“Das machen die Stars!” – mit diesen Worten machte Dominick Drexler seinem Ärger Luft. Als hätte die 0:3-Klatsche in Dresden den Verein und sein Umfeld nicht genug ernüchtert, brach Drexler nun auch noch eine Diskussion um das Teamgefüge vom Zaun. Nichts deutet auf Euphorie oder wenigstens Souveränität hin, im Gegenteil. Trotz Vorsprung und wahrscheinlichem Aufstieg: Der effzeh präsentiert sich zunehmend wie ein überheblicher, prolliger Dorfclub. Auf und neben dem Platz.
Dabei ist die Tabellensituation noch das Erfreulichste derzeit: Mit sieben Zählern Vorsprung rangieren die „Geißböcke“ an der Spitze der 2. Bundesliga, der Abstand zu den Nichtaufstiegsplätzen ist noch komfortabler. Die Rückkehr in die höchste deutsche Spielklasse, das erklärte Ziel vor dieser Saison, scheint dem Verein trotz zuletzt erschreckender Leistungen nicht mehr zu nehmen zu sein. Doch der effzeh erkauft sich diesen Aufstieg gerade teuer – mit viel Geld und der nicht unrealistischen Aussicht auf den sofortigen Wiederabstieg. An letzterem trägt nicht nur Trainer Markus Anfang Schuld, aber auch. Denn von Erstligareife spürte man unter seiner Ägide nur selten etwas. Das betrifft vor allem die sportlichen Leistungen, aber durchaus auch die Außendarstellung.
Individuelle Klasse – sonst (fast) nichts
Formal betrachtet, sollte Anfang das Primärziel, den Aufstieg, erreichen. Grund zum Jubeln besteht darüber nicht. Denn ein Gedanke schwingt derzeit überall mit: Mit diesem Kader den Aufstieg zu verpassen, wäre schwieriger, als ihn zu erreichen. Die Spieler realisierten früh in der Saison, wie wenig Einsatz sie zu Siegen in der 2. Bundesliga benötigten. Kontinuierlichen Ehrgeiz zeigten nur wenige, die Mannschaft wirkte schnell übersättigt. Außer Jhon Cordoba, Louis Schaub und Jorge Meré entwickelte sich niemand weiter. Simon Terodde und Dominick Drexler lieferten hohes Zweitliganiveau, aus dem sich aber kaum Signale für die Bundesliga ableiten lassen.
Der Rest? Stagnierte, wenn überhaupt. Die “kölschen Helden” wurden zu Schatten ihrer selbst: Jonas Hector, von Anfang überall dorthin geschoben, wo gerade Platz war, ließ wenig von früheren Qualitäten erkennen. Timo Horn wurde unter Anfang und Torwarttrainer Menger immer schwächer, von einem früheren Level ist er aktuell weit entfernt. Marco Höger, Marcel Risse und Christian Clemens deuteten ihr früheres Niveau nur an. Ob sie es wieder erreichen können, scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Auch die Neuzugänge schlugen zu großen Teilen nicht ein, wenn man von Schaub und Drexler absieht.
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Freilich, Markus Anfang ist nicht für die kurzsichtige, desaströse Kaderplanung verantwortlich. Dass mit Lasse Sobiech, Florian Kainz, Rafael Czichos oder Benno Schmitz haufenweise Spieler, die ihre Bundesliga-Tauglichkeit noch nicht nachgewiesen haben, Verträge mit absurden Laufzeiten erhielten, die nicht nur das Budget für die nächsten Jahre massiv beschneiden und außerdem langfristig Plätze im Kader für andere Spieler blockieren, ist das Werk von Armin Veh. Aber Anfangs Job bestand und besteht nicht nur im Erreichen des Aufstiegs, sondern auch in der Grundsteinlegung für ein Team, das in der Bundesliga bestehen kann. Das erreichte er, milde gesagt, nicht.
Kaum Einsätze für Spieler mit Potenzial
Denn Anfang baute vor allem auf jene Spieler, die in der Bundesliga vermutlich einen schweren Stand haben werden. Czichos, Höger, Geis und Kainz besitzen in der Rückrunde offenbar Stammplatzgarantien – zu Lasten anderer Spieler wie Koziello, Özcan oder Jannes Horn. Bei keinem der letzteren weiß Anfang, wie er mit ihnen umgehen oder sie einsetzen soll. Also macht er es lieber gar nicht. Das gleiche gilt für Jugendspieler. Anfang integrierte keinen von ihnen in den Kader. Yann-Aurel Bisseck, der letztes Jahr Bundesligaerfahrung sammelte, wurde nach Kiel geschickt, Tim Handwerker nach Groningen. Noah Katterbach und Darko Churlinov blieben in der A-Jugend.