerade im Derby gegen Gladbach hätten wir uns eine andere Einstellung der Mannschaft gewünscht. Das hat Schalke jetzt nicht komplett herausgerissen“, betonte beispielsweise WH-Vorsänger Schell.
“Ich habe keine Bedenken, dass der FC die Klasse hält”
Auch Faßbender hatte den fehlenden Derbykampf noch deutlich im Hinterkopf und nannte ein Vorbild aus der 2. Bundesliga: „Am selben Wochenende hat St. Pauli gegen den HSV gewonnen. Das war eine Leidenschaft, die war unglaublich. Der HSV wurde nicht spielerisch besiegt, sondern förmlich niedergerungen. Es gibt nicht wenige, die sich eine solche Einstellung auch in unserem Derby gegen Gladbach gewünscht haben.“
Insgesamt sah die Runde die „Geißböcke“ allerdings auf einem guten Weg, wenn die gezeigten Ansätze konstant abgerufen werden. „Ich habe keine großen Bedenken, dass der 1. FC Köln die Klasse hält. Wenn in der Saison keine blöde Dynamik entsteht, werden sie Paderborn und Union Berlin hinter sich lassen können“, erklärte dpa-Journalist Schmidt und lieferte die Begründung gleich hinterher: „Die Mannschaft ist deutlich besser als die direkte Konkurrenz. Die Neuzugänge sind allesamt gut, der Kader ist relativ ordentlich. Die Ansätze stimmen – wenn man die Spiele gegen Gladbach und Hertha ausklammert.“
Kritik an Horn & Co.: Berechtigt, aber überzogen?
Für die Kritik, die sich etablierte Kräfte wie Timo Horn beispielsweise in der jüngsten Vergangenheit anhören musste, zeigte der Sportreporter durchaus Verständnis: „Die Kritik ist sicherlich auf der einen Seite berechtigt. Aber: Auch für die alten Spieler ist vieles neu. Neuer Trainer, neue Mitspieler. Das sind Dinge, die passen müssen. Mir nimmt das gerade allerdings eine Dynamik an, die nicht in Ordnung ist“, sagte Schmidt.
“Die Kritik an den Etablierten ist sicherlich auf der einen Seite berechtigt. Aber: Auch für die alten Spieler ist vieles neu.”
Mitgliederrat Faßbender ergänzte: „Die Arrivierten sind im Zuge des Abstiegs sehr nach vorne gestellt worden, deswegen stehen sie auch unter einer besonderen Erwartungshaltung. Vor allem, wenn sich öfters in der Presse geäußert wird, stehen diejenigen eben mehr im Fokus. Ich halte es da mit Adi Preißler: Entscheidend is aufm Platz. Auch in der 2. Bundesliga war da nicht alles Gold, was glänzt. Deswegen kann ich die Kritik schon nachvollziehen.“
Vom rein Sportlichen ging die Diskussion dann nahtlos zu den Veränderungen im Verein über. Seit etwas mehr als einem Monat ist der neue Vorstand beim 1. FC Köln in Amt und Würden – bis auf die Reform von Aufsichts- und Beirat ist nach außen allerdings noch nicht viel zu sehen. „Den dreien ist schon klar, dass die Erwartung der knapp 80 Prozent, die sie gewählt haben, nicht nur ist, dass sich die drei Namen auf dem Vorstandsbogen ändern. Es ist schon der Wunsch nach weitergehenden Veränderungen damit verknüpft“, erklärt Faßbender und gibt zu bedenken: „Sie sind sehr intensiv dabei. Man muss allerdings berücksichtigen, dass sie erst etwas mehr als einen Monat im Amt sind und sie am 9. September bei Null anfangen mussten, weil der vorherige Vorstand ihnen keinerlei Gelegenheit zur Einarbeitung gegeben hatte.“
Fanszene in Gesprächen mit dem neuen Vorstand
Die Reform der Gremien sei ein ganz gutes Signal – er sei davon überzeugt, dass noch einige weitere folgen werden. „Es geht natürlich nicht von heute auf morgen“, sagte der ehemalige DEVK-Vorstand. In eine ähnliche Kerbe schlug Stephan Schell auf das angeschlagene Verhältnis zwischen Verein und Ultras angesprochen: „Für uns ist es noch nicht so, dass jetzt beim 1. FC Köln alles rosarot ist. Auf der Mitgliederversammlung wurde mit der Wahl des neuen Präsidiums der erste Schritt gemacht, gerade bei der Frage nach einem Investor oder der Stadionthematik geht es in unseren Augen in die richtige Richtung. Wir als Fanszene haben natürlich noch mehr Themen und erwarten, dass da noch einiges passiert. Wir wissen aber auch, dass nicht direkt Tabula Rasa gemacht werden kann“, so der WH-Vorsänger.
Gespräche mit dem neuen Vorstand habe es bereits gegeben – auch schon vor der Wahl, wo sich das Trio bei zahlreichen Fanclubs zu Kennenlerntreffen eingefunden hatte. „Man tastet sich derzeit etwas an die Themen heran“, betonte Schell und fügte hinzu: „Was für mich wichtig ist, dass man uns Ultras und auch die gesamte Fanszene nicht als Feind oder Sicherheitsrisiko empfindet, sondern als Partner. Als Partner, der auch einmal Scheiße baut und Fehler macht. Dass man uns so nimmt, wie wir sind“, so das Führungsmitglieder der Ultragruppe „Wilde Horde 96“, der auch eine Annäherung bei den von vielen sehnlichst zurückgewünschten Choreographien bei Heimspielen im Müngersdorfer Stadion ins Spiel brachte: „Es gibt noch viele Steine, die es ins Rollen zu bringen gilt. Aber wir sind auf einem guten Weg. Choreos könnte das erste Thema sein, wo wir zusammenkommen könnten.“