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Auswärtsspiel

“Ich erinnere mich noch an all die Schlachten”

Ganz großes Kino: Wir müssen zum Rekordmeister! Mit FCB-Fan Oliver sprechen wir in unserem “Auswärtsspiel” über Erwartungshaltung, Erfolgsfans und die Schwächen der Bayern.

Foto: Dirk Unschuld
Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln stellen wir in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Für das Duell bei Rekordmeister Bayern München sprechen wir mit FCB-Fan Oliver Schmidt, der unter dem Pseudonym “Breitnigge” bloggt, über die Erwartungshaltung als Favorit, Schwächen der Bayern, das Image der Erfolgsfans und die Duelle in den achtziger und neunziger Jahren.

effzeh.com: Nach dem 8:0 gegen Hamburg nur ein 6:0 in Paderborn – die Bayern sind derzeit auf Talfahrt und ausgerechnet jetzt kommt die Auswärtsmacht aus Köln in die bayerische Landeshauptstadt. Habt ihr überhaupt eine Chance gegen den effzeh?

Oliver: Jedes Spiel beginnt bei 0:0 und dauert oft 90 Minuten. Ich hoffe, dass unsere elf bayerischen Freunde auf dem Rasen brennen und alles geben werden. Dann sollte es am Ende des Tages möglich sein, dass wir gegen den effzeh eine Chance haben sollten, was zu holen. Ich denke, am Freitag könnten wir nach unserer Durststrecke was mitnehmen.

effzeh.com: Im Ernst: Wir sind krasser Außenseiter, ihr der haushohe Favorit. Mit welcher Erwartungshaltung gehst du ins Spiel?

Oliver: Erwartungshaltung ist so ein schwieriges Wort als Fan des FC Bayern. Auch und vor allem wenn man die letzten 2-3 Spielzeiten betrachtet. Natürlich erwarten alle einen Sieg des FC Bayern, aber der Anfang der Rückrunde hat ja gezeigt, dass Erwartungshaltungen auch enttäuscht werden können.

effzeh.com: Auswärts haben wir in München, das 0:3 in Überzahl unter Solbakken ausgeklammert, zuletzt recht gut ausgesehen. Die Bayern sind allerdings derzeit so stark wie nie. Gibt es irgendeine Schwäche, die du verraten könnst, damit wir wenigstens etwas Hoffnung haben?

Oliver: Die Schwäche der Bayern, die ja auch offensichtlich war, haben wir am Anfang der Rückrunde gesehen. Für die aktuellen Gegner des FC Bayern muss man hier ergänzen: Leider ist der Anfang der Rückrunde Geschichte. Konkrete Punkte gibt es viele: Hoch anlaufen, Stören im Spielaufbau, vogelwild kontern, Alonso in Manndeckung nehmen, etc. Allein, das Problem ist hier: Niemand weiß, was sich unser Trainer wieder Neues für das Spiel gegen die Domkicker ausgedacht hat. Unberechenbarkeit ist oft unser größtes Pfund. Neben all den anderen Dingen…

effzeh.com: Der nächste Titel scheint bereits im Sack zu sein. Wann dürfen wir Euch denn zur Meisterschaft gratulieren?

Oliver: Wenn die Salatschüssel übergeben wurde…

Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

effzeh.com : Viele Nicht-FCB-Fans fragen sich stets: Bei soviel Erfolg die ganze Zeit – weiß man da die Siege in der Bundesliga überhaupt noch zu schätzen?

Oliver: Aber ja. Natürlich haben sich Dinge in der Wahrnehmung und Erwartungshaltung verändert. Welcher Bayern-Fan würde das für die Zeit seit 2012 abstreiten wollen? Aber für mich bietet mein Verein trotzdem immer neue Facetten. Die Heynckes-Triple-Saison war etwas Berauschendes. Jede Spielzeit, fast jedes Spiel unter Guardiola ist faszinierend. Nicht zwingend aus der Angst vor einer Niederlage heraus (wobei es derlei natürlich trotzdem gibt – in der Champions League, ab dem Viertel- oder Halbfinale. Andere Liga, klar), aber in Hinsicht auf unser Spiel, die taktischen Feinheiten, die Spielfreude und das sich ständig weiter entwickelnde Gebilde. Wer diese Beschreibung nicht versteht, hat den Fußball vergessen, den wir teilweise vor 2012 gespielt haben (ich nenne hier bewusst keine Trainernamen).

effzeh.com: Bayern-Anhänger gelten sowieso häufig als Erfolgsfans. Ein Mythos oder steckt in dem Vorurteil auch ein Fünkchen Wahrheit?

Oliver: Natürlich stimmt das. Und ist sowohl logisch als auch verständlich. Wo Erfolg ist, da sind Erfolgsfans. Wer diesen Zusammenhang bestreitet, blendet die Realität aus. Auch beim BVB, bei S04, Red Bull Leipzig, der TSG Hoffenheim und sicher auch – ab und an – beim FC gibt es diese Fans. Ziemlich viele Vereine (nicht unbedingt deren Alt-Fans), die gerade nicht so viel Erfolg haben, hätten sicher in dieser Analogie ein wenig mehr davon. Erfolg und Erfolgsfans. Beim FC Bayern mag diese Fan-Gattung sogar noch etwas ausgeprägter sein, aber ein Verein wie der FC Bayern hatte seit seinem Bundesliga-Aufstieg 1965 schlichtweg auch den meisten Erfolg. That’s it.

effzeh.com: In der Winterpause gab es gerade unter den FCB-Anhängern auf Twitter großen Aufruhr wegen des Trainingslagers in Katar und dem Testspiel in Saudi-Arabien. Wie hast du die Geschehnisse wahrgenommen?

Oliver: Den “Aufruhr” oder das Trainingslager?! Ich habe erneut bestätigt bekommen, dass es in der Fanschaft des FC Bayern die gesamte Bandbreite gibt. Es gibt Fans, denen solche Trainingslager und Katar & Co. schnuppe sind und die die (vereinfachte) Meinung des Vereins teilen, dass der Fußball / der FC Bayern unpolitisch ist und der Fußball / der FC Bayern an den Zuständen in Katar weder etwas ändern kann noch soll. Das andere Ende der Fahnenstange sind Bayern-Fans, die ihre Mitgliedschaft im FC Bayern gekündigt und begonnen haben, sich emotional vom Verein zu verabschieden. Ich gehöre keinem dieser “Extrem”-Positionen an, sehe aber, aus privat-politischen Gründen, derlei Events des FC Bayern ebenfalls kritisch. Aus dem Verein bin ich deshalb noch nicht ausgetreten, allein, um mir nicht die Chance zu nehmen, auf der nächsten JHV ggf. der Vereinsführung ein direktes Feedback zum nächsten Thema “Sommertrainingslager in China” geben zu können. Ich weiß, dass ich mit dieser Meinung, diesen Äußerungen, diesen Ankündigungen, einigen FCB-Fans anfange auf die Nerven zu gehen, aber ich bin nun einmal so. Nervig. Ab und zu.

effzeh.com: Von außen wirkt es, als scheinen die Bayern auf einem guten Weg in Sachen Fanarbeit zu sein. Woher kommt der Sinneswandel beim FCB?

Oliver: Im Detail wissen das sicher nur Wenige, schon einmal gar keine Außenstehende. Ich müsste hier zu weit ausholen, um wirklich alle Aspekte dieses Thema über die letzten Jahre zu beleuchten. Deshalb die Kurzfassung: Nach Jahren des gegenseitigen Misstrauens, hat es auf dem absoluten Tiefpunkt am Anfang der letzten Saison bei den Vereinsverantwortlichen des FC Bayern offenbar Klick gemacht. Denn auch, wenn man nur auf der Haupttribüne im VIP-Bereich sitzt, bekommt man mit, wenn über zwei Heimspiele überhaupt kein Support aus der Fankurve kommt. Und als i-Tüpfelchen (und Vergleich) dann das auswärtige Europäische Supercup-Finale in Prag. Eine epochale Stimmungsexplosion auch und gerade in der obigen Gemengelage. Von diesem Zeitpunkt an redete man wohl endlich wieder auf Augenhöhe miteinander und entwickelte über den Dialog beidseitiges Verständnis. Das Resultat dieser Entwicklung sehen wir in der Gegenwart.

effzeh.com: Du lebst in Bonn, also praktisch im effzeh-Kernland. Wie nimmst du unseren glorreichen Club wahr? Was verbindest du überhaupt mit dem effzeh?

Oliver: Medial kommt man auch in Bonn kaum am FC vorbei, wobei es schon etwas abgeschwächter ist, als würde ich in Köln selbst leben. Die Zeiten, als Spiele gegen den FC mir echte Sorgen und richtig schlechte Laune gemacht haben, sind – aus meiner Sicht: Gott sei Dank – vorbei. Aber ich erinnere mich durchaus noch an all die Schlachten in den 80er-, 90er-Jahren. Als der FC seinen Ruf als “Fahrstuhlmannschaft” begründete, nahm die “Gefährlichkeit” für uns Bayern natürlich ab, aber 2:3-Niederlagen nach 2:0-Führung in Köln gab es ja auch noch in der jüngeren Vergangenheit…

effzeh.com: Zum Abschluss: Dein Tipp, bitte!

Oliver: Ich hoffe, der FC Bayern kann sich in der Nachspielzeit einen dreckigen Dusel-Heimsieg ergaunern…

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