Am vergangenen Wochenende ging es für den 1. FC Köln nicht nur auf dem Platz heiß her: Von ihrem Bundesliga-Comeback beim VfL Wolfsburg kehrten die „Geißböcke“ ohne Punkte im Gepäck zurück, doch auch abseits der Bundesliga-Stadien musste der effzeh um wichtige Themen kämpfen. Mit einem offenbar innerhalb der Stadtgesellschaft unabgesprochenen Vorstoß hatte sich Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker von den Vereinsplanungen für einen Ausbau des Trainingsgeländes am Geißbockheim distanziert.
„Es hat ein Umdenken stattgefunden“, erklärte das Stadtoberhaupt der „Kölnischen Rundschau“ und brachte sogar einen Wegzug des Vereins aus der Millionenmetropole am Rhein ins Spiel. Später legte Reker gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ noch einmal nach: „Wir haben den Klimanotstand beschlossen. Das werden wir auch ernst nehmen. Genauso ernst nehme ich die Offenlage und die Bürgerbeteiligung. Dabei geht es nicht um bloße Mehrheiten, sondern um Argumente“, so die parteilose Oberbürgermeisterin, die 2015 unterstützt von CDU, FDP und den Grünen ins Amt gewählt wurde. „Ich würde mir wünschen, dass wir im Einvernehmen mit dem FC einen anderen Platz finden“, forderte sie einen alternativen Standort für die neuen Trainingsplätze der „Geißböcke“.
FC plant Nachwuchsleistungzentrum & drei Trainingsplätze
Der 1. FC Köln plant am Geißbockheim, das im Landschaftsschutzgebiet Grüngürtel gelegen ist, auf einer Wiese drei neue Kunstrasenplätze für die Nachwuchsabteilung, dazu die Errichtung eines Nachwuchsleistungszentrums auf einem bisher für den Trainingsbetrieb genutzten Spielfeld. Derzeit läuft bis zum 30. August noch die zweite Offenlegungsphase, in der Bürger*innen Eingaben zum Vorhaben des Bundesligisten machen können.
Ein Ausbau der Infrastruktur, so hatte der effzeh seit Bekanntgabe der Planungen stets betont, sei für die Zukunft des Vereins und dessen Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich. Das sah auch Henriette Reker im Oberbürgermeister-Wahlkampf noch so: „Ich werde mich überall – gefragt und ungefragt – dafür einsetzen, dass es zu diesem Ausbau kommt“, hatte die damalige Kandidatin auf einer Veranstaltung im Geißbockheim versprochen.
"..und ich werde mich auch überall – gefragt und ungefragt – dafür ein setzen, dass es zu diesem Ausbau kommt".@HenrietteReker , OB Köln, 11. August 2015 im #GBH zum Thema "Ausbau des selbigen"#effzeh pic.twitter.com/Z1a3OSBazi
— 2complacent4u (@2smart4u) August 18, 2019
Nicht nur deshalb zeigten sich die Verantwortlichen beim 1. FC Köln irritiert über den plötzlichen Sinneswandel des Stadtoberhaupts. „Ich war überrascht von der Äußerung, gerade zum jetzigen Zeitpunkt“, sagte effzeh-Finanzgeschäftsführer Alexander Wehrle der „Kölnischen Rundschau“. Es sei unfair, den FC zum Spielball machtpolitischer Fragen zu machen.
Wehrle: „Das Geißbockheim ist unsere Heimat seit 1953“
In einem ausführlichen Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu Beginn der Woche unterstrich Wehrle diese Position und erwiderte die Gedankenspiele der Oberbürgermeisterin: „Wir wollen dieses Verfahren am Geißbockheim abschließen. Zum Verfahren gehörte bereits die Prüfung von alternativen Standorten. Bislang waren die Signale von CDU, SPD und FDP eindeutig, dass sie dieses Verfahren für den FC unterstützen. Sollte es nach Abschluss des Verfahrens eine neue Situation geben, dann haben wir eventuell einen anderen Sachverhalt.“
Zum Geißbockheim gebe es aus Sicht des Vereins keine Alternative. „Für uns gilt: Ich kenne keinen Alternativ-Standort, an dem der FC morgen anfangen kann zu bauen. Denn selbst wenn es andere Standorte gäbe, die die nötigen Flächen hätten, müsste man auch dort das ganze Verfahren erneut durchlaufen. Und das würde wieder zwei, drei Jahre dauern. Von daher stellt sich die Frage nach den Alternativen gar nicht“, so Wehrle.
“Wir befinden uns im Sportband des Grüngürtels. Das ist seit 1920 dafür vorgesehen, dass hier Sport getrieben wird. Deswegen gibt es den 1. FC Köln an diesem Standort.”
„Das Geißbockheim ist unsere Heimat seit 1953. Wir haben auch eine Verantwortung für unsere Mitglieder und Fans. Diese Verantwortung können wir jetzt nicht leichtfertig zur Seite schieben, nur weil es vielleicht machtpolitische Veränderungen gibt in dieser Stadt“, macht der effzeh-Verantwortliche deutlich. Zudem gebe es ein Klimaschutzgutachten, ein Artenschutzgutachten, ein Denkmalschutzgutachten – alle laut Verein mit deutlichen Ergebnissen. „Um es nochmal eindeutig zu sagen: Wir befinden uns im Sportband des Grüngürtels. Das ist seit 1920 dafür vorgesehen, dass hier Sport getrieben wird. Deswegen gibt es den 1. FC Köln an diesem Standort“, betont Wehrle.
Auch Grüne-Ratsfraktion von Reker-Vorstoß überrascht
Auch die Diskussionen um den Standort will er nicht als Argument für einen Sinneswandel gelten lassen. „Dass das Thema die Bürger bewegt, das wissen wir seit vier Jahren. Aber das ist für mich kein neues Sachargument. Dass die Oberbürgermeisterin kurz vor Ende des Verfahrens das ganze Projekt hinterfragt, das sie seit 2015 öffentlich befürwortet hat, ist ja auch eine Botschaft für andere Bauträger in dieser Stadt. Auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, die seit vier Jahren mit diesem Verfahren beschäftigt sind, bedeutet es ja etwas, wenn ihre Arbeit kurz vor Ende in Frage gestellt wird. Es ist jedenfalls keine positive Signalwirkung”, so der effzeh-Finanzchef.
Doch nicht nur bei den „Geißböcken“ hat Henriette Rekers verbaler Vorstoß für Verstimmungen gesorgt. Auch die Kölner Grünen, seit jeher in der Opposition zu den umstrittenen effzeh-Plänen im Grüngürtel, waren vollkommen überrascht von den Gedankenspielen der Oberbürgermeisterin. Insbesondere die Vehemenz, mit der Reker die seit vier Jahren laufenden Planungen kippen will, waren selbst Teilen der Projektgegner sauer aufgestoßen. Nach effzeh.com-Informationen ist das Stadtoberhaupt in internen Gesprächen bereits teilweise von ihren öffentlich geäußerten Ansichten abgerückt.
Die naheliegende Motivation, die parteilose Reker wolle sich für die anstehenden Oberbürgermeisterwahlen im kommenden Jahr die Unterstützung der Kölner Ratsfraktion der Grünen sichern, scheint sich daher nicht zu bewahrheiten. Vielmehr scheint die bisher blass agierende Amtsinhaberin ihr grünes Profil ohne Rücksprache in der Stadtgesellschaft und ohne Rücksicht auf Verluste schärfen zu wollen.
SPD kritisiert Sinneswandel der Oberbürgermeisterin
Bei der SPD stößt diese Haltung der Oberbürgermeisterin auf Kritik. „Wir haben für diesen Sinneswandel kein Verständnis. Der gefundene Kompromiss ist eine Investition in die Zukunft der Sportstadt Köln. Die Trainingsanlagen werden allen Menschen zur Verfügung stehen und sind für den Jugend- und Breitensport sehr wichtig“, sagte Peter Kron, der sportpolitische Sprecher der Kölner SPD, in einer Stellungnahme der Ratsfraktion, die auch einen Faktencheck zur Erweiterung des Geißbockheim-Geländes online stellte.
Warum Ausbau #Geißbockheim sinnvoll bleibt. Mit Faktencheck. https://t.co/BqlhGUDZq6
— KölnSPD (@KoelnSPD) August 19, 2019
Kron weiter: „Wir haben uns als Kölner Politik in einem langen und intensiven Prozess und nach Diskussion mehrerer Standorte gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin und dem FC für diese Lösung entschieden. Dass die Oberbürgermeisterin diesen Kompromiss jetzt öffentlich einseitig aufkündigt, hat vermutlich andere als Sachgründe. Es ist sehr enttäuschend, dass sie damit eine Lösung mit Füßen tritt, die demokratisch und in Abwägung aller berechtigten Interessen gefunden wurde, nur um sich selbst in Position zu bringen.“
“Der FC hält es für völlig normal, dass es rund um die Planungen eine lebhafte Diskussion gibt. Gerade mit Blick auf eine faire, sachliche Debatte im Sinne der Stadt und ihrer Bürger ist es unabdingbar, dass ‚Fake News’ nicht Ton und Inhalt des Verfahrens bestimmen.”
In Position hatte sich zuletzt allerdings auch der 1. FC Köln selbst gebracht: In einer ausführlichen Stellungnahme auf der eigenen Internetseite hatte der Verein zu verschiedenen Punkten die Fakten noch einmal dargestellt und damit auf aus seiner Sicht unberechtigte Kritik an den Erweiterungsplänen für das Geißbockheim-Gelände geantwortet. „Der FC hält es für völlig normal, dass es rund um die Planungen eine lebhafte Diskussion gibt. Wir wehren uns zugleich entschieden gegen falsche Behauptungen. Gerade mit Blick auf eine faire, sachliche Debatte im Sinne der Stadt und ihrer Bürger ist es unabdingbar, dass “Fake News” nicht Ton und Inhalt des Verfahrens bestimmen“, hieß es in dem Text.
Baubeginn frühestens 2020
In der vergangenen Woche hatten die „Geißböcke“ nachgelegt und ihre Mitglieder zur Unterstützung des Bauprojekts aufgerufen. Detailliert legte der Club dar, wie die effzeh-Fans die angestrebte Erweiterung um drei Trainingsplätze und ein Nachwuchsleistungszentrum mit einer Stellungnahme an die Stadt unterstützen können. Sogar Beispielschreiben, die unter anderem der ehemaliger Hürther Bürgermeister und jetzige FC-Mitgliederrat Walther Boecker versandt hatte, hatte der Verein der Mitteilung beigefügt. Zeitlich ein Zufall zum Reker-Vorstoß, wie Wehrle beteuert: „Wir wurden von vielen Mitglieder gefragt, wie denn der formale Prozess läuft und wie so ein Schreiben aussehen müsste. Wir haben also eigentlich nur Hilfestellung gegeben bei dem, was unsere Mitglieder und Fans wissen wollten.“
Einstellen kann sich der 1. FC Köln und seine Fans auf jeden Fall darauf, dass in diesem Jahr die Bagger im Grüngürtel nicht mehr anrollen werden. Oberbürgermeisterin Reker wünscht sich noch für dieses Jahr einen Ratsbeschluss, der bei der derzeitigen politischen Großwetterlage vermutlich zugunsten der „Geißböcke“, die die Unterstützung der SPD, CDU und FDP genießen, ausgehen wird. Bauderzernent Markus Greitemann stellt derweil eine Beschlussvorlage zu den effzeh-Plänen im Grüngürtel für Januar 2020 in Aussicht. Es werde gut drei Monate dauern, die Beiträge der Bürger zum Thema auszuwerten, sagte Greitemann der „Kölnischen Rundschau“. In der laufenden Offenlegung sind 2.000 Stellungnahmen eingegangen. „Das ist besonders, aber es ist auch ein besonderes Bauvorhaben“, sagte Greitemann. Der FC war zuletzt von einem Baubeginn noch in diesem Jahr ausgegangen.