Die Aufgabe, aus 17 Neuzugängen und nur wenigen verbliebenen Akteuren aus der Vorjahres-Elf ein völlig neues Team zu formen, stellte eine gewaltige Herausforderung dar, die Stefan Ruthenbeck mit Empathie, hohem Engagement und profundem Fachwissen bravourös zu meistern wusste. Ein breiter Erfahrungsschatz aus seiner Tätigkeit in der 2. Liga (Aalen/Fürth) und in der 1. Liga halfen ihm, Trainingsformen immer weiter zu optimieren.
Das mit 2:1 gewonnene Derby gegen Mönchengladbach im Januar 2018 mit Teroddes Siegtor in allerletzter Minute nahm er dabei als einen wichtigen Anstoß zur Reflexion seiner Arbeit mit der U19 wahr:“ (…) das hat mich dazu gebracht, mir zu meiner Idee des Fußballs in der U19 noch einmal einige Gedanken zu machen. Ich habe gemerkt, dass ich einige Dinge anders machen muss, wenn ich Spieler für die erste Liga ausbilden will.“
Die Früchte dessen lassen sich am gegenwärtigen Tabellenstand seiner Elf ablesen. Nicht unerwähnt bleiben sollte die Arbeit der Verantwortlichen an der Spitze des Nachwuchsleistungszentrums, Matthias Heidrich und Carsten Schiel. Seit gut 18 Monaten planen, koordinieren und stoßen sie wesentliche Prozesse im Nachwuchsbereich des Geißbockclubs an. Es hat den Anschein, dass die Kommunikation und Bereitschaft zur Kooperation zwischen den einzelnen Jahrgangsmannschaften selten so gut war wie gegenwärtig.
Trotz aller Erfolge: ein sorgenvoller Blick in die Zukunft
Auffällig ist dabei die Flexibilität und Durchlässigkeit der älteren Nachwuchsteams des FC. So wurde Justin Diehl problemlos aus der U16 in die U17 hochgezogen, die U17-Spieler Philipp Wydra, Jens Castrop und Maximilian Schmid wurden in der U19 eingesetzt, aus der Akteure wie Mathias Olesen, Elias Oubella und Kenan Akalp auf Spielminuten in der U21 kamen. Doch trotz der Spitzenposition in der Tabelle wird der Weg in die Endrunde um die Deutsche A-Juniorenmeisterschaft für die U19 alles andere als leicht werden.
Sechs Spieltage vor Saisonende sind dabei noch vier Teams im Rennen: Der BVB ist Tabellenzweiter mit zwei Punkten Rückstand auf den FC, Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen folgen auf den weiteren Plätzen mit vier bzw. sechs Punkten Rückstand. Ruthenbecks Team hat zudem das schwerste Restprogramm der vier Spitzenmannschaften und muss noch gegen Mönchengladbach, Leverkusen und Schalke antreten.
Noch kann niemand genau sagen, ob, und wenn ja, wann die Saison zu Ende gespielt werden kann. Eines aber ist sicher: Finanziell unbeschadet wird keiner der 18 Bundesligaclubs die Corona-Krise überstehen. Das dann fehlende Geld wird auch Auswirkungen auf das Agieren dieser Vereine auf dem Transfermarkt haben. Es liegt nahe, dass sich viele Clubs als Alternative zu teuren Stars auf den Nachwuchs konzentrieren werden, auf den eigenen – und den anderer Vereine.
Die Situation am Geißbockheim als Hemmschuh
Der 1. FC Köln hat nun die einmalige Situation, über zwei „goldene“ Jahrgänge zu verfügen, deren hoffnungsvollste Talente vom Verein weiterverpflichtet werden könnten, die andererseits aber auch das Interesse finanzstarker Clubs aus dem In- und Ausland längst schon geweckt haben. Letzteres wurde zum ersten Mal publik, als Florian Wirtz, eines der hochkarätigsten Talente der Kölner, den FC noch vor der Corona-Krise in Richtung Leverkusen verließ. Die dabei kolportierte Transferentschädigung im unteren sechsstelligen Bereich wird von Kennern der Szene als „peanuts“ bezeichnet in Anbetracht der fußballerischen Qualitäten des jungen Brauweilers.
Es wäre fatal, wenn den Kölnern ein weiterer Fall „Florian Wirtz“ passieren würde. Die Gefahr ist durchaus real, so laufen die Verträge von Spielern wie Adamczyk, Voloder, Sponsel, Schwirten und Obuz zum Saisonende aus. Es bleibt zu hoffen, dass dort frühzeitig die Gespräche gesucht wurden und trotz Corona-Krise auch weitergeführt werden. Der Vertrag von Noah Katterbach, der altersmäßig auch noch der U19 zugerechnet werden kann, sei unterschriftsreif, wie vielfach zu lesen war, unterschrieben ist er allem Anschein nach noch nicht. Dies wird man zum Beispiel bei Schalke 04 nicht ungerne hören, wird den Knappen doch ein großes Interesse an dem hochtalentierten Linksverteidiger nachgesagt.
Die ausgezeichneten Leistungen der beiden ältesten Nachwuchsteams des 1. FC Köln sind Grund zur Freude und zum Stolz. Möglich gemacht wurden sie durch die fantastische Arbeit der Spieler, der Trainer nebst Mitarbeitern sowie des gesamten Nachwuchsleistungszentrums. Sie wurden jedoch nicht wegen der Trainingsbedingen am Geißbockheim erzielt, sondern der wenig befriedigenden Infrastruktur zum Trotz. So spottet es z.B. jeder Beschreibung, wenn ein und dasselbe Spielfeld von drei hochkarätigen Nachwuchsteams gleichzeitig genutzt werden muss. Die Verantwortlichen des 1. FC Köln wissen um diese und weitere gravierende Mängel und setzen zu deren Beseitigung seit Jahren auf den Ausbau der Trainingsflächen rund um das Geißbockheim.
Das Risiko: Der FC droht den Anschluss zu verpassen!
Die Pläne dazu sind seit geraumer Zeit ins Stocken geraten, Grund sind Belange des Umweltschutzes. In der gegenwärtigen politischen Situation und angesichts von in der Zukunft zu erwartenden Parteikonstellationen im Rat der Stadt Köln scheint das beharrliche Festhalten des Geißbockclubs an seinen Ausbauplänen zumindest mit einigen Risiken behaftet. Das größte Risiko besteht dabei dann wohl darin, dass der 1. FC Köln seine glänzende Position im U17/U19-Bereich nicht nur in naher Zukunft einbüßen, sondern mittelfristig den Anschluss an den Spitzenfußball im Nachwuchsbereich gänzlich verlieren könnte. Die goldene Gegenwart könnte einer eher tristen Zukunft weichen. Es bleibt zu hoffen, dass es anders kommen wird!