Dass Leipzig und Hoffenheim neue Spannung versprechen und gut für die Bundesliga sind, ist aus vielen Gründen ein Irrtum. Viel mehr bringen sie mit ihrem Verhalten den Unique Selling Point der Liga in Gefahr.
Ja ja. Der Fußball ist nur noch ein Produkt. Ohne großes Geld geht‘s nicht mehr. Und diese ganze idealistische Romantik kann eh weg. Mehr Langnese-Familienblöcke müssen her, Stehplätze müssen weg. Stimmung? Ach bitte. Wenn die Ultras erst einmal ruhig sind, regeln das schon andere. Das wird dann auch toll. Spielbezogen eben. Aber auch toll. Wie in England, so toll. Generell: Ist doch alles nicht gut für die Bundesliga, diese Fankultur mit ihren asozialen Fahnenschwenkern und Dauergrölern – was ist denn das für ein Image? Dreimal in der Saison 60 Euro für ein Sitzplatzticket bei einem der Topspiele bezahlen, Schnauze halten, Bratwurst fressen – so geht das wahre Fansein der Zukunft nämlich.
Diesen Eindruck könnte man bekommen, wenn man sich so durch das liest, was man derzeit oft unter all den Artikeln, die sich mit der Beziehung von Fußballvereinen zu ihren hartgesottensten Fans beschäftigen, so findet. Wenn dann auch noch Hoffenheim oder Leipzig irgendwie eine Rolle spielen, bekommt man Weisheiten wie „Bayern kriegt von der Telekom auch Millionen“ und „Red Bull ist ein Sponsor“ meist gratis obendrauf serviert. Dortmund soll außerdem „mal schön ruhig sein“, schließlich ist der BVB eine Aktiengesellschaft. Und überhaupt: Ist doch toll für den Osten und die Hoffenheimer, dieser plötzliche Champions-League-Flair – nur kein Neid. Aber es ist ja auch toll für das Dörfchen Sinsheim, dass dort mit Dietmar Hopp ein gelangweilter Milliardär eine Fußballfirma aus dem Boden gestampft hat, die zwar immer noch keinen außerhalb des eigenen Dunstkreises so richtig interessiert, nun aber – genauso wie die Leipziger – in der Champions League auflaufen wird. Und gut für die Bundesliga soll das dem Vernehmen auch auf jeden Fall sein, schließlich spielen beide Clubs erfrischenden, aufregenden Fußball. Wer fragt da schon noch nach der Kohle?
Ja, wenn man nur mal kurz darüber nachdenkt, kann man zu dem Schluss kommen, dass das alles doch nicht so dramatisch ist und alle, die sich darüber mokieren, vermutlich bloß neidisch auf den Erfolg der Retortenclubs sind. Damit würde man allerdings nur beweisen, dass man lediglich – pardon – ein naiver Gegenwarts-Konsument ist, der die größeren Zusammenhänge nicht versteht. Denn so einfach ist das alles eben nicht.
Spannung? Welche Spannung?
Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images
Der Erfolg der Konstrukte aus Baden-Württemberg und Sachsen ist für die Bundesliga nämlich schlussendlich ein Misserfolg. Da nutzt auch die vermeintliche Spannung, die dank der sportlichen Höhenflüge von RB und TSG gerne herauf beschworen wurde, nichts. Man sollte sogar fragen: Welche Spannung? Dem sehr überwiegenden Teil der deutschen Fußballfans könnte kaum etwas egaler sein, als der Erfolg dieser beiden Clubs. Dass es bei den Spielen gegen die Neulinge dennoch hitzig wurde, liegt keineswegs daran, dass man den Gegner unbedingt sportlich bezwingen möchte, sondern schlichtweg an der Ablehnung der Idee, die erst durch Leverkusen sowie Wolfsburg, dann durch Hoffenheim und Leipzig salonfähig geworden ist. Und die nun auf vielen Ebenen den nachhaltigen Erfolg der ganzen Bundesliga bedroht.
→ Stadion, Investor, Fanszene: Quo vadis, 1. FC Köln?
Um diese These nachvollziehen können, muss man aber die Schmalspur verlassen und sich mal ein paar mehr Gedanken darüber machen, was die Bundesliga im Wettbewerb mit anderen Fußballligen auszeichnet, und was sie erfolgreich macht. Schnell wird man feststellen, dass der Grund für den Erfolg der deutschen Fußballliga ironischerweise nicht unbedingt mehrheitlich auf dem grünen Rasen zu finden ist.
Die spanische La Liga verdankt ihre enorme Popularität der Star-Power auf dem Platz. Messi, Ronaldo, Ibrahimovic, Zidane – die meisten absoluten Ausnahmespieler haben ihre Schuhe nie für einen deutschen, aber sehr wohl für spanische Clubs geschnürt. Topspieler, die alles überstrahlen, sind also nicht der Unique Selling Point – das wirtschaftliche Alleinstellungsmerkmal – der Bundesliga. Und mit dem vermeintlich spannenden Titelrennen in der Premier League kann man in Deutschland ebenfalls nicht mithalten – fünf bayerische Meisterschaften in Folge sind der beste Beleg dafür.
Die Unique Selling Points der Ligen
An dieser Stelle dürfte manch geneigter Leser einwenden wollen, dass es dann doch gut ist, wenn Hoffenheim und Leipzig für neue Spannung in der Liga sorgen. Doch mal ehrlich: Das haben sie bisher nie ernsthaft getan. Die letzten wirklich spannenden Meisterkämpfe erlebte die Bundesliga mit Borussia Dortmund. Aber selbst wenn man mal von dieser vermeintlich positiven Zukunftsvision ausgeht, erscheint sie auf den ersten Blick zwar folgerichtig, bricht mit dem zweiten aber schon wieder in sich zusammen.
Auf der nächsten Seite: Konkurrenz außer Reichweite