Am Ende waren dann auch die Letzten froh, dass es vorbei war. Vorbei mit einer emotionalen Achterbahn, die sich als Bundesliga-Saison ausgab. Vorbei mit dieser vermaledeiten Saison, die den 1. FC Köln erst tief fallen ließ, um ihn dann Phönix gleich aus der Asche zu erheben, damit der Absturz danach noch einmal präsenter erschien. Nach dem 1:6-Debakel in Bremen war es aus Kölner Sicht endgültig vorbei mit dem Spieljahr 2019/20. Und das Versöhnlichste vorneweg: Den vor der Saison als Ziel ausgegebenen Klassenerhalt konnten die „Geißböcke“ trotz schwachen Auftritten im Endspurt einfahren – eine Leistung, die dem Team Anfang Dezember nicht mehr viele zutrauten.
Doch bevor die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol den Ligaverbleib auch rechnerisch sichern konnten, musste erst einmal die Existenz des Fußballbusiness gerettet werden. Die Coronavirus-Pandemie hatten den Sport mit voller Wucht erwischt, an ein „Weiter so“ war spätestens Mitte März nicht mehr zu denken. Die Bundesliga-Verantwortlichen versuchten zwar noch einmal alles, um den Spielbetrieb am Laufen zu halten, doch wenige Stunden vor Beginn des 26. Spieltags war dann selbst den weltfremdesten unter den Funktionären klar: Jetzt ist nicht mehr die Zeit für Fußball, jetzt gilt es, die eigenen Bedürfnisse hintanzustellen. Das klappte nach einigen Anlaufschwierigkeiten weiter schlecht als recht. König Fußball konnte sich offenbar nicht damit abfinden, dass sich erst einmal die Welt nicht mehr um das runde Leder dreht.
Drei positive Covid-19-Tests, Wirbel um Verstraete
Mittendrin in der heiklen Mission, der Unterhaltungsbranche namens Fußball wieder eine Bühne zu geben und damit das wirtschaftliche Überleben zu retten: FC-Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle, der in seiner Rolle als Mitglied des DFL-Präsidiums zu einem der Gesichter der Bemühungen der Bundesliga wurde. Ob in Nachrichtensendungen oder in Printmedien: Wehrle trommelte energisch für eine baldige Wiederaufnahme des Spielbetriebs – natürlich unter den Maßgaben der Behörden. Die Bundesliga ließ ihre Muskeln spielen, in aller Öffentlichkeit und in den Hinterzimmern. Ein umfassendes Konzept mit vielen sinnvollen und einigen eher weniger sinnvollen Regelungen fand schließlich die Zustimmung der Politik. Mitte Mai sollte es weitergehen – doch zuvor stand die Rückkehr in den Trainingsbetrieb an.
Die lief gerade für den 1. FC Köln nicht gerade glatt ab: Bei den ersten Testreihen, die die Gesundheit der trainierenden Spieler garantieren sollte, wurden gleich drei positive Covid-19-Fälle aus dem Geißbockheim vermeldet. Neben einem Physiotherapeuten waren auch Ismail Jakobs und Niklas Hauptmann asymptomatisch erkrankt. Doch damit nicht genug Wirbel rund um die „Geißböcke“ und das vielerorts angepriesene DFL-Konzept: Birger Verstraete meldete sich angesichts der Situation mit seinen Sorgen und Nöten in belgischen Medien zu Wort, vor allem ob seiner herzkranken Freundin, die in Sachen Coronavirus als Risikopatientin gilt. Nur wenige Tage später folgte nach einem eindringlichen Gespräch mit Verstraete die Rolle rückwärts: Der Spieler bat öffentlich in einer Vereinsmitteilung um Entschuldigung für die „Missverständnisse“. Maulkorb statt Mundschutz – sonderlich glaubwürdig wirkte das leider nicht.
Nach der Corona-Pause: Traum von Europa jäh geplatzt
Zuvor hatte der 1. FC Köln bereits die Weichen für die Zukunft gestellt: Top-Talent Noah Katterbach, nach seinem Durchbruch in der Bundesliga durchaus von der Konkurrenz umworben, verlängerte seinen Vertrag bei den „Geißböcken“ bis ins Jahr 2024. „Es ist ein wahnsinnig starkes Signal, dass er unbedingt hier bleiben wollte“, betonte FC-Sportgeschäftsführer Horst Heldt angesichts der für den FC erfreulichen Nachricht. „Seit ich sieben Jahre alt bin, spiele ich für den FC. Und schon bevor ich hierhin gekommen bin, war ich Fan. Deshalb habe ich eine sehr große Verbindung zum Verein und zur Stadt. Der FC ist mein Herzensverein, deshalb ist mir die Entscheidung leicht gefallen“, erklärte Katterbach, der sich nicht als einziger Nachwuchsspieler langfristig an den Club band. Auch Robert Voloder, Tim Lemperle und Daniel Adamczyk unterschrieben Profiverträge beim FC.
Sportlich ging es für die Kölner derweil erst Mitte Mai weiter: Mit den Heimspielen gegen Mainz und Düsseldorf starteten die „Geißböcke“ in den restlichen Abschnitt der Bundesliga-Saison. Hatten einige ob des starken Laufs vor der Corona-Pause noch Richtung Europapokal geschielt, mussten diese Träume nach den beiden Partien eher ad acta gelegt werden. Gegen die Mainzer verspielte der FC eine 2:0-Führung, im Derby gegen Düsseldorf reichten fünf gute Minuten, um in der Nachspielzeit aus einem 0:2 ein 2:2 zu machen. Zwei Remis, zwei mehr oder weniger schwache Auftritte. Getreu dem Motto „Geisterspiel ist einfach scheiße“ (FC-Kapitän Jonas Hector) kam die Gisdol-Elf ohne Unterstützung der eigenen Fans offensichtlich nicht ins Laufen. „Es ist menschlich, mit dieser Situation Probleme zu haben. Es sind keine Roboter, die da auf dem Platz stehen“, analysierte Horst Heldt: „Was wir vor Corona abgeliefert haben, war kein Zufall. Wir wurden von den Fans getragen.“
Zehn Spiele ohne Sieg reichen dennoch zum Klassenerhalt
Doch offensichtlich konnte sich das FC-Team an die Umstände nicht wirklich gewöhnen: Ein schmeichelhafter Punktgewinn in Augsburg folgte auf Niederlagen bei der TSG Hoffenheim und zuhause gegen Leipzig. Danach lieferten die „Geißböcke“ zuhause gegen Mitaufsteiger Union Berlin einen spielerischen Offenbarungseid ab, das 1:2 ließ die Kölner noch einmal um den Klassenerhalt zittern. Erst als am Ende einer Englischen Woche nach einer weiteren Pleite in Leverkusen gegen Eintracht Frankfurt ein Zähler eingefahren werden konnte, waren am 33. Spieltag die letzten Zweifel beseitigt. Der 1. FC Köln spielt auch in der kommenden Saison in der Bundesliga. Rein rechnerisch, so wurde jedem nach dem abschließenden Spieltag bewusst, war der Klassenerhalt sogar schon vor der Corona-Pause eingefahren worden – nach dem 2:1-Sieg in Paderborn hatte die Gisdol-Elf 32 Punkte auf dem Konto. Eine Bilanz, die gereicht hätte für den Ligaverbleib.
Neben dem Platz konnte der 1. FC Köln zeigen, dass er doch noch gewinnen kann. Der Rat der Stadt Köln stimmte mit deutlicher Mehrheit für die umstrittenen Ausbaupläne des Vereins am Geißbockheim. Drei Kunstrasenplätze und ein Nachwuchsleistungszentrum wollen die „Geißböcke“ im als Landschutzgebiet ausgezeichnetem Grüngürtel errichten. „Für unseren Club ist diese Entscheidung ein Zeichen des Aufbruchs. Wir haben eine Perspektive an diesem einzigartigen Standort und wir haben dafür die Rückendeckung unserer Stadt“, freut sich Horst Heldt über die Zustimmung des Stadtrats, die sich vor allem auf die Fraktionen von CDU, SPD und FDP stützte. Doch die Bagger werden wohl so schnell nicht rollen an der FC-Heimat: Umweltschutzverbände und Anwohnerinitiativen haben bereits Klagen gegen die Pläne angekündigt.
“Nur ein gutes Drittel wird nächstes Jahr nicht reichen”
Den Schlusspunkt auf diese Achterbahnsaison setzten die Kölner dann mit einem denkwürdigen schlechten Auftritt am abschließenden Spieltag: Bei Werder Bremen ging der FC mit 1:6 baden, die Grün-Weißen schossen sich durch diesen Kantersieg in die (letztlich erfolgreich bestrittene) Relegation. Hohn, Spott und bittere Vorwürfe waren die Folge für die „Geißböcke“, die sich an der Weser wahrlich nicht sonderlich sportlich präsentierten hatten.„Es war scheiße, was wir hier abgerufen haben. Das tut mir leid, auch für die Fans“, sprach Marco Höger danach aus, was alle dachten, und schob seine Analyse eines schwierigen Jahres direkt hinterher: „Wir wissen, dass wir nur eine gute Phase in der Saison hatten. Zu Beginn und am Ende der Saison war das zu wenig. Nur ein gutes Drittel einer Saison wird nächstes Jahr nicht reichen, um in der Bundesliga zu bleiben. Jetzt geht trotz Klassenerhalts keiner mit einem guten Gefühl in die Sommerpause.“
Dass vor dem 1. FC Köln viel Arbeit in diesem Sommer liegen dürfte, hat allerdings nicht nur Marco Höger erkannt. Zehn Spiele ohne Sieg stehen am Ende zu Buche für den Aufsteiger, der mit dem schwachen Endspurt viel TV-Geld durch den Kamin jagte. Bei einer wichtigen Personalie machten die „Geißböcke“ noch vor dem Urlaub Nägel mit Köpfen: Horst Heldt band sich bis Sommer 2023 an den Verein. „Wir möchten auf der Position des Geschäftsführers Sport Kontinuität erreichen und sind überzeugt, dass dies mit Horst Heldt gelingen wird. Er hat seit seinem Antritt im November unter schwierigen Bedingungen einen wichtigen Umschwung beim FC erreicht“, erklärte FC-Präsident Werner Wolf. Auch Trainer Markus Gisdol steht – trotz zehn Spielen ohne Sieg zum Saisonende – vor der Verlängerung seines Vertrags am Geißbockheim. Auf ins nächste Abenteuer!