In der neuen Formation von Steffen Baumgart gibt es in der neuen Saison offenbar gleich vier (mehr oder minder) zentrale Mittelfeld-Positionen. Weil es beim 1. FC Köln kaum Neuzugänge gibt, ergeben sich daraus zweite Chancen für bereits abgeschriebene Spieler. Personell hat sich im Mittelfeld der “Geißböcke” (noch) nicht viel verändert: Auf der Zugangsseite steht neben den zahlreichen Leihrückkehrern nur Dejan Ljubicic. Die Abgänge der Rotationsspieler Dominick Drexler, Elvis Rexhbecaj, Max Meyer und Marco Höger reißen aber auch keine großen Lücken im Kader der Geißböcke.
Und doch scheint es so, als gäbe es viele neue Chancen für Spieler, die im ersten Anlauf in Köln noch nicht durchgestartet sind. Grund dafür ist das neue Spielsystem unter Steffen Baumgart: Es deutet sehr viel darauf hin, dass der FC in der kommenden Saison häufig mit einer Mittelfeldraute antreten wird. In allen Testspielen wurde auf die 4-3-1-2-Formation gesetzt, damit sich der Kader an die neue Spielweise gewöhnen kann. Gerade im Mittelfeld gibt es durch diese Umstellung große Veränderungen in den Anforderungen an die Spieler.
Skhiri-Nachfolger auf der Sechs gesucht?
Vieles deutet darauf hin, dass Ellyes Skhiri im Sommer noch verkauft werden muss. Die Kölner hoffen auf eine Ablöse im Bereich von 20 Millionen Euro, die der finanziell klamme Club kaum wird ablehnen können. Die angestrebte Summe zeigt jedoch auch, dass der Tunesier in der letzten Saison einen riesigen Wert für die Mannschaft hatte: Skhiri erzielte nicht nur fünf Treffer, er war als laufstärkster Bundesliga-Akteur auch im laufenden Spiel von großer Bedeutung für seine Mannschaftskameraden. Immer wieder war es der Marathonmann im Mittelfeld, der hinten gerade noch rechtzeitig die zahlreichen Löcher stopfen konnte.
Und es ist nicht gerade unwahrscheinlich, dass gerade diese Eigenschaft auch in der neuen Saison von erheblicher Bedeutung sein dürfte, wenn bei überspieltem Pressing der schwere Lauf nach hinten angetreten werden muss. Einen ähnlichen Dauerläufer gibt es im Kader nicht und so stellt sich die Frage, wer die so wichtige Position vor der Abwehr bei einem möglichen Abgang übernehmen könnte. Salih Özcan scheint aktuell die Nase vor Neuzugang Ljubicic zu haben. Der 22-Jährige genießt unter Baumgart ein großes Vertrauen und wurde in den Testspielen überwiegend als Sechser eingesetzt.
„Ich kann mit der Aufgabe gut umgehen, auch als alleiniger Sechser Verantwortung zu übernehmen“
Vom physisch starken U21-Europameister kann sich der neue Trainer auch einen gepflegten Spielaufbau erhoffen. Der gebürtige Kölner tritt unter dem neuen Trainer, der ihn erst zur Vertragsverlängerung umgestimmt hat, mit einer auffällig breiten Brust auf. Im Interview mit dem “Express” antwortet Özcan auf die mögliche neue Aufgabe angesprochen: „Ich kann mit der Aufgabe gut umgehen, auch als alleiniger Sechser Verantwortung zu übernehmen“, so der 23-Jährige, der seinen Vertrag am Geißbockheim erst nach Saisonabschluss überraschend verlängert hatte und dessen Entwicklung zum Leistungsträger nun endgültig Formen annehmen soll. Ein Laufwunder wie Skhiri wird aus Özcan in diesem Leben aber wohl nicht mehr.
Zwei unterschiedliche Ansätze auf den Halbpositionen
Ljubicic, der nach Ablauf seines Vertrags bei Rapid Wien ablösefrei in die Domstadt wechselt, scheint sich zunächst hinten anstellen zu müssen. Vor allem, als Skhiri noch im verlängerten Nationalspieler-Urlaub weilte, wurde der Österreicher in den Tests auf der Sechs aufgestellt. Der spielstarke Ex-Kapitän der Wiener zeigte gute Ansätze, doch Baumgart scheint mit seinem Vertrauen zunächst Özcan für die Position vor der Abwehr aufbauen zu wollen. Falls dem Kölner Eigengewächs aber weiterhin Fehler unterlaufen, wie in der vergangenen Saison gegen Freiburg, könnte die Stunde des gleichaltrigen Kontrahenten schlagen. Denn auf der anspruchsvollen Position vor der Abwehr dürfen sich die Spieler solche Böcke nicht erlauben. Nicht nur deshalb würde ein Verkauf des herausragenden Akteurs der Vorsaison eben auch ein großes sportliches Risiko darstellen.
Vor dem Sechser gibt es im neuen System gleich zwei weitere Planstellen: Links und rechts vor dem zentralen Mann vor der Abwehr gibt es die sogenannten „Halbpositionen“, auf denen Kapitän Jonas Hector auf der linken Seite seinen Platz sicher hat. Im Schlussspurt der vergangenen Saison zeigte der ehemalige Linksverteidiger, dass er auch nach vorne zum wichtigen Torjäger werden kann. Entsprechend passend könnte die neue Rolle für Hector werden: Aus dem Zentrum hat er, abgesichert von einem Sechser und einem weiteren Achter, nun öfter die Möglichkeit nach vorne zu stoßen.
Auch defensiv müsste die Position dem 30-Jährigen auf dem Papier liegen: Als ehemaliger Linksverteidiger weiß Hector, wie er die Seite zu verteidigen hat. Greift der Gegner über die Flügel an, müssen die Spieler auf den Halbpositionen nicht nur die Mitte schließen, sondern in den richtigen Situationen nach außen rücken, um eine gegnerische Überzahl zu verhindern und den Außenverteidiger zu unterstützen. In den Tests hat sich gezeigt, dass dieses Verschieben defensiv die größte Herausforderung werden könnte. Einen so spielintelligenten Akteur wie Jonas Hector auf einer der Schlüsselpositionen zu haben, könnte daher zu einem wichtigen Vorteil für den FC werden.
Kainz auf halbrechts im Vorteil
Halbrechts scheint Florian Kainz aktuell die aussichtsreichen Karten auf den Platz zu haben. Auch wenn der Österreicher eigentlich auf dem Flügel zuhause ist, dürfte er trotz des Wegfalls seiner Stammposition erst einmal unter Baumgart gesetzt sein. Kainz stellte in der Vorbereitung nicht nur seine Standardstärke unter Beweis, wie beim Test gegen die SV Elversberg, „Kainzi“ bringt auch Kreativität und Dribblings ins Spiel der “Geißböcke” ein. Mit dem 28-Jährigen auf der Halbposition ist zudem eine Vielseitigkeit gegeben, sodass Umstellungen jederzeit auch innerhalb des Spiels passieren können, wenn man ihn auf den Flügel zieht. Defensiv könnte die rechte Seite und einem Duo aus Kainz und Kingsley Ehizibue dagegen etwas unsicher sein.
Jonas Hector ist einer der gesetzten Spieler, der ohne Verletzung nicht aus der Anfangself wegzudenken ist. Kainz hingegen wird sich erst an die neue Rolle gewöhnen müssen, sodass die Konkurrenten im Hintergrund auf eine Chance hoffen dürfen. Leih-Rückkehrer Louis Schaub wurde immer wieder halbrechts getestet, seine Arbeit gegen den Ball könnte beim feinen Techniker aber ähnlich wie bei Kainz zu Problemen führen. Tomas Ostrak, der zuletzt in seine Heimat nach Tschechien verliehen war, könnte Hectors Back-Up werden, auch wenn seine Einsatzchancen wohl etwas schlechter stehen dürften. Vincent Koziello und Niklas Hauptmann befinden sich zwar offiziell noch im Kader, mi den beiden wird aber nicht mehr geplant. Verbunden mit den Abgängen von Rexhbecaj, Meyer und Höger könnte es in der Quantität bei einem Skhiri-Abgang sogar etwas dünn werden. Aus dem Nachwuchs stünde mit dem 18-Jährigen Jens Castrop jedoch schon eine Alternative bereit. Er bestritt die Vorbereitung mit dem Team und wurde in den Vorbereitungsspielen getestet.
Neue Konkurrenz für Duda auf der Zehn
Dass Ondrej Duda zu den besten Fußballern der Kölner gehört, wurde in der vergangenen Spielzeit schnell klar. Als fußballerischer Lichtblick in einem ansonsten schwer anzuschauenden Spiel gewann der slowakische EM-Teilnehmer schnell Sympathien bei den Zuschauern, doch nicht immer waren die technischen „Leckerbissen“ zielstrebig genug. Dass auf der Zehnerposition hinter den Spitzen Verbesserungsbedarf besteht, würden wohl dennoch die wenigsten behaupten. Im Gegenteil könnte der Ex-Herthaner sogar von der neuen Ausrichtung profitieren: Gegen den Ball zeigt sich Duda immer wieder als guter Anläufer. Von einem aggressiven Pressing kann er durch sein giftiges Verteidigungsverhalten zu einem wichtigen Puzzlestück bei den Balleroberungen werden.
Im eigenen Spiel darf sich der Spielmacher Hoffnungen darauf machen, dass weniger Bälle einfach hoch über ihn geschlagen werden. Stattdessen könnte es mit spielstarken Mittelfeldspielern für lange vermisste Kombination sorgen, um die Stürmer vor ihm zu füttern. Neben den bereits beschriebenen Achtern Kainz und Hector könnte auch Schaub in Kombination mit Duda für spielerische Highlights sorgen. Im Testspiel versprühten die beiden Techniker in ihrer einzigen gemeinsamen Halbzeit viel Spielfreude. So könnte Duda-Konkurrenz Schaub doch eine Reihe weiter hinten seine Chance erhalten, wenn es darum geht, selbst das Spiel zu gestalten.
Die größere Konkurrenz für den 25-Jährigen dürfte ohnehin Neuzugang Mark Uth darstellen. Nach eigener Aussage fühlt sich der FC-Rückkehrer auf dieser Position am wohlsten, sodass die ablösefreie Verpflichtung nicht nur auf Verständnis stieß. Doch schon auf der Mitgliederversammlung beantwortete Jörg Jakobs die Frage nach dem nahenden Transfer so, wie es auch die Testspiele andeuteten: Baumgart plant mit Uth als Stürmer. Philipp Wydra, der in der Vorbereitung seine Chance erhielt, wird dagegen in der U19 seine Spielpraxis sammeln.
Fazit: Vier Favoriten in der Raute
So dürfte bei einem Skhiri-Abgang gerade zu Beginn das Gespann aus Özcan, Hector, Kainz und Duda von Baumgart in die Raute berufen werden. Dahinter gibt es mit Ljubicic und den Leih-Rückkehrern Schaub und Ostrak Alternativen. Ob ein Abgang des besten Spielers der Vorsaison mit den bestehenden Spielern aufgefangen werden kann und ob die Positionen auch in der Tiefe gut genug besetzt sind, darf aber bezweifelt werden.