Am Ende eines erstaunlichen Samstagnachmittags kam die Mannschaft des 1. FC Köln noch in den Genuss einer Motivationsrede. Gerade hatten die „Geißböcke“ gemeinsam mit ihren Fans den überraschenden 2:0-Erfolg im Nachbarschaftsduell gegen Bayer 04 Leverkusen gefeiert, da nutzte der Vorsänger der „Wilden Horde“ die Gelegenheit, den Spielern im Abstiegskampf noch einmal Mut zuzusprechen. „Die Fans haben uns nach dem Spiel gesagt, dass sie uns alles verzeihen, solange wir so kämpfen wie heute. Das wissen wir, aber es war sehr emotional, das noch mal so persönlich zu hören“, betonte Rafael Czichos laut „Geissblog“ nach der stimmungsvollen Einstimmung auf die restlichen beiden Partien in diesem Jahr.
Zu verzeihen hatten die Kölner Anhänger an diesem erstaunlichen Samstagnachmittag allerdings nicht all zu viel: Ein 1. FC Köln, der nach den schwachen Vorstellungen der letzten Wochen bis in die Haarspitzen motiviert in die Partie gegen den rheinischen Rivalen ging, rief als krasser Außenseiter eine Leistung ab, die dem Team von Trainer Markus Gisdol wahrlich nur wenige zugetraut hatten. Mit viel Mut hatte der Coach die notwendigen Konsequenzen gezogen, brachte neben den beiden Youngstern Noah Katterbach und Ismail Jakobs auch U17-Meister Jan Thielmann von Beginn an. Insgesamt gab es in der Kölner Startelf sechs Änderungen im Vergleich zur Niederlage bei Union Berlin – Änderungen, die sich gegen Leverkusen auszahlen sollten.
Hohe Intensität, geringes Niveau
Die „Geißböcke“ zeigten bereits vom Anpfiff weg, was sich die Fans erhofft hatten: Mit hoher Intensität bekämpften sie die hochkarätig besetzte „Werkself“ und machten die Partie zu einem wahren Kampfspiel, das für Fußball-Ästheten wahrlich nicht schön anzusehen war. Die werbetreibende Konzerntochter eines weltbekannten Chemiegiganten hatte zwar mehr Ballbesitz, zeigte die reifere Spielanlage, konnte sich aber gegen leidenschaftlich verteidigende Kölner keine nennenswerten Chancen erspielen. Auf der Gegenseite setzte der effzeh auf überfallartige Angriffe nach Ballgewinnen: Jakobs’ Schuss nach wenigen Minuten blieb allerdings die einzig erwähnenswerte Szene in der Anfangsphase, die vor allem von viel Hektik und zahlreichen Ballverlusten geprägt war.
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Je länger das Spiel dauerte, desto mehr trauten sich die Gastgeber zu: Hector verpasste nach feiner Einzelleistung von Jakobs knapp die Führung, Youngster Thielmann (erster Bundesliga-Spieler des Jahrgangs 2002!) traf den Ball aus aussichtsreicher Position nicht richtig. Als der Ball dann endlich im Leverkusener Tor lag, verstummte der Jubel jedoch nach kurzer Zeit: Katterbach hatte Thielmann in Szene gesetzt, der allein vor Bayer-Keeper Hradecky clever auf Modeste quer legte. Das Tor des Franzosen war zwar nur Formsache, zählte allerdings wegen einer klaren Abseitsstellung in der Entstehung zurecht nicht. Von den Gästen kam nicht viel, die auffälligste Szene im Kölner Strafraum war eine lächerlich-dilettantische Schwalbe des Herrn Havertz kurz vor dem Seitenwechsel.
Cordoba und Bornauw bringen in Überzahl den wichtigen Sieg
Die Pause nutzte Leverkusen offenbar, um sich nach schwachen 45 Minuten deutlich zu raffen. Mit viel offensiver Wucht kam der Champions-League-Teilnehmer aus der Kabine, wollte die Favoritenrolle beim Abstiegskandidaten endlich mit Taten untermalen. FC-Torwart Horn war allerdings gegen Amiri (47.) und Havertz (52.) zur Stelle, ansonsten hielten die „Geißböcke“ dem Druck dank Laufbereitschaft, Cleverness und gesunder Härte stand. Etwas mehr als eine Stunde war gespielt, da nahm die Partie aus Kölner Sicht wieder Fahrt auf: Der eingewechselte Cordoba setzte sich in der gegnerischen Hälfte robust gegen Dragovic durch, der bereits verwarnte Gäste-Verteidiger konnte den Kolumbianer nur per Foul stoppen (62.). Der souveräne Schiedsrichter Gräfe entschied: Gelb-Rot, der FC in Überzahl!
Und die nutzte die nun wie angestachelt auftretende Gisdol-Elf keine zehn Minuten später: Nachdem Czichos die Führung per Kopf noch vergab, kannte wenig später der Jubel im Müngersdorfer Stadion keine Grenzen mehr. Ein Pass des eingewechselten Risse fand den Weg zu Hector, der geistesgegenwärtig Cordoba in Szene setzte. Der Kolumbianer blieb allein vor Hradecky eiskalt: 1:0 Köln (73.)! Dachten zumindest alle, doch der Video-Assistent hatte noch ein Wort mitzureden. Gleich zwei äußerst knappe Abseitsentscheidungen mussten überprüft werden – fast zwei Minuten mussten die Kölner Fans auf das erlösende Signal von Schiedsrichter Gräfe warten: Cordobas Treffer zählt, der FC führt gegen den rheinischen Rivalen!
Nur wenige Minuten später wurde die Laune bei den „Geißböcken“ noch einmal besser: Nach einem harten Zweikampf ließ sich der eingewechselte Leverkusener Bailey zu einer Tätlichkeit gegen FC-Verteidiger Ehizibue hinreißen, den Schlag ins Gesicht des Kölners hatte den nächsten Platzverweis zur Folge (78.). In nun doppelter Überzahl ließ es sich die Gisdol-Elf nicht nehmen, das Nachbarschaftsduell endgültig für sich zu entscheiden: Risse brachte einen Freistoß von links scharf vor das Leverkusener Tor, Bornauw schraubte sich hoch und köpfte zum 2:0 für den FC ein (84.). Der Rest war Siegestaumel in Müngersdorf, denn die Kölner verlassen durch den Erfolg gegen den rheinischen Rivalen das Tabellenende und sind wieder mittendrin im Abstiegskampf. Einziger Wermutstropfen: Marcel Risse musste kurz vor Schluss verletzt das Feld wieder verlassen.
Gisdol: “Von der ersten Minute an auf Sendung”
„Es fühlt sich gut an, einmal einen Glückwunsch nach einem Spiel zu bekommen. Es war Zeit. Es war Zeit für eine Leistung, wie wir sie heute gebracht haben. Wir waren von der ersten Minute an auf Sendung. Wir waren laufbereit und zweikampfstark und haben uns diesen Sieg von Minute zu Minute erarbeitet“, war Markus Gisdol sichtlich erleichtert nach seinem ersten Erfolg als FC-Coach. „Jeder hat gezeigt, was die Situation bei uns erfordert. Wir haben gesehen: Selbst wenn mal nicht alles funktioniert, wie viel man mit Einsatz rausholen kann. Unter dem Strich ist es ein Sieg – aber auch nicht mehr. Deswegen ordnen wir den Sieg richtig ein“, betonte der 50-Jährige angesichts der wichtigen drei Punkte im Nachbarschaftsduell. Ausruhen kann sich der FC darauf wahrlich nicht: Bereits am Mittwoch geht es in Frankfurt weiter, am Samstag wartet Werder Bremen auf die „Geißböcke“.