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Meinung

Strafe für Dortmund: Ein Empörungstornado trifft den BVB

Immer wenn es im Fußballkontext zu Gewalt und “Hass” kommt, scheinen Grundwerte wie Gerechtigkeit genauso entbehrlich, wie die Erfüllung journalistischer Kernaufgaben. Mehr als eine Woche lang haben wir dem munteren Treiben nach der Partie zwischen Dortmund und Leipzig mit staunenden Augen zugeschaut, nun ziehen wir eine kommentierende Bilanz.

Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Da war der mediale Köder auch schon ausgeworfen: Tragen Rauball, Watzke, Zorc und Tuchel etwa eine Mitschuld am „Hass“ auf RB? Die Presse funktionierte jedenfalls wie von RB erhofft. „Eine Haltung, die Leipzig als artfremden Eindringling in das gewachsene Biotop des deutschen Fußballs betrachtet, der im Prinzip weg muss“, habe Watzke „offensiv zum Ausdruck gebracht“, schreibt Frank Nägele im „Kölner Stadt-Anzeiger“ prompt. Damit aber nicht genug der schönen Worte: „Deshalb machte sie (die „Aggression einer Fan-Bewegung“, Anm. d. Red.)  auch vor Frauen und Kindern nicht halt und rollte wie eine Lawine über alles hinweg, was sich ihr entgegenstellte.“ Herrje.

Nur mal kurz nebenbei: Das ist, als wären Politiker, die Björn Höcke kritisieren am Ende dafür verantwortlich, wenn irgendjemand dem AfD-Mitglied eine runterhaut – nur um einmal an einem denkbaren Beispiel zu verdeutlichen, wie schwachsinnig diese Argumentation ist.

Moralmaulkorb für alles und jeden

Selbst wenn man, wie in der letzten Woche ohnehin zu genüge geschehen, juristische Grundsätze und Kauselketten zum Teufel jagen möchte, könnte man sich auf diese Art und Weise schließlich einen feinen Moralmaulkorb für alles und jeden basteln. Im konkreten Fall wird so aus einer Leipziger Frechheit – eine vereinsseitige Verantwortlichkeit des BVB für die Taten von Fans herzustellen – ein riesiges Bohei darum, was Watzke, Tuchel und Co den so alles falsch gemacht haben könnten. Dabei haben die nur mit Recht, grundsätzliche Dinge am Konstrukt Leipzig sachlich kritisiert.

Foto: Sascha Steinbach/Bongarts/Getty Images

Aber wie das so üblich ist: Tobt der mediale Sturm erst einmal, wird auch beim DFB nicht mehr lange gefackelt. Es müssen Strafen her! Natürlich müssen außerdem viele Entschuldigungsschreiben und Bessermachgelübte veröffentlicht werden, bevor dann erneut eine sinnlose und juristisch lächerliche Sanktion verhängt wird, die vom betroffenen Verein gefälligst zu akzeptieren ist. Und so muss man es wohl sagen.

Eine große Wahl hatten die Dortmunder nach dem, was da auf sie eingeprasselt ist, jedenfalls nicht mehr. Wenn schon vermeintlich journalistisch hochwertige Blätter wie das „Handelsblatt“ oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ auf Kleinigkeiten wie Gerechtigkeit – ‘tschuldigung – scheißen, bleibt wohl kaum noch Handlungsspielraum.

“FAZ” und Co: Mitgehangen, mitgefangen

„Mehr als hundert der überwiegend würdelosen Plakate prägten für eine bestimmte Zeit das hasserfüllte Bild der gesamten Tribüne. Niemand auf der Südtribüne machte sich erkennbar daran, dagegen vorzugehen“, faselt der vermeintliche Sitzplatzbesucher Anno Hecker da in der „FAZ“ daher und legitimiert damit eine Maßnahme, der er nur wenige Sätze vorher noch attestierte: „Es stimmt: Nicht jeder der 24450 Fans unter den etwa 81400 Zuschauern war an dieser üblen Diffamierung beteiligt.“ Und auch Nägele stellt im “Kölner Stadt-Anzeiger” fest: “Die Sperrung der Süd-Tribüne ist ungerecht, aber richtig.” Richtiges Unrecht? Was auch immer das nun wieder ist. Im „Handelsblatt“ hofft Alexander Möthe derweil, „dass die Strafe in Zukunft für mehr Fairness sorgt.“ Ob das mit einer unfairen Strafe gelingt? Klingt jedenfalls nicht sonderlich plausibel.

Vor keinem ordentlichen Gericht können Unbeteiligte für die Taten Dritter belangt werden – und ob es einem vor lauter Ratlosigkeit nun passt, oder nicht: Grundrechte gelten auch in Fußballstadien. All diejenigen BVB-Fans, die gegen Wolfsburg nun ihre Dauerkarte nicht wahrnehmen können, werden darin jedoch beschnitten. Ohne Verfahren, ohne Prozess, ohne Revision. Das sollte eigentlich auch für Journalisten ein Thema sein. Dass diese Kollektivstrafen weder in Frankfurt, Rostock, Köln oder Dresden Wirkung gezeigt, sondern vielmehr noch zu Solidarisierungseffekten geführt haben, wäre ebenfalls etwas, das sportpolitischer Journalismus beleuchten könnte.

Auf der letzten Seite: Warum dem BVB nicht anderes übrig blieb, als die Strafe zu akzeptieren

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