In der Heimfestung gegen ein Kellerkind: Hannover kommt nach Müngersdorf. Diesmal im effzeh.com-Auswärtsspiel: 96-Fan Tobias über das Tief bei den „Roten“.
Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir auch in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.
Nach der Länderspielpause greift der effzeh erst sonntags ins Geschehen ein, wenn Hannover 96 zu Gast im Müngersdorfer Stadion ist. Nach ganz schwachem Start haben sich die Niedersachsen vor der Unterbrechung berappelt und gegen Bremen den ersten Saisonsieg eingefahren. Vor dem Heimspiel gegen das Kellerkind sprechen wir im effzeh.com-Auswärtsspiel mit 96-Blogger (http://www.thewalkingred.de/) Tobias (https://twitter.com/Buje78) über das Tief bei den „Roten“, Michael Frontzeck unter Druck, die Ex-Hannoveraner in unseren Reihen und den Stand der Zwistigkeiten mit der Fanszene.
effzeh.com: Die quälend lange Länderspielpause ist vorbei, es geht endlich in der Bundesliga weiter. Ist man auch in Hannover froh, dass der Ball nun wieder rollt?
Tobias: In die Länderspielpause wurde sich zumindest punktetechnisch ordentlich verabschiedet. Dank der Rückkehr von verletzten Spieler kann aus dem Vollen geschöpft werden und gestärkt die Reise in die Domstadt angetreten werden. Gut, dass es endlich soweit ist.
effzeh.com: Ein starker Auftritt in Wolfsburg, dann ein Sieg über Werder Bremen. Kam die Unterbrechung für die “Roten” zur Unzeit?
Tobias: Zumindest hätte es bessere Zeitpunkte geben können. So konnten hoffentlich im Training weitere Verbesserung erreicht werden.
effzeh.com: Der Saisonstart ist 96 misslungen, ihr hängt im Tabellenkeller fest. Warum konnte der Schwung durch den Klassenerhalt nicht in die neue Spielzeit gerettet werden?
Tobias: Vor allem, weil es keinen großen Schwung gab. Nach der knappen Rettung in der letzten Saison hat man in der Sommerpause die Chance verstreichen zu lassen, sich personell neu aufzustellen, um so eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Notwendige Entscheidungen wurden nicht getroffen und mit Dirk Dufner ein Manager auf Abruf die Kaderplanung überlassen. Das war ein großer Fehler.
effzeh.com: Michael Frontzeck steht bereits unter Druck, obwohl er den Klub letzte Saison vor dem Abstieg bewahrt hat. Ist der Ex-Gladbacher mehr als ein Feuerwehrmann?
Tobias: Er steht in meinen Augen zwangsläufig unter Druck. Er mag ein ordentlicher Zweitligatrainer sein, er hat in der letzten Saison auch die Köpfe der Spieler erreicht und es konnte der Klassenerhalt gefeiert werden. Dafür gebührt ihm Lob und Dank. Den Nachweis, eine Mannschaft nachhaltig aufzubauen und zu formen, blieb er bisher in seiner Karriere schuldig und tut das auch bei uns.
effzeh.com: Die Qualität des Kaders wirkt von außen betrachtet sehr, sehr überschaubar, ein Leistungsträger wie Lars Stindl scheint nicht ersetzt worden zu sein. Wie steht es wirklich um die Schlagkraft deiner Hannoveraner?
Tobias: In den letzten zweieinhalb Jahren wurde die komplette Offensive abgegeben. Stammspieler wie Huszti, Diouf, Stindl und auch Leo wurden gar nicht oder unzureichend ersetzt. Da ist es nur zwangsläufig, dass es an Durchschlagskraft fehlt. Hier wurden in meinen Augen Kardinalsfehler begangen. Ein Erdinc muss sich naturgemäß an die Bundesliga gewöhnen, Benschop muss den nächsten Schritt machen – mal sehen, ob er das kann. Schwerwiegender wiegt allerdings der große Qualitätsverlust im offensiven Mittelfeld.
effzeh.com: Wir haben Euch dazu im Sommer noch Leonardo Bittencourt abgeluchst, der Transfer galt in Kölner Kreisen als echtes Schnäppchen. Wie hat man das Ganze in Hannover wahrgenommen?
Tobias: Leo war nicht unumstritten. Er hat aus seinen Möglichkeiten unterm Strich zu wenig gemacht. Er ist aber noch jung und wird den nächsten Schritt bei euch machen. Er bringt alles mit, um ein Großer zu werden, wenn er an Durchsetzungskraft und Ruhe am Ball gewinnt. Für mich war es einer der größten Fehler der jüngeren Transfergeschichte, ihn für so wenig Geld abgegeben zu haben. Schmadtke hat ihn damals schon zu uns geholt, der weiß, was er an ihm hat.
effzeh.com: Auch Salif Sané stand bei uns auf der Liste. doch Euer Mittelfeldriese hat letztlich bis 2018 bei 96 verlängert. Waren wir etwa nur ein Druckmittel für eine bessere Verhandlungsposition? Oder sollten wir nochmals einen Versuch starten?
Tobias: Ganz ehrlich: Ich war überrascht, dass er bei uns verlängert hat. Köln wäre auf den ersten Blick aber eben nicht die Verbesserung für ihn gewesen. Er ist, was Einsatz angeht, immer ganz vorn dabei und zur Zeit der beste Mittelfeldspieler in unserem Kader. Ihr müsst es einfach versuchen, aber ich gehe jetzt davon aus, dass sich das Thema Köln für ihn erledigt hat.
effzeh.com: Jörg Schmadtke gilt hier in Köln als Vater des Aufschwungs, bei Euch scheint es dagegen nach seinem Abgang bergab zu gehen. Wie sehr vermisst ihr Euren alten Sportchef denn heute noch?
Tobias: Er war in Kombination mit Jörg Jakobs sicher das Beste, was für 96 möglich war. Er hat hier gute Spieler für wenig Geld geholt. Ich hätte nur zu gern gesehen, was er mit den Mitteln, die Dufner zur Verfügung hatte, angestellt hätte. Er genießt hier einen sehr guten Ruf. Mir kommt Jakobs dabei aber zu schlecht weg. Als er vorging zu euch, war Schmadtkes Nase verstopft. Beide funktionieren wohl nur zusammen. Ihr habt da ein großartiges Duo. Wenngleich es Schmadtke hier nicht geschafft hat, die Strukturen im Nachwuchsbereich zu verbessern.
effzeh.com: Für viele wirkt Hannover 96 wie ein langweiliger Klub, allerhöchstens verbindet man 96 mit Präsident Martin Kind und dessen Ansichten. Was ist für dich der Reiz der “Roten”?
Tobias: Wir sind von außen der Prototyp einer grauen Maus. Unsere Europa-League-Auftritte haben das zwar leicht verbessert, aber 96 hat es ja verstanden, das wieder gerade zu rücken. Als ich 1992 zu meinem ersten Heimspiel ging (gegen den damaligen Zweitligaaufsteiger VfL Wolfsburg), war ich sofort in den Bann gezogen. Es waren noch andere Zeiten und in den Jahren danach kamen zum Teil nur 5.000 Zuschauer in das Niedersachsenstadion, aber ich war verliebt. Ich denke, es gibt keinen Reiz, den ich nachvollziehbar darlegen könnte. Es packt einen eben einfach. Gerade der von dir angesprochene Martin Kind ist jedenfalls kein Grund dafür.
effzeh.com: Gar nicht öde ging es dagegen zuletzt zwischen den Fans und der Vereinsführung zur Sache, zum Saisonendspurt kehrten die Ultras ins Stadion zurück. Wie ist die aktuelle Lage in Sachen Fankultur?
Tobias: Hannover 96 hat versucht, sich dem Teil der Fans zu entledigen, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen wollten, nicht still konsumierten, sondern sogar Forderungen stellten. Das ging erwartungsgemäß komplett daneben. Zur Zeit zeigt 96 gute Ansätze. Man ist wieder im Dialog mit den Fans, es wurde ein Fanbeirat gewählt, der Stimmungsblock zurückgegeben und baulich sogar so verändert, dass dort erstmals seit dem Umbau des Stadions echte Stehplätze vorhanden sind. Das ist alles äußerst positiv. Man ist also auf einem guten Weg.
effzeh.com: Hannover verbinden wir effzeh-Fans häufig mit dem ersten Aufstieg der Vereinsgeschichte. Doch was kommt dir in den Kopf, wenn du an den effzeh denkst?
Tobias: Als erstes der Geißbock, dann der Tünn und Toni Polster. Mir kommen aber auch unschöne Bilder bei eurem letzten Abstieg in den Sinn.
effzeh.com: Zum Abschluss: Dein Tipp, bitte!
Tobias: Ich tippe auf ein 1:1