Im Grunde genommen könnten beim 1. FC Köln alle Beteiligten zufrieden sein. Die „Geißböcke“ haben das erklärte Saisonziel, ein weiteres Jahr in der Bundesliga spielen zu dürfen, erreicht. Sogar im Grunde genommen recht souverän: Zum einen stand rechnerisch der Klassenerhalt nach dem Remis gegen Eintracht Frankfurt schon vor dem abschließenden Spieltag fest, zum anderen hatte der FC schon vor der Corona-Pause die für den Ligaverblieb letztlich nötige Punktzahl auf die Habenseite gebracht. Dass im Umfeld des Bundesliga-14. dennoch eher Unzufriedenheit herrscht, hat vor allem mit der Bilanz zu tun, die die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol nach der Fortsetzung des Spielbetriebs einfuhr.
In den neun Spielen holte der FC keinen einzigen Sieg, lediglich vier Remis stehen den fünf Niederlagen gegenüber. Negativer Höhepunkt des augenscheinlichen Abwärtstrend bei den Kölnern nach dem Re-Start: Die desaströse Leistung beim 1:6 in Bremen zum Abschluss der Spielzeit. Doch auch ohne das Debakel an der Weser waren die Fragezeichen rund ums Geißbockheim angesichts der schwachen Auftritte im Saisonendspurt größer geworden. Statt an die starken Spiele zu Jahresbeginn anzuknüpfen, als die „Geißböcke“ sogar zwischenzeitlich Richtung Europapokal schielten, präsentierte sich die Gisdol-Elf nach der Corona-Pause wie ein zukünftiger Absteiger. Die Ergebnisse zeigen das deutlich auf: Lediglich die kriselnden Schalker holten seit dem Re-Start weniger Punkte als der FC.
“Voll befriedigend”? Verheerendes Zeugnis für einen Proficlub!
Das ist auch der Hauptgrund, weshalb der Klassenerhalt mehr oder weniger ernüchtert zur Kenntnis genommen wurde. Ein Klassenerhalt, der dem FC keineswegs zuflog. Wer die Saison Revue passieren lässt, dem dürfte das noch einmal deutlich bewusst werden. Nach der Niederlage bei Union Berlin und dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz hatten wenige noch Geld auf einen Ligaverbleib der “Geißböcke” setzen wollen. Dass am Ende dank eines Zwischenspurt der besten Sorte auch in der kommenden Spielzeit Bundesliga-Fußball im Müngersdorfer Stadion zu sehen sein wird, ist keine Leistung, die klein geredet werden sollte. Dass die Eindrücke seit dem Re-Start allerdings das Gesamtbild trüben, sollte niemanden verwundern. Die Befürchtungen, in der kommenden Spielzeit wieder dort zu stehen, wo der FC Anfang Dezember stand, sind nicht unberechtigt.
Diese extremen Schwankungen im Leistungsbild des 1. FC Köln, der aus dem Tabellenkeller dank einer fulminanten Siegesserie in Richtung Europapokal-Plätze stürmte, sollten den Verantwortlichen zu denken geben. Dass FC-Präsident Werner Wolf dieser Achterbahnsaison in seiner Bewertung die Note „voll befriedigend“ verpasst, spricht allerdings nicht für allzu großen Unbill über die Auftritte der „Geißböcke“ in der jüngsten Vergangenheit. Ein „Voll befriedigend“ mit nur einem Drittel ordentlicher Anwesenheit? Das ist tatsächlich eine stabile Bilanz – wenn der 1. FC Köln ein Langzeitstudent wäre, der nach 18 Semestern so langsam mal seinen Abschluss eintüten sollte. Für einen Proficlub im Leistungssport ist das ein verheerendes Zeugnis. Ein guter Bock springt offenbar nur so hoch, wie er muss.
Trotz der schwierigen Umstände: Zweifel an Gisdol wachsen
Der erneute Leistungseinbruch hat die Zweifel bei den FC-Fans jedenfalls wieder deutlich größer werden lassen, ob dieser Verein auch auf Strecke eine Chance in der Bundesliga haben wird. Und die Auftritte seit der Fortsetzung des Bundesliga-Betriebs haben auch die Zweifel an Trainer Markus Gisdol geweckt. Viele befürchten einen ähnlichen Verlauf wie in Hamburg, wo er es schaffte, eine totgeglaubte Mannschaft aus dem Dornröschenschlaf zu holen, vor dem Abstieg zu bewahren, aber alsbald nach der Sommerpause seinen Zauber zu verlieren. Auch diesmal hat es Gisdol schnell geschafft, einen emotionalen Zugang zum Team zu finden, diese für seinen Plan zu begeistern und damit Erfolge einzufahren. Und auch diesmal scheint es, als wäre diese Verbindung nach einer Unterbrechung gekappt.
Es gibt viele Variablen in dieser Rechnung – es war tatsächlich eine turbulente Saison für die „Geißböcke“, deren Aufs und Abs oft kaum erklärlich wirkten. Und dennoch sollten es die Verantwortlichen vermeiden, diese Umstände als allzu bequeme Alibis zu nutzen und sich dahinter bestmöglich zu verstecken. Stattdessen muss eine schonungslose Analyse folgen, um die Voraussetzungen zu schaffen, auch in der kommenden Saison den Klassenerhalt möglichst nervenschonend einzufahren. Dass die Schwankungen der eigenen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft auch in der Mannschaft und in der Führungsetage ein Thema ist, bewiesen die Aussagen nach der Bremen-Blamage, als unter anderem Marco Höger und Vizepräsident Carsten Wettich dies deutlich ansprachen. Daraus müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden.
Keine allzu schönen Aussichten für alle FC-Fans
Die Handlungsfähigkeit des Vereins ist dabei allerdings ziemlich eingeschränkt: Die Folgen der Coronavirus-Pandemie haben den FC hart getroffen, allerdings schlägt noch schlimmer die Misswirtschaft der Verantwortlichen in der jüngeren Vergangenheit zu Buche. Salopp formuliert: Die „Geißböcke“ haben spätestens seit der Qualifikation für den Europapokal das Geld mit der Schubkarre aus dem Fenster geschüttet. Teure Verpflichtungen wie Jannes Horn (sieben Millionen Euro) oder Niklas Hauptmann (3,4 Millionen Euro), die sportlich keine Rolle spielten. Viele Spieler, die in den sportlichen Planungen nicht mehr wichtig sind, können üppig dotierte Verträge ihr Eigen nennen. Kurzum: Das Preis-/Leistungsverhältnis des Kölner Kaders ist nicht gerade mit positiven Begriffen belegt.
Und nun eben dafür sorgt, dass selbst ein möglicher Umbruch, der offensichtlich allerdings nicht angedacht ist, schwierig zu finanzieren wäre. FC-Sportgeschäftsführer Horst Heldt, dessen Vertrag direkt nach Ende der Saison vorzeitig bis 2023 verlängert wurde, ist um seine Aufgabe weiß Gott nicht zu beneiden: 33 Spieler umfasst der Kölner Kader derzeit, große Sprünge auf dem Transfermarkt sind selbst bei einer umfassenden Rosskur nicht zu erwarten. Eine Verpflichtung von Schalke-Leihgabe Mark Uth, der in der Rückrunde ein enorm wichtiger Faktor für den Klassenerhalt gewesen war, scheint ebenso unrealistisch wie eine Vertragsverlängerung von Torjäger Jhon Cordoba, dessen Kontrakt bei den „Geißböcken“ im Sommer 2021 ausläuft. Keine allzu schönen Aussichten für alle FC-Fans.
Es muss sich einiges ändern in der Wohlfühloase am Geißbockheim
Aber gerade weil alle Beteiligten dank des schwachen Saisonendspurts mit „keinem guten Gefühl in die Sommerpause“ gehen, wie es Marco Höger ausdrückte, dürfen diese Vorzeichen keine Ausrede sein. Nicht die zu großen Teilen selbst verschuldete finanzielle Lage. Nicht die zu großen Teilen selbst verschuldete sportliche Situation. Nicht der schrumpfende Kredit der Verantwortlichen bei den eigenen Fans. Nicht die Frage, ob bald wieder Zuschauer im Stadion sein dürfen oder nicht. Nicht die immer wieder schnell herbeizitierte Erwartungshaltung der FC-Fans oder der vermeintlich außergewöhnliche Druck an einem Standort wie Köln. Es muss sich im Sommer viel ändern in der Wohlfühloase am Geißbockheim. Damit der Bock auch in der kommenden Saison zumindest so hoch springt, wie er muss. Allein das wird schon schwierig genug.