Auch der Geschäftsführer Sport, eh bereits mit einem starken Selbstbewusstsein ausgestattet, schlug mehr und mehr diese Arroganz-Richtung ein. Die Wahl des Magazins „11FREUNDE“ im Mai 2017 zum Manager des Jahres wird dies nicht zwingend gelindert haben. Schmadtke bügelte Kritiker, die sich in der Sommerpause 2017 und nach dem schwachen Saisonstart wegen der Transferphase durchaus zu Wort meldeten, als ahnungslos ab. Er selbst sah sich als Opfer, wähnte sich als Gehetzter der Medien und deren „Kampagnen“ und fühlte sich als „meistgehassten“ Mann in Köln, wie er auf einer Diskussion ausführte, um dann kurze Zeit später Geschichte zu sein.
Offene Debatte über Schmadtkes Job wurde nicht geführt
Man kann mutmaßen, dass eine offen geführte Debatte eine kritischere Sicht auf Schmadtkes Arbeit – auch bereits VOR dem desaströsen Transfersommer 2017 – ermöglicht hätte. Eventuell hätte dies auch zu mehr Kontrolle dieses Tätigkeitsfelds geführt, aber man verließ sich auf Gottvertrauen und ließ Schmadtke weiter agieren, … manche behaupten eher „nicht agieren“.
Peter Stöger hingegen blieb aber der charmante Trainer und wurde in der breiten Masse von jeglicher Kritik ausgespart. Dabei gab es auch hier Ansätze, die im Prinzip sich kaum verändernde Spielweise war nur ein Aspekt. Man kann auch die bereits legendäre Standardschwäche des FC nennen. Aber Stöger war in Köln „everyones Darling“, jemand den man gerne zum Kumpel hat. Immer bereit für ein Selfie, ein Autogramm oder ein nettes Wort. Bürgernah, offen für Köln und seine Vorzüge wie Karneval und Feiern aller Art. Dies wurde uns auch immer wieder vor Augen geführt, denn die Medien zeigten uns den weltoffenen Trainer, wie er in Köln agierte, in die Kameras lächelte und charmante Dinge sagte.
Die Treue zu Stöger: Beeindruckend! Sympathisch! Menschlich! Und falsch!
Es mag sein, das ihn all diese Eigenschaften bereits früher vor Kritik bewahrt haben. Doch in der sportlichen Krise nach dem Sommer 2017 wurde ein regelrechtes Schutzprogramm aufgebaut. Der Trainer war alleine durch die Europapokal-Teilnahme sakrosankt geworden und sein offenes Leben in der Kölner Gesellschaft führte nun zu einem öffentlichen Schutzmechanismus von dieser Seite. „Ich stehe zu Peter Stöger“ (wohlgemerkt nicht „ich stehe zum 1. FC Köln“) war selbst nach zig Niederlagen aus allen Ecken zu hören. Insbesondere in den sozialen Netzwerken konnte man diesen bemerkenswerten Satz lesen. Nicht selten mit einem Profilbild von sich eben mit diesem Peter Stöger zusammen. Das war beeindruckend! Sympathisch! Menschlich! Und es war falsch!
Der jahrelange Verzicht auf Kritik auf allen Ebenen führte nun dazu, dass im Verein keiner der „Königsmörder“ sein wollte. Den Volkstribun Stöger entlassen? Den Mann, der uns Europa brachte? Den Sympathieträger schlechthin? Das Volk liebte ihn doch, aber wer diesen Mann nun stürzt, der wird öffentlich gegrillt. Obwohl diese Entscheidung sportlich irgendwann (über den Zeitpunkt wird immer noch in der Szene diskutiert …) überfällig war, zögerte der Vorstand aus Angst vor der öffentlichen Meinung. Mehrfach verpasste die Führungsebene den Zeitpunkt, bis der 1. FC Köln nach 14 Spieltagen immer nur noch drei Punkte aus drei Remis aufzuweisen hatte.
Heute weiß man, dass man eigentlich bereits zu diesem Zeitpunkt abgestiegen war. Letzten Endes entließ sich Stöger dann selbst, durch eine legendäre Pressekonferenz vor dem Spiel auf Schalke, die einfach keine andere Entscheidung mehr zuließ. Das der Wiener eine Woche später im BVB-Outfit erschien, soll hier nicht weiter thematisiert werden.
Was also lehren uns die letzten Jahre?
Man kann es so sehen, das sich in Köln, zunächst schleichend, dann immer schneller Fahrt aufnehmend, eine kritiklose Wohlfühloase aufgetan hat. Es hat sich ein Klima ergeben, welches teilweise auch bewusst erschaffen wurde, in dem es sich alle Beteiligten zu leicht gemacht haben. Aus Rücksichtnahme wurde schnell Gewohnheit, die „Ruhiiiig bleiben“ Philosophie war nur scheinbar der richtige Weg oder wenn, dann nur zu einem gewissen Teil. Wir haben verlernt, Dinge konstruktiv zu kritisieren oder auch, konstruktive Kritik anzunehmen.
Das gilt nicht nur für den Vorstand, den Trainer oder den Manager, egal wie die Personen heißen. Es gilt auch für den Fan an sich, der dieses Klima mitträgt oder eben nicht. Um nicht falsch verstanden zu werden: Kollektive Unruhe braucht kein Mensch, erst recht nicht destruktives Schlechtreden oder Miesmacherei. All das bleibt weiterhin schädlich und muss weiter bekämpft werden. Aber wir brauchen wieder eine Kultur im Verein, die konstruktive und mit Argumenten belegte Kritik zulässt. Der Vorstand sollte es vorleben, die Mitglieder und Fans ebenso und auch die Medien sollten eine gewisse Kontrollfunktion ausüben.
Wir waren in den letzten Jahren nicht ehrlich zueinander, wir haben es uns zu schön geredet, daher haben wir nicht wahrhaben wollen, dass spätestens ab Sommer 2017 im Verein etwas schief lief. Aber wir haben es nicht sehen wollen, die Diskussion darüber nur an der Oberfläche geführt. Um es klar zu sagen. Wir waren zu ruhig! Deswegen folgt der Aufruf zur „konstruktiven Unruhe“. Nie wieder „Ruhiiiig bleiben“ (der FC sollte das Video löschen). Niemals wieder dürfen wir alle den Zeitpunkt verpassen, den Mund aufzumachen und Fehlentwicklungen anzusprechen. Auch wenn „Gegenwind“ droht, die Debatten darüber müssen geführt werden. Öffentlich-fair und im kleinen Kreis, von Fan zu Fan, von Mitglied zum Mitglied und gegenüber unserem geliebten 1. FC Köln. Damit ein solch völlig unnötiger und überflüssiger Absturz nie wieder passiert!
PS: Auch der Autor dieser Zeilen überdenkt seine Entscheidung, eine langjährige Dialogplattform zu beenden…