Es war bei weitem nicht der erste Auftritt der kölschen Nachwuchshoffnung, Jan Thielmann stand beim 2:1-Auswärtssieg auf Schalke zum 26. Mal in der Bundesliga auf dem Feld, doch es war ein Auftritt, der sogar bei leiderprobten Anhängern ungeahnte Emotionen freisetzte. Dies gilt auch für Thielmann selbst, der seine Freude, ähnlich wie Rafael Czichos früher in der Partie, in die Luft schrie. „Das ist gerade in dieser Phase der Saison sehr positiv für uns. Das freut uns alle sehr“, sagte das Kölner Glückskind nach der Partie. Und Czichos ergänzte: „Für uns als Team war es eine Erleichterung, nach so langer Zeit wieder getroffen zu haben.“ Thielmann, Czichos und Co sind nun gefordert diese positiven Gefühle mitzunehmen, aber realistisch zu bleiben und weiter hart an sich zu arbeiten.
Denn der Auftritt auf Schalke hatte genau einen guten Aspekt: der 1. FC Köln hat ein Bundesligaspiel gegen einen direkten Abstiegskonkurrenten gewonnen, drei Punkte eingesackt und sich damit ein kleines Polster auf den direkten Abstiegsplatz verschafft. Das ist das einzig Positive, was alle Kölner, inklusive Trainer Markus Gisdol, aus dieser Partie mitnehmen dürfen. Oder wie Marius Wolf es ausdrückte: „Zum Anschauen war es kein schönes Fußballspiel. Aber das ist Abstiegskampf, da ist scheißegal, wie man die Punkte holt. Hauptsache, du holst sie.“
Acht Punkte Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz. DAS ist das Positive, das aus der heutigen Partie mitgenommen werden kann. Alles andere: Mantel des Schweigens. #effzeh #S04KOE
— #Nazisraus | Thomas RausK (@koelnsued) January 20, 2021
Uth weckt den 1.FC Köln
Die Anfangsphase des Spiels hatte der FC mal wieder weitestgehend verschlafen. Zwar hatte auch der Tabellenletzte aus Schalke zunächst kaum nennenswerte Torgelegenheiten, dafür aber mehr vom Spiel. Nach 25 Minuten dann wurde der effzeh geweckt von einem gewissen Mark Uth. Der Schalker Angreifer und ehemalige Gisdol-Liebling spielte mit Harit einen Doppelpass und kam aus spitzem Winkel im Strafraum zum Schuss. Der Ball flog über das Tor. Doch die effzeh-Akteure wurden nun endlich aktiver. Mit mehreren Abschlüssen und Eckbällen setzte sich das Team beinahe schon in der Schalker Hälfte fest.
Die erste echte Kölner Druckphase endete dann tatsächlich mit der Führung. Nach einem weiteren Eckball landete die Kugel irgendwie beim wieder in der Startelf stehenden Dominik Drexler. Der zog einfach mal voll durch, ob nun Schuss oder Flanke konnte nicht abschließend geklärt werden, doch der Ball landete in der Nähe von Rafael Czichos. Der Verteidiger zeigte dann eine Eigenschaft, die im Abstiegskampf überall auf dem Feld von Vorteil ist: er warf sich in den Ball. Tor. Das 1:0, das Ende der Torlos-Serie, der Treffer für den kritisierten Czichos.
Welche Last vom Kölner Team abfiel, zeigte der anschließende Jubel. Und beinahe wäre es ein Schlüsselmoment geworden. Denn in der Folge kam der effzeh zu weiteren hochkarätigen Gelegenheiten. Das lag vor allem am Gegner. Schalke war vom erneuten Rückstand spürbar geschockt. Doch ein Freistoß von Ondrej Duda und ein Abschluss von Kingsley Ehizibue blieben ohne weitere Folgen für die Gelsenkirchener.
Es wird nochmal eng
Doch schon gegen Ende der ersten Halbzeit deutete sich an, was noch kommen sollte. Chancen für S04, offensive Akzente durch Harit und Hoppe, der in der 57. Minute dann tatsächlich zum Ausgleich traf. Die Szene: sinnbildlich. Denn Markus Gisdol hatte es in den Pressekonferenzen der letzten Zeit gebetsmühlenartig wiederholt, das Zauberwort der „defensiven Stabilität“. Anscheinend haben seine Spieler das verinnerlicht, denn in den 96 Minuten gegen Schalke befanden sich zu großen Anteilen mindestens acht Akteure hinter dem Ball.
Es schien, als habe Gisdols Trainerteam ihnen eingeimpft: „Immer hinter den Ball kommen, ihr müsst näher zum eigenen Tor stehen als der Gegner etc.“ Blöd nur, wenn die gesamte effzeh-Hintermannschaft dabei den Schwerpunkt auf „stehen“ legt. Am Schalker Gegentor waren Horn, Skhiri, der andere Horn, Hector und Cestic beteiligt. Mindestens vier Feldspieler und ein Torwart in Ballnähe, mehrfach gar am Ball. Und doch war der Ball am Ende nicht geklärt. Abwehrverhalten: katastrophal. Darüber hörte man übrigens nichts von den Kölner Akteuren und auch nicht von Coach Markus Gisdol.
Die Definition eines „Lucky Punch“
Der wollte sich lieber für seinen Lucky Punch Plan feiern lassen. „Bei Jan wussten wir, dass er eine gute Geschwindigkeit hat. Wir hatten spekuliert, dass er dem nicht mehr so frischen Gegner Gegner erwischt.“ Gesagt, getan. In der 87.Minute brachte Kölns Coach sein Lucky-Punch-Tag-Team bestehend aus Jan Thielmann und Tolu Arokodare. Ein großer Mann, der den Ball in den Lauf des pfeilschnellen Thielmann würde verlängern können. So oder so ähnlich war der Plan.
Weil an diesem Abend aber „Not gegen Elend“ noch zu hoch gegriffen wäre, fiel das entscheidende Tor dann ein wenig anders. Tolu lief komplett verwirrt durch die Gegend, während Thielmann mit großen Schritten einen Konter einleitete. Der junge Kölner Angreifer verwirrte seine Schalker Gegenspieler so sehr, dass auch das Verstolpern des Balles durch ihn folgenlos blieb, der Ball über Rexhbecaj beim plötzlich komplett blanken Thielmann landete. Und der versenkte das Leder tatsächlich eiskalt. Oder „brutal cool“, wie Coach Gisdol befand.
„Jan hat das Spiel heute entschieden. Er ist ein guter Typ“, gab Marius Wolf zu Protokoll und Rafael Czichos freute sich für seinen jungen Teamkollegen: „Jan ist ein absoluter Arbeiter. Wer ihn täglich im Training sieht, weiß, dass er alles dafür tut, um in der Bundesliga auf dem Platz zu stehen. Er ist eine kleine Kampfmaschine und hat heute super vollstreckt.“ Dann hat es hier wohl den Richtigen getroffen. Hoffentlich nehmen sich seine Mitspieler an der „kleinen Kampfmaschine“ ein Beispiel – auch im eigenen Sechzehner.