Die turbulente Bundesliga-Saison 2019/2020, die zwischenzeitlich durch die Corona-Pandemie unterbrochen werden musste, ist vorbei – nun geht der Blick nach vorne, auch beim 1. FC Köln. In der Domstadt bietet sich trotz aller Herausforderungen auch eine enorme Chance: Durch die finanziellen Zwänge sind Geschäftsführer Horst Heldt, Alexander Wehrle und Trainer Markus Gisdol bei ihrer Aufgabe, den 1. FC Köln konkurrenzfähig werden zu lassen, zu Kreativität verpflichtet. Daraus kann auch eine große Zukunftsvision erwachsen, denn vielleicht sind es die Zustände in diesem Sommer, die dem FC auf den Erkenntnisweg bringen, ein Ausbildungsverein zu sein.
Spielern Zeit geben, sie ausbilden und dann für Geld weiterverkaufen – im Haifischbecken Bundesliga scheint dies aktuell der einzig sinnvolle und identitätsstiftende Weg zu sein, den der FC gehen kann. Zuvor muss sich der Verein mittels Geschäftsführung erstmal seiner personellen Altlasten entledigen. Vertraglich haben Heldt, Wehrle und Gisdol das Mandat dafür: Heldts Vertrag wurde kürzlich bis 2023 verlängert, der von Trainer Gisdol soll ebenfalls ausgedehnt werden. Wehrle, Herr über die Kölner Finanzen, ist ohnehin langfristig an den FC gebunden. Auf alle drei kommt jede Menge Arbeit zu.
Der Juli markiert dabei einen Monat des Übergangs, in dem sich die Vereine ihren Kadern widmen, Transfers andenken und durchführen können. Das entsprechende Transferfenster öffnet am 15. Juli, wegen der Umgestaltung des Terminkalenders der UEFA dürfen Vereine nun bis zum 5. Oktober 2020 Spieler verpflichten oder verkaufen. Das bedeutet, dass die neue Saison, die rund um den 12. September mit den Erstrundenspielen im DFB-Pokal beginnen wird, bereits vier Wochen läuft, bevor sich das Transferfenster schließt. Für die Vereine heißt das: Mehr Flexibilität auf dem Transfermarkt, auch für den 1. FC Köln.
Der 1. FC Köln muss seinen Kader verkleinern
Die Ausgangslage ist dabei nicht einfach: Stand jetzt listet das Portal Transfermarkt 32 Spieler im Kader des FC. Mit den Abgängen von Niklas Hauptmann (per Leihe nach Kiel), Birger Verstraete (per Leihe nach Antwerpen) und Jan-Christoph Bartels (fix nach Mannheim) ist es dem 1. FC Köln immerhin schon gelungen, drei Spieler von der Payroll zu bekommen – wenngleich die dringend benötigte Liquidität dadurch nicht erzielt wird. Aber immerhin die Fixkosten sinken, wenn der Kader kleiner wird.
Eigentlich ist es am Geißbockheim jedoch andersherum: Im Juli sind mit Frederik Sörensen, Lasse Sobiech, Joao Queiros, Yann-Aurel Bisseck, Jannes Horn, Salih Özcan, Vincent Koziello, Louis Schaub und Tomas Ostrak gleich neun (!) Spieler von ihren Leihen zurückgekehrt. Sie binden erhebliche Gehaltskosten, ohne dabei allerdings sportlich wirklich weiterzuhelfen – zumindest Stand jetzt. Denn es kommt wie bereits auf die Flexibilität in diesem Transfersommer an. Und da gibt es auch Möglichkeiten, das vorhandene Personal vielleicht besser zu nutzen, als das vorher der Fall war.
Muss die Ärmel hochkrempeln: Kölns Geschäftsführer Horst Heldt | Foto: Oliver Hardt/Getty Images
Der 1. FC Köln wird zwar nicht umhin kommen, einige dieser Spieler abzugeben, bei anderen bietet sich vielleicht durch die neue Pandemie-bedingte Situation eine Chance. Es ist fraglich, ob Sobiech, Queiros, Bisseck, J. Horn und Ostrak die nötige Qualität mitbringen, um dem FC auf seinem Weg in der Bundesliga zu helfen. Bei Sörensen, Özcan, Koziello und Schaub könnte die Lage vielleicht anders aussehen. Zwar werden alle mehr oder weniger als mögliche Abgänge in der Öffentlichkeit diskutiert, diese Sicht greift jedoch womöglich zu kurz.
Die Corona-Krise als zweite Chance für einige Spieler?
Sörensen hatte seine Bundesligatauglichkeit in den Jahren vor dem Abstieg 2018 unter Beweis gestellt, seine Leihe in die Schweiz verlief zudem einigermaßen erfolgreich. Özcan ist mit seinen 22 Jahren immer noch ein junger und entwicklungsfähiger Spieler. Und auch bei Koziello und Schaub sollten die FC-Verantwortlichen die Hoffnung so schnell nicht aufgeben: Beide gelten im Kader des 1. FC Köln als durchaus talentierte Fußballer, die ihre Stärken vor allem im Spiel mit dem Ball haben.
Da Gisdols Fußball aber sehr stark auf Physis und Dynamik setzt, hatten beide in den letzten Monaten keine Chance und wurden folgerichtig zeitweise abgegeben. Vielleicht könnte ein kreativerer zentraler Mittelfeldspieler wie Koziello aber helfen, die Qualität im Kader zu erhöhen. Ähnlich ist es bei Louis Schaub, der zwar zuletzt beim Hamburger SV auch nicht restlos überzeugen konnte, im bevorzugten 4-4-2 von Gisdol aber möglicherweise ein geeigneter Kandidat sein könnte, um die Zehnerposition zu besetzen – eine Verpflichtung von Mark Uth dürfte sich rein aus finanzieller Sicht schwierig gestalten.
Der Trainer wird daher auch als Pädagoge gefragt sein, um Spieler, die eigentlich schon draußen waren, wieder in den Kader zu integrieren und für sie die richtige Rolle zu finden. Ein ähnlicher Kandidat für diesen Prozess könnte Jorge Meré sein, der sich offenbar schon länger mit Abwanderungsgedanken plagt, aber eigentlich der fußballerisch stärkste Innenverteidiger im Kader ist.
Auf der nächsten Seite: Vor welchen Herausforderungen der 1. FC Köln in diesem Sommer steht.