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Transfersperre gegen den 1. FC Köln europarechtswidrig?

Jeder FC-Fan hat es mitbekommen: der 1. FC Köln darf nach einer durch die FIFA verhängte und vom internationalen Sportgericht CAS bestätigte Transfersperre noch bis zum 1.1.2025 keine neuen Spieler registrieren. Insgesamt zwei Transferfenster lang hat der FC dann im Transfergefängnis gesessen. Wie groß die Auswirkungen auf den Effzeh sein werden, ist jetzt noch gar nicht absehbar, aber so viel ist klar: weder konnte man im Winter den Kader neu justieren, auch nicht nach den fast zeitgleichen Verletzungen der beiden Stürmer Davie Selke und Luca Waldschmidt, noch konnte man perspektivisch schon einmal den Kader für die kommende Saison basteln. Dazu kommt, dass Spieler, die vermeintlich bereits fest zugesagt hatten, auf Grund der ersten Phase der Transfersperre – bevor diese wieder ausgesetzt wurde – der Unsicherheit wegen wieder abgesprungen seien. FC-Präsident Werner Wolf sprach daher von einer Sperre von “drei Transferphasen” und von “sieben Spielern”, die dem FC entgangen seien. Am Ende stand gar der Abstieg – eben auch, weil die Offensive nicht nachgebessert werden konnte. Dass ausgerechnet Benedict Hollerbach, mit dem der FC sich dem Vernehmen nach vor der Transfersperre schon handelseinig war, zeitgleich Union Berlin auf die Siegerstraße gegen Freiburg gebracht hat, ist nur die Spitze des Eisberges.

Doch nun der Hammer: womöglich verstößt diese Transfersperre gegen geltendes EU-Recht!

Effzeh.com holte sich für diesen Artikel die rechtliche Einschätzung von Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther (Professor an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der TH Köln) und versucht, die wichtigsten Fragen zu beantworten.

Worum geht es?

Grund für diesen Artikel ist ein Rechtsstreit zwischen Ex-Profi Lassana Diarra (heute 39) und dem weltfußballverband FIFA. Diarra kündigte im Jahr 2014 seinen Vertrag beim russischen Erstligisten Lokomotive Moskau, den er erst ein Jahr zuvor unterschrieben hatte, einseitig und ohne Angabe von Gründen. Diarra erhoffte sich dadurch vermutlich Ablösefreiheit und den Wechsel in eine andere Liga – doch diese Hoffnung zerschlug sich, da sich kein aufnehmender Verein für ihn fand. Zu groß war die Angst der Vereine, von der FIFA ebenso zu einer einjährigen Transfersperre verurteilt zu werden, wie es dem FC widerfahren ist. Auch die saftige Geldstrafe, die die Clubs erwartet hätte – angesichts von Diarras Marktwert und Gehaltsvolumen um die 10 Mio. Euro – wirkte abschreckend. Zu groß war die Angst, dass die FIFA dem aufnehmenden Verein “Anstiftung zum Vertragsbruch” unterstellen könnte – also jener Vorwurf, den FIFA und CAS auch beim 1. FC Köln als erwiesen ansahen. Wegen der Beweislastumkehr, bei der der Club nachweisen müsste, dass es keine Anstiftung gab, ist es auch fast unmöglich, sich dieses Vorwurfs zu erwehren. Der belgische Erstligaverein Sporting Charleroi etwa hatte Interesse an einer Verpflichtung Diarras und wollte den Spieler registrieren. Die FIFA weigerte sich indes, die Registrierung zu bestätigen, eben aufgrund der laufenden Auseinandersetzung des Spielers mit Lokomotive Moskau. “Im Jahr 2018 wurde dem Antrag von Lokomotive Moskau in Höhe von 10,5 Mio. € vom Sportgericht stattgegeben. Diese Entscheidung bestätigte der CAS (Court of Arbitration for Sport) im Mai 2016 in dem Berufungsverfahren” so Prof. Günther.

Lassana Diara im Jahe 2013 bei Lokomotive Moskau (Рыбакова Елена, CC BY-SA 3.0 GFDL, via Wikimedia Commons)

“Der Spieler erhob nunmehr jedoch eine Schadensersatzklage gegen die FIFA auf Ersatz des Schadens in Form eines ihm entgangenen Gewinns in Höhe von 6 Mio. € mit dem Argument, die zu seinen Lasten angeführten Bestimmungen in den FIFA-Statuten seien EU-rechtswidrig”, erklärt uns Prof. Günther.

Vor einem belgischen Verwaltungsgericht in Mons legte Diarras Seite dar, dass die übermäßig harten Vorschriften der FIFA gegen geltendes EU-Recht verstießen. Von dort aus wurde der Fall schließlich bis an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eskaliert, wo die Frage verhandelt werden soll, ob die FIFA-Regeln gegen  gegen Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) und Art. 101 AEUV (Kartellverbot) verstießen. “Dass die FIFA kein Mitgliedstaat der EU ist, ist unerheblich. Auch private Einrichtungen wie die FIFA können nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH hierunter fallen und sie werden so behandelt, als wären sie ein Mitgliedstaat, wenn es um die Einschränkung von Grundfreiheiten bzw. Wettbewerbsbeschränkungen geht”, so Prof. Günther.

Welche Rolle spielt der Generalanwalt?

Das Gravierende ist nun, dass der EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar ein Verstoß gegen diese beiden oben genannten Artikel als erwiesen ansieht (der vollständige Schlussantrag des Generalanwalts kann hier nachgelesen werden). “In den meisten Fällen folgt der EuGH dem Antrag des Generalanwaltes”, so Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther, und weiter: “Der Generalanwalt hat erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der maßgeblichen Bestimmung, insbesondere können diese gegen die EU-rechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen. Denn gerade Monopolverbände wie die FIFA müssen auf diese europarechtlichen Grundfreiheiten bei einem grenzüberschreitenden Wechsel von Sportlern achten. Auf der anderen Seite könnten solche Beschränkungen gerechtfertigt sein, wenn hierfür ein Allgemeininteresse einer Einhaltung vertraglicher Bindungen bestehe. Eine Schadensersatzpflicht eines vertragsbrüchigen Spielers ist als solche unproblematisch, problematisch ist es hingegen zum einen, wenn (auch) gegen den neuen Verein daraufhin Sanktionen verhängt werden. Dieser wären allenfalls dann angemessen, wenn der übernehmende Verein den womöglich vertragsbrüchigen Spieler zu seinem Vertragsbruch angestiftet hat. Was aber aus Sicht des Generalanwalt überhaupt nicht geht, ist die Beweislastumkehr zu Lasten des neuen Vereins.” – wir erinnern uns: auch der FC musste ja seine Unschuld im Falle Potocniks darlegen, was natürlich ungleich schwierig ist.

Generalanwalt Prof. Maciej Szpunar auf einem Event im Jahr 2022 (Paperclip sprl, CC BY 4.0 via Wikimedia Commons)

Weiterhin erklärte uns Günther: “Von Bedeutung sind auch die Ausführungen des Generalanwalts zum Kartellrecht. In den Fällen käme es auf eine Beschränkung der Vertragsfreiheit unter Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gar nicht mehr an, dann wäre die entsprechende FIFA-Regelung rechtswidrig.

Auch wenn es sich hierbei nicht um ein EuGH-Urteil handelt, sondern nur um einen vorbereitenden Schlussantrag des Generalanwalts, hat dieser eine ganz erhebliche Bedeutung. Denn in der überwiegenden Anzahl der Fälle folgt der EuGH ganz oder teilweise den Schlussanträgen des Generalanwalts.

Nun steht ein Urteil in der “Causa Diarra” noch aus, aber man merkt schon, dass der Fall Diarras und der Fall Jaka Cuber Potocnik relativ ähnlich gelagert sind. Der größte Unterschied ist wohl der zeitliche Ablauf: Diarra kündigte seinen Vertrag wohl auf Eigeninitiative hin, ohne bereits einen neuen Verein in der Hinterhand gehabt zu haben. Bei Potocnik hingegen dürfte inzwischen klar sein, dass es Kontakt zwischen dem FC und ihm – wohl schon seit 2021, wie der Geißblog berichtete – gab und der FC sogar prüfen ließ, welche Sanktionen ihn im Falle einer Verpflichtung Potocniks drohe könnten. Allerdings ist dies alles noch kein Beweis dafür, dass der FC den jungen Slowenen zum Vertragsbruch angestiftet habe.

Kann der FC also doch noch hoffen, im Sommer Spieler verpflichten zu dürfen?

Prof. Günther dazu: “Auf den ersten Blick spricht dagegen, dass im EuGH-Verfahren Kläger nicht der übernehmende Verein war, sondern der Spieler. Der aufnehmende Verein war an dem Verfahren nicht beteiligt. Dies dürfte indes zu kurz gegriffen sein. Denn der aufnehmende Verein würde ja mit dem Spieler gesamtschuldnerisch haften und die Transfersperren betrifft diesen Verein erst recht, wenn wenn diese auf einer EU-rechtswidrigen Grundlage beruhen würde.

Der Generalanwalt hat in seinem Schlussantrag ausführlich die Grundsätze der Freizügigkeit zum einen und deren Anwendung unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zum anderen bewertet. Grundsätzlich macht es ja Sinn, dass eine Schadenersatzpflicht ausgelöst wird, wenn Spieler ihre Verträge ohne triftigen Grund auflösen. Dabei fordert Generalanwalt zum einen eine Begrenzung bei der Höhe, wobei der „geschuldete Betrag nicht über das hinausgehen [darf], was vernünftigerweise als erforderlich angesehen werden kann, um der anderen Partei den durch den Vertragsbruch erlittenen Schaden zu ersetzen“. Bedeutung für den FC in dem Potočnik-Fall haben diese Ausführungen nicht.

Gewichtiger sind jedoch die Ausführungen des Generalanwalts, wonach es zwar aus Sicht der FIFA schwierig sein mag, die Gründe für die vorzeitige Auflösung des Vertrags zu ermitteln, jedoch eine „systematische Haftung des neuen Vereins“, wenn der neue Verein bei dem Vereinswechsel keine Rolle gespielt hat, gehe über das legitime Ziel deutlich hinaus.” Und insbesondere die Beweislastumkehr sei laut Generalanwalt nicht statthaft. Er formulierte sogar, diese erscheine “drakonisch, da mir nicht ersichtlich ist, wie der neue Verein seine „Unschuld“ beweisen kann.” (Rz. 68)

Kann der FC denn wenigstens Schadensersatz fordern?

Auch hierzu hat Prof. Günther eine klare Meinung: “Zu denken wäre für den Fall eines (aus Sicht des FC) positiven EuGH, die FIFA auf Schadensersatz zu verklagen. Diese Klage wäre aber kein Selbstläufer. Dabei kommt es darauf an, wie der EuGH genau entscheidet. Wenn dieser sich nämlich ausschließlich auf die Unwirksamkeit der Beweislastumkehr stützt, wäre in diesem Schadensersatzprozess inzident zu prüfen, ob zum einen die Kündigung des Spieles wirksam war und wenn nicht, ob dem FC Köln eine Anstiftung des Spieles zum Vertragsbruch nachzuweisen wäre. Ferner wäre vom FC Köln ein kausaler Schaden nachzuweisen. Der 1. FC Köln hat durch die Transfersperre, pointiert formuliert, erhebliche Mittel eingespart, sowohl was Gehälter als auch Ablösezahlungen, Zahlungen an Berater u. a. angeht. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich während des sportgerichtlichen Verfahrens und nach Aussprechen der Transfersperre die wirtschaftliche Situation des 1. FC Köln deutlich gebessert. Auf der anderen Seite hat sich die sportliche Bilanz drastisch verschlechtert und in deren Folge auch die künftigen Einnahmen.” Hier würde in einem Schadensersatzprozeß sicher eine komplexe Beweiserhebung erfolgen müssen.

Fazit

Es spreche laut Prof. Günther “– auch ohne FC-Brille – vieles dafür, dass der EuGH jedenfalls dieser Bewertung des Generalanwalts folgen wird. Die in der Tat „drakonischeBeweislastumkehr ist ein zu scharfes Schwert.”

Ob dem FC Köln die unterstellte Rechtswidrigkeit dieser Beweislastumkehr jetzt noch weiterhilft?

Dies stehe laut Prof. Günther in den Sternen. Denn “zum einen müsste der EuGH zeitnah entscheiden. Zum anderen hatte sich der FC Köln nach dem CAS-Urteil – jedenfalls ex post betrachtet – leider dazu entscheiden, gegen dieses nicht mehr vorzugehen, was nur durch Anrufungen des Schweizer Bundesgerichtes möglich gewesen wäre. Die Entscheidung wurde damit bestandskräftig und zu überlegen wäre allenfalls, ob man noch „irgendwie“ die Vollstreckung der Strafe abwenden könnte. Problematisch ist weiterhin, dass die Entscheidungsgründe des CAS-Urteil nicht veröffentlich sind. Es ist also der Öffentlichkeit unbekannt, wie die Begründung des CAS im einzelnen lautet. Dies wäre von Bedeutung. Denn es gibt durchaus Fälle, bei denen der CAS sich nicht auf den nicht geführten Gegenbeweis zurückzieht, sondern positiv eine Anstiftung zur Vertragsbrüchigkeit bejaht.”

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