Es ist Spätherbst im Jahr 2020 und bereits nach wenigen Spielen ist die sportliche Situation beim 1. FC Köln bereits prekär. Die „Geißböcke“ hängen nach kaum bundesliga-reifen Auftritten im Abstiegskampf fest, konnten die nicht sonderlich zahlreichen Erfolgserlebnisse nicht nutzen, um etwas Fahrt in einer schwierigen Lage aufzunehmen. Die Mannschaft, nicht wirklich optimal zusammengestellt, sucht noch nach ihrer Identität auf dem Platz, der Verein sucht noch nach dem richtigen Kurs, um sich in der höchsten deutschen Spielklasse zu etablieren. Es sind wenig erbauliche Zeiten rund um den wankelmütigen Traditionsverein vom Rhein, auch wenn Horst Heldt und Markus Gisdol zu ihrem einjährigen Dienstjubiläum am Geißbockheim weiter Zweckoptimismus versprühen.
Das Bild kommt einem vertraut vor, war die Misere des 1. FC Köln doch auch im Spätherbst 2019 eine ähnliche. Die „Geißböcke“ hingen nach kaum bundesliga-reifen Auftritten im Abstiegskampf fest, konnten die nicht sonderlich zahlreichen Erfolgserlebnissen nicht nutzen, um etwas Fahrt in einer schwierigen Lage aufzunehmen. Die Mannschaft, nicht wirklich optimal zusammengestellt, suchte noch nach ihrer Identität auf dem Platz, der Verein suchte noch nach dem richtigen Kurs, um sich in der höchsten deutschen Spielklasse zu etablieren. Es waren wenig erbauliche Zeiten rund um das Geißbockheim, die dazu führten, dass Sportchef Armin Veh sowie Trainer Achim Beierlorzer ihren Hut nehmen mussten und während der Länderspielpause durch Horst Heldt und Markus Gisdol ersetzt wurden.
Echte Fründe stonn zesamme?
Same shit, different day also bei den „Geißböcken“? Nicht ganz: Während der 1. FC Köln vor einem Jahr unter der neuen Führung des frisch ins Amt gewählten Präsidenten Werner Wolf auf der Suche nach einer sportlichen Leitung chaotische Auftritte hinlegte, scheint sich der Verein derzeit dagegen eher in der eigenen Wohlfühlatmosphäre zu gefallen. Ja, die sportliche Lage gleicht vor allem tabellarisch derjenigen, die Horst Heldt und Markus Gisdol bei ihrem gemeinsamen Amtsantritt im November 2019 vorfanden. Ja, auch ein Jahr später wirkt die FC-Mannschaft weder individuell noch als Gruppe uneingeschränkt bundesligatauglich. Ja, auch diesmal mehren sich die berechtigten Zweifel, ob der Klassenerhalt mit den vorhandenen Möglichkeiten zu schaffen sei. Der große Unterschied im Spätherbst 2020 allerdings: Zwischen die Verantwortlichen am Geißbockheim passt kein Blatt.
Während der 1. FC Köln vor einem Jahr auf der Suche nach einer sportlichen Leitung chaotische Auftritte hinlegte, scheint sich der Verein derzeit dagegen eher in der eigenen Wohlfühlatmosphäre zu gefallen.
Die beinahe uneingeschränkte Rückendeckung, die vor allem den ob der Sieglosserie von 17 Bundesliga-Partien am Stück unter Druck geratenen Trainer Markus Gisdol stärken soll, hat ihren Ursprung allerdings genau in jenem Spätherbst. Wenige wollten sich den abermals kriselnden 1. FC Köln antun, die „Geißböcke“ holten sich beim Werben um Bruno Labbadia und Pal Dardai eine blutige Nase ab. Gisdol – wohlwissend um das angeschlagene Standing der Kölner, wohlwissend um sein eigenes Standing in der Branche nach der Bruchlandung beim Hamburger SV – ergriff seine vielleicht letzte Chance in der Bundesliga beim Schopfe. Und nutzte diese entgegen der geringen Erwartung rund um den Verein eindrucksvoll. Mit einem grandiosen Zwischenspurt im Winter führte der als Feuerwehrmann in großer Not gekommene Schwabe den FC zum Klassenerhalt.
Auf “Wir gegen den Rest der Welt” folgt ein tiefes Loch
Einer am Boden liegenden Mannschaft für kurze Zeit neues Leben einzuhauchen: Das gelang Gisdol beim 1. FC Köln, wie es ihm zuvor auch beim HSV gelungen war. Verstärkt durch drei von Horst Heldt getätigte Wintertransfers, aus denen vor allem die Leihe des gebürtigen Kölners Mark Uth herausragte, konnten die „Geißböcke“ ein weiteres Jahr Bundesliga buchen. Doch zur Wahrheit gehört auch: Nach der Unterbrechung des Spielbetriebs aufgrund der weltweit grassierenden Coronavirus-Pandemie war der Zauber rund um den 1. FC Köln wie verflogen. Schwache Auftritte, schwache Ergebnisse: Wie schon in Gisdols Amtszeit in Hamburg scheint sich ein Muster zu verfestigen, dass nach einem von außen schwer zu verstehenden „Wir gegen den Rest der Welt“-Lauf abermals ein tiefes Loch folgt, aus dem sich weder Trainer noch Mannschaft befreien können. Schwierige Umstände, fehlende Qualität, wachsende Zweifel an Gisdols Herangehensweise: Eine Bilanz mit Déjà-vu-Charakter.
Das gilt in gewisser Weise auch für seinen Vorgesetzten: Horst Heldt erbte als Sportgeschäftsführer des 1. FC Köln einen komplett unstrukturierten Kader mit groteskem Preis-/Leistungsverhältnis und Vertragslaufzeiten direkt aus der Hölle. Keine sonderlich angenehme Aufgabe, dem finanziell schon vor der Coronakrise strapazierten Verein seinen sportlichen Stempel aufdrücken zu wollen. Nach den gelungenen Wintertransfers, die entscheidenden Anteil am Klassenerhalt hatten, stand Heldt im Sommer vor der Herausforderung, zugleich aus viel weniger (Kadergröße) und aus wenig viel (Kaderqualität) zu machen. Eine Herkulesaufgabe für den ehemaligen FC-Profi, der sich aufgrund seiner kumpelhaften Art am Geißbockheim großer Beliebtheit erfreut. Spät, vermutlich zu spät stand die Zusammenstellung der Mannschaft für diese Saison fest – der finanziell dringend benötigte Abgang von Jhon Cordoba kam erst kurz vor Bundesliga-Start zustande, notwendige Neuzugänge konnten daraufhin endlich an Land gezogen werden.
Eine Operation am offenen Herzen
Die Mission „Klassenerhalt“, die der FC von Saisonbeginn an ausgerufen hat: Sie gleicht einer Operation am offenen Herzen, bei der Komplikationen nicht ausgeblieben sind. Der Kader wirkt in seiner Gesamtheit immer noch nicht sonderlich rund, für Schlüsselspieler wie Sebastian Andersson (sechs Millionen Euro) und Ondrej Duda (sieben Millionen Euro) haben die auf dem Transfermarkt unter Druck geratenen „Geißböcke“ tief in die Tasche gegriffen. Dass sich die trotz der Corona-bedingten Einnahmeeinbußen üppigen Investitionen auszahlen werden, deutet sich derzeit noch nicht an. Dennoch: Horst Heldts Wirken beim 1. FC Köln ist als Verantwortlicher länger angelegt als nur für die Zeitspanne eines Jahres. Auch wenn sich ein Strategiewechsel am Geißbockheim aktuell nicht allzu deutlich abzeichnet, konnte der ehemalige Manager des VfB Stuttgart, Schalke 04 und Hannover 96 mit der Nachwuchsoffensive bei den Profis bereits Akzente setzen, die sich auf Dauer für den Verein bezahlt machen dürften.
Heldt hat sein Schicksal zu gewissen Teilen auch an die sportliche Entwicklung der Mannschaft unter Markus Gisdol gekoppelt. Dessen Scheitern würde sicherlich auch das Standing des FC-Sportchefs beschädigen.
Auch in der Zusammenarbeit mit dem Trainer will Heldt andere Wege gehen: Mehr als deutlich hat der FC-Sportgeschäftsführer trotz der sportlichen Talfahrt seine Unterstützung kund getan, schließt eine Diskussion über seinen Wohnungsnachbarn beharrlich aus. So sehr der Zwischenspurt zu Beginn des Jahres für die langfristige Vertragsverlängerung mit dem schwäbischen Übungsleiter taugte, so sehr verneint sein Vorgesetzter die Betrachtung der zurückliegende Negativspirale über den Saisonstart hinaus. Durch diese widersprüchliche Analyse hat Heldt, dessen Vertrag im Sommer ebenfalls bis 2023 verlängert wurde, sein Schicksal am Geißbockheim zu gewissen Teilen auch an die sportliche Entwicklung der Mannschaft unter Markus Gisdol gekoppelt. Ein Scheitern Gisdols würde sicherlich auch das Standing des ehemaligen FC-Profis beschädigen, zumal auch bei der Umgestaltung des Kaders auf die Spielidee des Trainers große Rücksicht genommen wurde.
Kontinuität um der Kontinuität willen ist keine Lösung des Problems
Auf Gedeih und Verderb hat sich der 1. FC Köln nicht an seine sportliche Leitung ausgeliefert, doch die „Geißböcke“ müssen zwangsläufig hoffen, dass die zwei Verantwortlichen, die in der vergangenen Saison ihre kleine Chance bei den „Geißböcken“ genutzt haben, auch in dieser Saison den Umschwung schaffen. In der jüngeren Vergangenheit deutet allerdings wenig daraufhin, als könne dies dem Abstiegskandidaten unter schwierigen inneren wie äußeren Umständen gelingen. Dem FC muss daher auch klar sein: Kontinuität um der Kontinuität willen ist keine Lösung des Problems. Sollte die Talfahrt anhalten, könnte sich auch im Spätherbst 2020 eine Bilanz mit Wiedererkennungswert ergeben: Am 11. Spieltag war in der vergangenen Saison nach der achten Niederlage Schluss für Achim Beierlorzer.