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Meinung

Zwischen Weinern und Völlern

Wer ist denn nun eigentlich arroganter? Die Schiedsrichter oder die Trainer? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie man denkt, findet effzeh.com-Autor Christopher Kohl.

Foto: NORBERT SCHMIDT/AFP/Getty Images

Die Spielunterbrechung von Felix Zwayer während der Partie zwischen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen beschäftigt die deutsche Fußballwelt. Während Schmidt und Völler weitgehend mit Unverständnis und Spott begegnet wird, erhält Zwayer für seine Konsequenz überwiegend Lob. Nun keimt erneut eine Debatte darüber auf, ob der Umgang mit Schiedsrichtern nicht zu respektlos sei. Das allein greift jedoch zu kurz. Ein Kommentar.

Es waren unwürdige Szenen, die sich am vergangenen Sonntag am Autobahnkreuz abspielten. Wie ein trotziges Kind weigerte Roger Schmidt sich, den Platz zu verlassen, nachdem ihm die höchste Autorität auf dem Fußballfeld dies befohlen hatte. Mit der Konsequenz, die Schiedsrichter Felix Zwayer dann an den Tag legte, hatte Schmidt wohl nicht gerechnet. Der Unparteiische unterbrach die Partie für rund neun Minuten und setzte sie erst fort, als Schmidt klein bei gab. Das Nachspiel für Zwayer war schon zu diesem Zeitpunkt vorhersehbar: Armer Roger, böser Felix. Zumindest für Rudi Völler. Erschwerend kam ein klarer Handelfmeter dazu, den Zwayer Leverkusen verweigerte. Der Wutcocktail für Völler war gemixt, Skyreporter Sebastian Hellmann bekam die Wirkung zu spüren.

Szenenwechsel: Bremen, 6.11.2011. Der 1.FC Köln verliert gegen Werder Bremen nach einer 2:0-Führung zur Halbzeit mit 2:3. Während der zweiten Halbzeit verweigert Schiedsrichter Michael Weiner dem effzeh einen Strafstoß, in dessen Folge ein Platzverweis für Henrique Sereno und ein Strafstoß für Bremen ausgesprochen werden. Vor der Halbzeit hätte es einen weiteren Elfmeter für den effzeh und einen Platzverweis für Sokratis geben müssen. Im Anschluss verteidigt sich Michael Weiner unter anderem so: “Die Bilder sprechen doch für sich, das können Sie sich ja anschauen. […] Ja, zu 100 Prozent sicher. Danke und schönen Tag noch. (auf die Frage, ob sich Weiner bei Sereno sicher war) […] Gucken sie sich doch alle an, die waren alle korrekt. Danke und schönen Tag noch. (Weiner legt auf.) (auf die Bemerkung, dass Weiner in den letzten 4 Spielen 5 Elfmeter gegen den effzeh gegeben habe).”

© effzeh.com

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Man könnte noch weiter Extrembeispiele anführen, aber schon diese machen deutlich, dass die Probleme zwischen Schiedsrichtern und Vereinen über Jahre gewachsen sind. Sicher, die absolute Harmonie kann nie erreicht werden. Trotzdem ist ein Rückgang der Spannungen erstrebenswert. Um dorthin zu kommen, ist es aber schwierig, die Diskussionen nur dann zu führen, wenn Extreme auftreten. Zudem muss zwischen gravierenden Fehlentscheidungen (wie etwa das Handtor von Leon Andreasen) und offensichtlichem Fehlverhalten differenziert werden. Fehlentscheidungen können und müssen kritisiert werden, aber sie sind Teil des Spiels (und die Debatten zur Nutzung technischer Hilfsmittel zeigt, dass man gewillt ist, die Wirkung von Fehlentscheidungen abzumildern).

Tatsächlich problematisch und aufheizend sind andere Faktoren. Viele Trainer und Spieler beklagen regelmäßig die ihnen entgegengebrachte Arroganz seitens der Schiedsrichter und stetige bornierte Uneinsichtigkeit. Die Schiedsrichter wiederum reklamieren höheren Respekt für sich als höchste Autorität auf dem Platz. Gilt dies flächendeckend? Oder sind es Einzelne, die immer wieder negativ auffallen?

Einen ersten Hinweis darauf, dass letzteres zutreffen könnte, gibt eine Umfrage unter den Schiedsrichtern, welcher Trainer der Bundesliga am schlimmsten sei. Heraus kam, dass Markus Weinzierl und Roger Schmidt die ersten beiden Plätze vor Dieter Hecking, Thomas Tuchel und Pep Guardiola belegen. Das sind fünf Trainer, die unübersehbar ständig bei den Unparteiischen sind, häufig wild herumgestikulieren und sich auch in den Medien oft über Schiedsrichterleistungen echauffieren. Sicher, das mag in einigen Fällen angebracht sein. Trotzdem fällt es auf, dass es nicht die übermäßig benachteiligten Trainer sind, die die Schiedsrichter in dieser Umfrage benennen.

Mit Augsburg und Leverkusen liegen sogar zwei Trainer an der Spitze, deren Mannschaften merklich unsportlicher agieren als viele anderen. Die Spieler sind bei vielen Entscheidungen umgehend beim Schiedsrichter, egal um was es geht. Gleichzeitig sind beide Mannschaften extrem nickelig beim Austeilen und sehr empfindlich beim Einstecken (die Augsburger Fallsucht rund um den gegnerischen Strafraum ist fast schon manisch und die Art, wie Stefan Kießling Elfmeter erzwingt, ebenfalls mehr als diskutabel). Es ist also nicht überraschend, dass es einer wie Roger Schmidt war, der einen Eklat wie in Leverkusen provozierte.

"Eierköppe" | Foto: Dirk Unschuld

“Eierköppe” | Foto: Dirk Unschuld

Auf der anderen Seite tragen die Schiedsrichter und auch der DFB ebenfalls eine Menge dazu bei, dass sie stets im Kreuzfeuer der Kritik stehen. Was etwa sagt es aus, dass ein krass regelwidriges und unsportliches Verhalten wie das Handtor von Leon Andreasen ohne nachträgliche Sperre auskommt? Hatte man nicht vor rund zwanzig Jahren mit der nachträglichen Sperre für Andreas Möller nach der drolligen Schwalbe gegen den KSC ein Exempel statuiert? Warum erhält einerseits Jörg Schmadtke, nachdem er eine wiederholte Fehlentscheidungen zu Lasten des effzeh mit “Eierköppe” kommentierte eine Geldstrafe von 6000€, wenn andererseits Rudi Völler skurrile Verschwörungstheorien wutentbrannt vor der Fernsehkamera verkündete und damit die gesamte Schiedsrichterzunft bloßstellte, lediglich eine Strafte von 10000€?

Wo sind da Verhältnismäßigkeit und Transparenz? Es wäre doch nun wirklich keine Schande, zumindest unsportliches Verhalten der Spieler im Nachhinein zu sanktionieren. Im Gegenteil, es würde dem DFB Glaubwürdigkeit verleihen und den Schiedsrichtern Druck von den Schultern nehmen. Die Souveränität der Tatsachenentscheidung würde darunter nicht leiden. Im Gegenteil, es wäre eine längst überfällige erzieherische Maßnahme, die einige Spieler disziplinieren könnte. Natürlich wäre zu definieren, unter welchen Umständen eine solche Sperre ausgesprochen werden würde. Das ist aber, wie auch aller Hickhack um die weitere Hinzuziehung technischer Hilfsmittel, keine Aufgabe für Atomphysiker. Das ist alles machbar.

Es gibt Handlungsbedarf. Diesem sollte man nachkommen. Selbst wenn es nicht sofort zufriedenstellende Lösungen gibt, ist es wichtig, auch die Dinge anzusprechen, die im sprichwörtlichen Fass selbst liegen, bevor einige Tropfen es zum Überlaufen bringen. Es gibt Mannschaften und Trainer, für die die Beeinflussung des Schiedsrichtergespanns ein wichtiger Bestandteil des Spiels ist. Andererseits gibt es Schiedsrichter, die jede noch so abstruse Entscheidung im Nachhinein rechtfertigen und sich unbelehrbar zeigen. Dass es zu einem Runden Tisch kommt, wie ihn Jörg Schmadtke einmal ins Gespräch brachte, ist allerdings unwahrscheinlich. Zumindest solange sich die öffentliche Diskussion darin erschöpft, ob Vereine, DFB, Zuschauer oder Schiedsrichter die Hauptschuldigen sind. Die Realität ist, wie so oft, komplexer.

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