Wenn man Politikberichterstattung auch nur oberflächlich verfolgt, stellt man schnell ein immer wiederkehrendes Ritual fest: Nach 100 Tagen ist die Schonfrist für jeden neuen Funktionsträger abgelaufen, es wird ein erstes Fazit gezogen. Bei FC-Achim Beierlorzer war dies in den letzten Tagen ähnlich, durch Netz und Gazetten geisterten in der Länderspielpause einige Artikel, die das Wirken in seinen ersten etwas mehr als drei Monaten als FC-Trainer beleuchteten.
Was auch immer man vom Ziehen erster Zwischenergebnisse nach dieser eher kurzen Zeitspanne hält, eines kann man bei Beierlorzer auf jeden Fall feststellen: Er ist Kommunikator. Der ehemalige Gymnasiallehrer und ausgebildete Pädagoge verstand es schnell, Spieler, Fans und Verantwortliche durch Worte von sich zu überzeugen, sich dabei stets positiv und optimistisch zu geben und eine außerordentliche Klarheit durch wenig missverständliche und einordnende Sätze auszustrahlen. In der Vorbereitung verpasste er Verein und Umfeld damit jenen Euphorieschub, der nach dem Aufstieg im Mai für einige im Verein unerklärlicherweise ausblieb.
Beierlorzer jongliert mit Vertrauenskapital
Eine erste kleine Krise hat Beierlorzer in seinen ersten 100 Tagen als Übungsleiter in der Domstadt auch schon überstehen müssen: Nach der 0:4 Heimniederlage gegen Hertha wurde es etwas stürmischer, ein paar Fans krakeelten im Internet und forderten bereits Konsequenzen auf der Trainerposition. Beierlorzer reagierte auf die Niederlage, stellte im folgenden Spiel auf Schalke taktisch und personell teils radikal um und verhalf Noah Katterbach zu seinem Startelfdebüt auf der Position des Linksverteidigers.
Es war ein durchaus als gewagt zu bezeichnendes Manöver, bei einer hohen Niederlage und/oder einem schlechten Spiel hätte es schnell geheißen, dass er durch die Umstellungen seine mindestens vorletzte Patrone verfeuert hätte. Doch die Mannschaft spielte gut und sicherte sich durch dem späten Ausgleichstreffer von Jonas Hector einen hochverdienten Punkt, der für Beierlorzer enorm wichtig war.
Denn die Umstellungen im Zusammenhang mit dem späten Ausgleich und dem guten Spiel haben Beierlorzer ein gewisses Kapital in Form von Vertrauen bei Verein und Fans beschert. Dieses Kapital setzte er unter der Woche in der Öffentlichkeit zu einem nicht geringen Teil postwendend wieder ein, als er betont selbstbewusst vor die Mikros trat und in bekannt klaren Worten verkündete, man sei im Vergleich zu Paderborn die bessere Mannschaft. Widersprechen möchte man ihm nicht: Paderborn ist als klarer Außenseiter in die Saison gestartet und steht mit einem Punkt aus sieben Spielen schon etwas abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Ein Heimsieg wird erwartet.
„Der Einsatz ist das Mindeste, was wir entgegen bringen müssen.“
Gibt es diesen nicht, wird dem Franken die Aussage der „besseren Mannschaft“ erwartbar um die Ohren gehauen werden. Doch Kommunikator und Pädagoge Beierlorzer hat diesen Satz nicht leichtfertig getätigt und intern alles auf Rot gesetzt. Im Falle einer Niederlage hat er den Fokus der Öffentlichkeit lediglich auf sich gelenkt. Und damit weg von der Mannschaft.
Dies sind kleine, aber deutliche Signale, die in der Kabine gut ankommen sollten. Sie sorgen dafür, dass Beierlorzer entsprechendes Vertrauenskapital besitzt und die Kabine nicht so schnell verliert, auch wenn die Öffentlichkeit ihn kritischer sehen sollte. Die Mannschaft aber benötigt er auch dringend, um seinen Spielstil weiter zu implementieren, mit der Zeit die Hierarchien innerhalb der Mannschaft aufbrechen zu können und so eine Basis für eine langfristiges Engagement in Köln zu legen. Die ersten 100 Tage waren gewissermaßen gegenseitigendes Beschnuppern, auf der Makroebene kommt nun der nächste Schritt, bei dem es für Beierlorzer darum geht sich zu etablieren. Dafür ist ein wenig Risiko und Jonglieren notwendig.
Beierlorzer weiß, wie man gegen Paderborn gewinnt
Vor dem Spiel forderte Beierlorzer einen hohen Einsatz von seiner Mannschaft, um gegen die sehr unangenehm und fordernd spielenden Gäste aus Paderborn den Platz als Sieger zu verlassen. Der Trainer weiß wovon er spricht, im Gegensatz zu seiner Mannschaft hat er mit Jahn Regensburg das von Steffen Baumgart betreute Team letzten Januar im eigenen Stadion mit 2:0 bezwungen. Auffällig war, dass die Regensburger als Heimteam den Ostwestfalen den Ball überließen (64,3% vs. 35,7% Ballbesitz sowie 729 vs. 476 Ballberührungen) und Paderborn auch auf Grund dieser Taktik kein Tor gelang, weil man nicht wie gewünscht ins Umschaltspiel kam.
Der FC unter Markus Anfang hingegen hatte letzte Saison den Anspruch, das Spiel auch gegen Paderborn dominant zu gestalten, wurde in beiden Spielen ausgekontert und fing sich zwei Niederlagen und stolze acht Gegentreffer in jeweils kuriosen Spielen. Und auch sonst ließt sich die Bilanz für den effzeh gegen den SCP gruselig: In den letzten sechs Spielen konnte man nicht gewinnen, der letzte Erfolg datiert auf den März 2013, als man unter Trainer Holger Stanislawski einen 3:0-Heimsieg feiern konnte und Ujah nach seinem Doppelpack Hennes an den Hörnern packte.
Gibt es das Heimdebüt für Katterbach?
Wie Beierlorzer die Mannschaft aufstellen wird, ließ er offen. Ein Einsatz des Belgiers Birger Verstraete ist allerdings unwahrscheinlich, er konnte unter der Woche nicht mittrainieren. Beierlorzer wollte am Freitag zwar nichts ausschließen, betonte jedoch, dass es für Verstraete „sehr, sehr knapp“ werden wird. Entwarnung hingegen gab es bei Rafael Czichos, der am Donnerstag das Training abbrechen musste. Auch Dominick Drexler trainierte wieder mit der Mannschaft, ein Startelfeinsatz könnte jedoch zu früh kommen.
Und so spricht viel dafür, dass gegen Paderborn die selbe Mannschaft auflaufen wird wie vor zwei Wochen gegen Schalke. Hector bliebe dann im Mittelfeld neben Ellyes Skhiri auf der Doppelsechs, während Noah Katterbach sein Debüt vor heimischem Publikum feiern könnte. Vorne gäbe Simon Terodde wieder den Alleinunterhalter, für Anthony Modeste und Jhon Cordoba bliebe zunächst nur die Bank. Gegen Schalke funktionierte dies über weite Strecken. Dennoch betonte Beierlorzer, Überlegungen gäbe es immer: „Man muss immer schauen, was die einzelnen Spieler in der Trainingswoche machen. Das ist ja relevant für die ganze Mannschaft.“
Ebenfalls für die selbe Aufstellung spricht die taktische Marschroute, die Beierlorzer anriss: Gut verteidigen, Abstände klein halten; sich unterstützen; Tiefe nach vorne erzeugen und druckresistente Spieler aufstellen, da Paderborn Fehler erzwingen will. Nach Hurra-Fußball klingt das nicht, eher nach einem scheinbar übermächtigem Gegner. Oder nach einem Trainer, der weiß, wie man den Gegner seiner Stärken beraubt, um am Ende die drei Punkte zuhause zu behalten.
Das Spiel Tabellenvorletzter gegen Tabellenletzter ist ohne Frage ein richtungsweisendes Spiel. Hurra-Fußball wird weniger gefragt sein, es zählen am Ende nur der Sieg und die Punkte. Und sollte dies der Fall sein, ist der effzeh auch punktetechnisch wieder absolut im Soll. Beierlorzer könnte sich ein Stück sicherer sein, nächsten Sommer diverse Fazits zu seinem ersten Jahr in Köln zu lesen.