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Auswärtsspiel

“Alle Vorteile liegen beim effzeh”

Zum Bundesliga-Auftakt kommt Darmstadt 98 nach Müngersdorf. Vor dem Startschuss sprachen wir mit “Lilien”-Fan Matthias über neue Gesichter, alte Bekannte und die Ausgangssituation.

Photo by Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir auch in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.

Der Bundesliga-Auftakt rückt für den effzeh immer näher, mit Darmstadt 98 kommt eine echte Wundertüte nach Müngersdorf. Wo stehen die “Lilien” nach dem Umbruch im Sommer? Was macht der uns allen ur-sympathische Norbert Meier? Und wie sehen die Fans die Chancen auf einen erneuten Klassenerhalt? All die Fragen klären wir mit D98-Fan Matthias Kneifl, der unter kickschuh.wordpress.com über seinen Verein bloggt und Teil des Lilien-Podcasts “Hoch & weit” ist. Daneben etablierte er die Südhessen 2015 in der 111-Gründe-Reihe des Schwarzkopf&Schwarzkopf-Verlags. Für sein Buch konnte er dabei mit effzeh-Profi Mergim Mavraj sprechen, der seine Profikarriere am Böllenfalltor startete.

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Endlich ist wieder Bundesliga – die quälend lange Sommerpause im Ligabetrieb hat nun ein Ende. Wie heiß ist man bei den “Lilien” auf das erste zweite Jahr in Deutschlands Beletage?

Na ja, insgesamt ist es die vierte Bundesliga-Saison der Lilien. Aber Du hast schon recht, es ist das erste Mal, dass der SVD zwei Bundesliga-Spielzeiten infolge bestreitet. Das ist schon der Wahnsinn. Umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass der Klub im Frühjahr 2013 sportlich in die 4. Liga abgestiegen war. Das alles macht die anstehende Runde wieder zu etwas besonderem und wir Fans freuen uns riesig, wieder bei den „Großen“ mitspielen zu dürfen.

Im Pokal jedenfalls habt ihr Euch schadlos gehalten – und mit dem effzeh für den höchsten Sieg der Auftaktrunde gesorgt. Welche Erkenntnisse konntest du aus der Partie mitnehmen?

Die erfreuliche Tatsache ist, dass das Team die Pokalaufgabe beim krassen Außenseiter mit der notwendigen Seriosität angegangen ist und permanent Tore nachgelegt hat. Die Treffer fielen zudem aus den verschiedensten Situationen. Mit einem Standard, nach einem Standard, über die Flügel, nach langen Bällen und mit Antonio Colak haben wir einen Stürmer, der sich offensichtlich im Strafraum wohlfühlt. Dennoch sollte man das Spiel gegen einen Fünftligisten nicht überbewerten.

[perfectpullquote align=”left” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]Selbst für uns Fans ist die Leistungsfähigkeit der Mannschaft derzeit schwer zu bewerten. Das Mannschaftsgefüge und die Stammelf werden sich also erst noch finden müssen.[/perfectpullquote]

Im Sommer hat sich unfassbar viel getan in Darmstadt – das Team musste zwangsläufig runderneuert werden, Norbert Meier übernahm für den abwanderungswilligen Dirk Schuster. Sind die “Lilien” auch in dieser Saison eine Wundertüte?

Absolut. Selbst für uns Fans ist die Leistungsfähigkeit der Mannschaft derzeit schwer zu bewerten, da wir alleine im August noch einmal sieben neue Spieler hinzubekommen haben. Das Mannschaftsgefüge und die Stammelf werden sich also erst noch finden müssen. Ich denke, Anfang Oktober sind wir etwas schlauer.

Wie hast du all die Veränderungen aufgenommen? Schwerster Verlust dürfte sicherlich Trainer Dirk Schuster sein, oder?

Mit Sicherheit. Der SVD war bis zu seinem Weggang ein klassischer Trainerverein. Schuster war der Mastermind hinter der Wiederbelebung der Lilien. Er hat den Kader nach seinen Vorstellungen und mit viel Phantasie zusammengestellt. Die Spieler haben seine Philosophie „Mentalität schlägt Qualität“ förmlich aufgesaugt und auf den Platz gebracht. Ohne ihn würden wir uns heute definitiv nicht über das Spiel am Samstag unterhalten.

Neuer Coach ist Norbert Meier, der mit dem effzeh wohl seinen persönlichen Tiefpunkt verbinden dürfte. Wie schlägt sich der Routinier an der Seitenlinie? Was ist anders als noch unter Schuster?

Seit dieser Saison Trainer der "Lilien": Norbert "Kopfnuss" Meier (Photo by Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images)

Seit dieser Saison Trainer der “Lilien”: Norbert “Kopfnuss” Meier (Photo by Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images)

Schuster war mehr oder weniger Alleinunterhalter. Durch die Installation von Holger Fach als Sportlicher Leiter, verteilt sich allein schon die Transferpolitik und Medienarbeit auf mehrere Schultern. Zudem ist das Trainerteam breiter aufgestellt. Eine gewisse Professionalisierung hat also den Klub ergriffen. Wie sich Meier an der Seitenlinie schlagen wird, darauf sind wir Fans selbst sehr gespannt, wobei eine kleine Skepsis mitschwingt. Schuster vertraute man blind, denn er feierte einfach unglaubliche Erfolge.

Auch auf dem Platz werden viele neue Gesichter zu sehen sein. Haben sich die “Lilien” besser aufgestellt als im Vorjahr?

Ja, vor allem in der Breite. Zugegeben, wir haben in unserem noch jungen Lilien-Podcast „Hoch & weit“ lange gemosert, da sich an der Transferfront so gar nichts tat. Aber nach und nach hat Holger Fach geliefert. Und das, obwohl er der Lilien-Prämisse treu geblieben ist, primär Spieler zu leihen oder ablösefrei zu verpflichten. Der SVD hat nahezu durchweg Spieler hinzugewonnen, die hier oder im Ausland Erstligaerfahrung gesammelt haben. Viele von ihnen sind Nationalspieler in ihren Heimatländern. Dass etwa László Kleinheisler nun für ein Jahr das Lilien-Trikot trägt, war nach dessen starken Auftritten bei der EURO keine Selbstverständlichkeit.

In der vergangenen Saison versuchte Euer Team sein Glück mit einer speziellen Spielweise, die nicht immer auf Gegenliebe stieß. Werdet Ihr auch in dieser Spielzeit ein unangenehmer Gegner sein?

Davon gehe ich aus. Das disziplinierte Defensivverhalten war in der vergangenen Saison sehr wichtig und wird sicher auch in der neuen Spielzeit nicht vernachlässigt. Meier will aber einen Schritt weiter gehen und mehr Wert auf Ballbesitzfußball legen. Darauf angesprochen antwortete Peter Niemeyer in einem Interview etwas launig, „man muss ja auch Ziele haben“. Ich denke, die oberste Prämisse bleibt „Safety first“. Dennoch werden sie den Ball länger als bislang in den eigenen Reihen halten wollen und variablere spielerische Automatismen einbauen. Die schnellen Ballverluste kosteten im letzten Jahr schlichtweg viel zu viel Kraft.

Früher gab es enge Bande zwischen Köln und Darmstadt. Mit welchen Augen blickst Du auf den effzeh?

[perfectpullquote align=”right” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]Mir nötigt der jüngste Werdegang des effzeh großen Respekt ab. Diese Ruhe, die unter Stöger und Schmadtke eingekehrt ist, tun dem Verein und dem Team spürbar gut. [/perfectpullquote]

Der Klassiker „Wir haben keine Gegner mehr, der 1. FC Köln muss her“, den die Lilienfans beim Erstligaaufstieg 1978 kreiert haben, erlebte zuletzt ein kleines nostalgisches Revival am Böllenfalltor. Der effzeh hat gerade jetzt zu gemeinsamen Erstligazeiten, wieder einen besonderen Klang in Darmstadt. Ich selbst arbeite im Rheinland und bekomme deshalb mit, wie stark der effzeh hier verwurzelt ist und die Menschen bewegt. Dabei schwingt allerdings immer eine gewisse Hybris mit, die euch so ein wenig mit den Eintracht-Fans eint. Dieses Gefühl, man sei eigentlich größer, als es die Realität aussagt. Gerade deshalb nötigt mir der jüngste Werdegang des effzeh großen Respekt ab. Diese Ruhe, die unter Stöger und Schmadtke eingekehrt ist, tun dem Verein und dem Team spürbar gut. Darauf lässt sich meines Erachtens wunderbar aufbauen. Lieber step by step entwickeln, als den großen Sprung riskieren, der dann auch mal in der Zweitklassigkeit münden kann.

Das letzte Wiedersehen gab es schon vor kurzer Zeit, der effzeh gewann deutlich mit 4:1. Was lief dabei aus Eurer Sicht schief?

Vor dem Köln-Spiel war das Team in sechs Partien ungeschlagen geblieben. Zwei Siege gegen den HSV und Ingolstadt hatten den Klassenerhalt in greifbare Nähe rücken lassen. Es fehlte nur noch ein Sieg aus vier Partien und die Sache wäre geritzt gewesen. Zudem hatte der effzeh nach seiner überzeugenden Aufholjagd von Mainz de facto nichts mehr mit dem Abstieg zu tun. Ich glaube, das Team von Dirk Schuster ging im Unterbewusstsein ein paar Prozent zu selbstsicher oder arglos in die Partie. Zudem fehlte mit Peter Niemeyer ein wichtiger Spieler verletzt. Und dann gab Köln von Anfang an Gas. Die langen Pässe in die Spitze wurden weder im Mittelfeld unterbunden, noch war die ansonsten sattelfeste Verteidigung im Bilde. So war es ein munteres Spielchen, dass auch 3:7 hätte enden können. Für mich war es auf der Gästetribüne jedenfalls ernüchternd mitzuerleben. Gerade angesichts der eigentlich auswärtsstarken Lilien.

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Welche Chancen siehst du am kommenden Samstag, den effzeh nachhaltig zu ärgern?

Auf harte Zweikämpfe darf sich Anthony Modeste gegen Darmstadt einstellen (Photo by Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images)

Auf harte Zweikämpfe darf sich Anthony Modeste gegen Darmstadt einstellen (Photo by Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images)

Alle Vorteile liegen beim effzeh: ein volles Stadion, ein eingespieltes Team, das punktuell verstärkt wurde. Zudem das gute Gefühl des letzten Aufeinandertreffens. Ich denke aber auch, dass die neuen Lilien nicht nur für mich schwer einzuschätzen sind, sondern auch für den effzeh. Kocka Rausch dürfte jedenfalls nicht allzu viele Insider-Kenntnisse weitergeben können. Kurzum, der effzeh wird und will das Spiel machen, die Lilien können abwarten und erst einmal die Null sichern, inklusive des ein oder anderen offensiven Nadelstichs. Das ist doch eigentlich eine Ausgangssituation, mit der sich die Lilien bestens anfreunden können.

Wo siehst du uns am Ende der Saison? Und was werden die “Lilien” erreichen?

Für die Abstiegsregionen seid ihr zu gefestigt. Für einen Angriff auf die internationalen Plätze müsste über die gesamte Saison alles passen und oben einige Klubs langfristig unter Wert spielen. Ich glaube also, der effzeh wird sich wieder in der Region einsortieren wie zuletzt. Für den SVD heißt es so lange wie möglich Platz 15 im Blick zu behalten. Und das wird trotz der breiteren Qualität im Kader verdammt schwer.

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