Der Ärger rund um den 1. FC Köln war eigentlich gerade verraucht. Der Ärger um einen verpatzten Saisonendspurt, der die „Geißböcke“ mit zehn sieglosen Partien in Serie in die Sommerpause stolpern sah. Der Ärger um schwache Leistungen seit der Fortsetzung der Bundesliga-Spielzeit nach der Corona-Pause, die allen Beteiligten Sorgen machen sollten. Der Ärger vor allem um eine unwürdige Vorstellung beim 1:6 in Bremen, als der FC allen sportlichen Ehrgeiz vermissen ließ und darüber hinaus ziemlich viel TV-Geld wehrlos abschenkte. Doch wer dachte, der 1. FC Köln würde nun dem geplagten Anhang wenigstens einen Monat Zeit zur nervlichen Erholung geben, der kennt diesen 1. FC Köln eben ziemlich schlecht. Wer lässt sich denn bitte eine Einladung zum Eigentor entgehen?
In seinem Infoschreiben an die Dauerkarteninhaber*innen stellte der Verein die Möglichkeiten für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass auch in der kommenden Saison Einschränkungen des Stadionbesuches existieren, vor. Verschiedene Kompensationsmöglichkeiten bietet der FC seinen Fans an: Neben einer anteiligen Erstattung für die Partien, die wegen der Auflagen aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht im Stadion gesehen werden dürfen, können Dauerkarteninhaber*innen auch ihr Saisonticket pausieren lassen. Für einen Verzicht auf die berechtigten Ansprüche gibt es derweil gleich zwei Leckerli: Einerseits erhalten Dauerkarteninhaber*innen auf Wunsch ein (nicht im Verkauf erhältliches) Sondertrikot mit all den Namen der Unterstützer*innen, zum anderen werden alle „alle Dauerkarteninhaber, die auf eine Erstattung verzichten, zuerst berücksichtigt“, falls das Müngersdorfer Stadion wenigstens zu gewissen Teilen wieder bei Heimspielen des 1. FC Köln gefüllt werden darf.
“Erpressung” durch den FC: Härtefallantrag auf kölsche Art
Ja, ihr lest das richtig: Wer es sich erlauben kann, auf seine berechtigten Ansprüche zu pfeifen, der kommt womöglich früher wieder ins Stadion. Wer das aus welchen Gründen auch immer nicht kann oder nicht will, der hat eben im Wortsinne schlechte Karten. Wenig überraschend kam diese „innovative Lösung“ bei den FC-Fans nicht sonderlich gut an: Die Anhänger*innen zeigen sich tief enttäuscht vom Verhalten des Vereins, kritisieren unter den FC-Postings das Angedachte aufs Schärfste, von „Erpressung“ ist in den sozialen Netzwerken vielfach die Rede. Noch schlimmer: Die Pläne des Clubs werden sogar auf einer Ebene mit dem FC Schalke 04 gesehen. Die „Knappen“ hatten bei der Erstattung für Tickets in der Coronakrise auf eine gesetzliche neugeregelte „Gutscheinlösung“ zurückgegriffen und dabei auch Informationen (einen sogenannten Härtefallantrag) von den Fans verlangt. Nach einem veritablen Shitstorm ruderten die Verantwortlichen auf Schalke zurück.
Für den Fall, dass weiter Einschränkungen bei Stadionbesuchen bestehen, bietet der #effzeh seinen Dauerkarteninhabern verschiedene Möglichkeiten. Fans, die auf eine Erstattung verzichten, werden als Dank für ihre Treue auf einem Sondertrikot verewigt.https://t.co/F1hPuTsoAz
— 1. FC Köln (@fckoeln) July 14, 2020
Ähnlich stoßen nun die „Geißböcke“ ihren eigenen Anhänger*innen, den „Treuesten der Treuen“, vor den Kopf. Schon bei den Erstattungen für die gerade abgelaufene Saison, die im Übrigen alles andere als reibungslos verliefen, hatte es der Verein neben emotionaler Erpressung auch mit einem mehr oder weniger attraktiven Paket versucht, den Fans ihre berechtigten Ansprüche auszureden. Nun geht der Club allerdings noch einen Schritt weiter als im Frühjahr – und verknüpft die Hoffnungen auf eine Rückkehr ins Müngersdorfer Stadion mit der finanziellen Frage der Ticketerstattung. Das kann clever genannt werden, schließlich macht einem der FC den Verzicht einfach nur durch andere Angebote schmackhaft. Man kann es auch für berechtigt halten, dass Fans, die dem Verein noch mehr Unterstützung geben, im Gegenzug Vorrechte erhalten. Dass diese beileibe nicht alternativlose Regelung jedoch für Wut sorgen wird, sollte am Geißbockheim jedem klar gewesen sein. Spöttisch gefragt: Wenn diese Daumenschrauben nicht ausreichen, kommen dann dubiose Gestalten an der Haustür klopfen und machen unwilligen Dauerkarteninhaber*innen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können?
Wie tief willst du noch sinken, 1. FC Köln?
Dieser „noch tiefere Tiefpunkt“ (um neben Schalke 04 direkt mit Rudi Völler den nächsten Sympathieträger par excellence erwähnen zu können), diese Erpressung seitens des 1. FC Köln, der sich sonst immer mit seinem eingekauften Marketingclaim „spürbar anders“ wähnt, der sich bei jeder Gelegenheit mit der schier unverbrüchlichen Treue seiner Fans schmückt, der 2012 in schwerster wirtschaftlicher Not unter anderem von diesen gerettet wurde, diese offensichtliche Ausbeutung der tiefen emotionalen Verbundenheit zwischen Verein und Anhang macht wütend. Lieschen Meier und Jupp Schmitz werden schon dafür Verständnis haben, dem FC geht es gerade wirklich nicht gut. Er konnte zwar vor kurzem langfristig den üppig dotierten Vertrag des Sportchefs verlängern, aber eure paar Penunsen sind wirklich extrem wichtig, um die „Corona-Pandemie und ihre massiven finanziellen Auswirkungen“ zu bewältigen. „Enorme Herausforderungen“ warten schließlich in der kommenden Saison. Wie tief willst du noch sinken, 1. FC Köln?
Deutlich geworden ist damit einmal mehr jedoch nur eins: Die viel beschworene Treue, sie ist nur eine Einbahnstraße. Der normale Fan, er möge bitte viel Leidenschaft, noch mehr Verständnis und am besten ein entsprechend gut gepolstertes Bankkonto mitbringen. Der Verein dagegen: Er nimmt, wenn es hart auf hart kommt, nur, ohne zu geben. „Durch et Füer“ sollt nur ihr gehen, wir sitzen gerade gemütlich am Pool in unseren hart verdienten Luxusurlauben in Dubai, auf Mykonos oder wo der Geier es die Fußballbranche derzeit besonders gern hinzieht. Deutlich geworden ist in letzter Zeit auch: Die so genannte „FC-Familie“, sie ist lediglich schlecht gemalte Fassade für all dieses Schauspiel. Ich würde mich jedenfalls in Grund und Boden schämen, würde ich meine Familienmitglieder derart behandeln. Ach Tantchen, du kannst es dir gerade nicht leisten, mir Geld zu geben, das ich dringend brauche, um es direkt wieder sinnlos zu verprassen? Dann ist deine Einladung zu Kaffee und Kuchen leider hinfällig. Tut mir leid, es warten „enorme Herausforderungen“ auf mich.
Finanziell brennt der Baum am Geißbockheim
Es muss finanziell am Geißbockheim gewaltig der Baum brennen, wenn der Club schon zu solch zwielichtigen Methoden greift. Von der Einsicht aus den Geisterspielen, welch wichtiges Faustpfand die eigenen Fans und deren Unterstützung doch sind, bezahlen sich offenbar die überdimensionierten Gehälter der Halbgötter in rot-weiß nicht. Die bittere Konsequenz: Nicht nur sportlich hat der 1. FC Köln derzeit Augenhöhe mit Schalke 04 erreicht, auch finanziell und moralisch ist der Club auf dem besten Wege, dem ungeliebten Rivalen aus dem Ruhrpott Konkurrenz zu machen. Das einzugestehen macht traurig und wütend zugleich. Zu sehen, wie der Verein mit seinem größten Kapital, nämlich den treuen Fans, komplett instinktlos umzugehen versteht, macht traurig und wütend zugleich. Vielleicht sollte man das Geld für Dauerkarte und Mitgliedschaft erst einmal zurückbuchen und bis auf Weiteres einbehalten. Du weißt schon, lieber 1. FC Köln: Es warten „enorme Herausforderungen“ auf uns, die paar Penunsen sind wirklich extrem wichtig, um die „Corona-Pandemie und ihre massiven finanziellen Auswirkungen“ zu bewältigen.